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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Piesport; Pietà; Pietät; Pieter-Maritzburg; Pietismus

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Piesport - Pietismus.

Piesport, Dorf, s. Pisport.

Pietà (ital.), Frömmigkeit, liebreiche Gesinnung, Barmherzigkeit; in der bildenden Kunst die Darstellung der Maria mit dem Leichnam Christi im Schoß. Die berühmteste aus der klassischen Zeit ist die überlebensgroße Gruppe von Michelangelo in der Peterskirche in Rom (s. Tafel "Bildhauerkunst VI", Fig. 15). Unter den Malern haben besonders G. Bellini und van Dyck das Motiv der P. behandelt. In neuerer Zeit hat Rietschel eine Abweichung von dem überlieferten Typus insofern versucht, indem er die Maria an der Seite des Leichnams Christi knieend dargestellt hat (Friedenskirche zu Potsdam). Eine andre Auffassung hat der Italiener Dupré in einer P. in Siena (s. Tafel "Bildhauerkunst X", Fig. 13) zur Geltung gebracht. Ähnlich der Rietschelschen ist die P. von dem Maler Löfftz (München, Pinakothek), während Böcklin eine P. gemalt hat, bei welcher Maria klagend den Leichnam umarmt (Berlin, Nationalgalerie).

Pietät (lat. pietas), Frömmigkeit, kindliche Liebe und Ergebenheit gegen Eltern, Verwandte und Wohlthäter; Ehrfurcht vor etwas Höherm. Personifiziert als Göttin, erhielt die Pietas 191 v. Chr. in Rom einen eignen Tempel und zwar zum Andenken an die Hingebung einer jungen Frau, welche ihrem zum Hungertod im Gefängnis verurteilten Vater mit der eignen Brust das Leben fristete. Ihr gewöhnliches Symbol war der Storch.

Pieter-Maritzburg, Hauptstadt der engl. Kolonie Natal in Südostafrika, am Umsindusi auf einer Ebene 614 m ü. M. und an der Eisenbahn Durban-Ladysmith, hat regelmäßige, mit Bäumen eingefaßte Straßen, ist Residenz des Gouverneurs, Sitz der Regierung, hat eine kleine Besatzung und (1884) 10,145 Einw., worunter 6085 Weiße, 3305 Kaffern und 755 indische Kulis. Der Handel mit Wolle, Häuten, Straußfedern, Elfenbein, Getreide, die nach Durban verpachtet werden, ist bedeutend. Die Stadt wurde von den Buren an der Stelle gegründet, wo sie 1838 einen entscheidenden Sieg über den Kaffernhäuptling Dingaan erfochten.

Pietismus (neulat.), eine krankhafte Form der Frömmigkeit (pietas), die, nach Umständen und Persönlichkeiten zu verschiedenen Zeiten verschieden gestaltet, bald in einseitigem Betonen einzelner Glaubenslehren, bald in überspannten und exzentrischen Gefühlen, bald in skrupulöser Ängstlichkeit, bald endlich in einem separatistischen Treiben ohne Maß und Ziel, immer in unruhigem und ungesundem Streben nach Heil und Gnade sich kundgibt. Eine epochemachende historische Bedeutung hat der P. erst in der evangelischen Kirche erhalten, während in der römisch-katholischen Kirche die Jansenisten, die Quietisten u. a. nur Analogien dazu bieten. Protestantischerseits machte sich der P. zunächst als wohlthätiges Gegengift gegen die totale Stockung und Lähmung des religiösen Bewußtseins geltend, welche unter der Herrschaft der Orthodoxie Platz gegriffen hatten. Anderseits zog der P. allenthalben einen des kirchlichen Gemeingefühls entbehrenden Subjektivismus groß. Der Separatismus, welcher ihm sonach unausrottbar im Blut sitzt, kündigt sich zuerst nur schüchtern an in der Konventikelbildung, welche aus der reformierten Kirche Hollands, dort bereits unter Labadies (s. d.) Leitung den Weg der Separation beschreitend, in die reformierten Kirchen des Niederrheins eingedrungen ist; hier fand sie ihren eifrigsten Förderer an Tersteegen. Der Name P. aber ist erst auf dem Gebiet der lutherischen Kirche Deutschlands entstanden. Was hier Spener (s. d.) mit dem redlichsten Eifer und noch mit hoher Mäßigung einleitete, das führten zahlreiche Schüler mit Leidenschaft und Parteieifer fort. Zunächst fanden die von Spener in seinem Haus veranstalteten Versammlungen (collegia pietatis), deren Hauptinhalt Gebet und Schrifterklärung bildeten, in andrer Form auch anderwärts Eingang, so z. B. zu Leipzig, wo mehrere junge Dozenten, Paul Anton, J. K. Schade und Aug. Herm. Francke (s. d.), seit 1689 sogen. Collegia philobiblica veranstalteten, d. h. exegetisch-praktische Vorlesungen über das Neue Testament für Bürger und Studierende. Hier kam auch der Parteiname der Pietisten auf, zunächst für die Besucher der Collegia philobiblica, welche sich durch eine besonders eingezogene Lebensweise hervorthaten. Die orthodoxe Leipziger theologische Fakultät, besonders Joh. Bened. Carpzov (s. d.), brachte es alsbald dahin, daß nach Speners Weggang von Dresden auch die oben genannten Dozenten Leipzig verlassen mußten. Francke ging später nach Halle, und dies ward nun der Hauptsitz der Pietisten (daher auch Hallenser genannt); hier wirkten neben Francke Joachim Just. Breithaupt (s. d.) und Joachim Lange (s. d.). Hatte Spener zur Umgestaltung der damaligen Theologie eingehendes Bibelstudium empfohlen, so wollten manche seiner Anhänger das ganze theologische Studium auf die Heilige Schrift beschränkt wissen, und Löscher, der gelehrteste und der objektivste unter den Gegnern des P., konnte als ersten Charakterzug des P. den fromm scheinenden Indifferentismus in Sachen der Dogmatik erklären. Dagegen legte der P. das größte Gewicht auf ein asketisches Leben; er erklärte namentlich den Tanz, das Spiel, den Besuch des Theaters, das Tragen kostbarer Kleider, mitunter sogar das Lachen, den Scherz, das Spazierengehen etc. für unerlaubt. Mit dieser Selbstkasteiung hing eine gewisse Verschiebung und Verdrängung des protestantischen Begriffs der Rechtfertigung durch den Glauben zu gunsten der Lehre von der Buße, Bekehrung und Wiedergeburt zusammen. Wo letztere nicht vorhanden, da ist nach pietistischer Lehre weder richtige theologische Erkenntnis noch gesegnete Amtsführung möglich. Mit gleichem Eifer wurde die von den Pietisten aus der Apokalypse entnommene Lehre von dem Tausendjährigen Reich orthodoxerseits verworfen. Übrigens hielten die Pietisten grundsätzlich an dem kirchlichen Lehrbegriff fest, bildeten darum auch keine besondere Sekte, sondern nur eine Art Parallele zu dem englischen Methodismus, indem sie auf einen pedantischen Schematismus des Heilsgangs drangen. Ehe "die Gnade in der Seele zum Durchbruch kommen" könne, sollte erst das Gefühl von seiner gänzlichen Untüchtigkeit zum Guten den Menschen zu einer "heilsamen Verzweiflung" treiben.

Die von Spener angeregte Belebung des praktischen Christentums ist übrigens nicht ohne heilsame Früchte geblieben: zahllose Anstalten der Wohlthätigkeit inmitten der Kirche, obenan die Franckeschen Stiftungen in Halle, die Bibelanstalt Cansteins (s. d.), sind durch den P. ins Leben gerufen, überhaupt die Gesichtskreise für die kirchlichen Aufgaben mannigfach erweitert worden. Auch die 1722 durch Graf Zinzendorf entstandene Brüdergemeinde (s. d.) ist eine die Union der Konfessionen vorbereitende Tochter des P., und die Theologie selbst, namentlich die praktische, hat unter den Händen Speners und der bessern seiner Schüler manche Modifikationen erfahren. Halle ward, wie einst Genf, das Herz, dessen Schläge man durch alle evangelischen Lande fühlte. Nach allen Ländern Deutschlands berief man Prediger und Schullehrer aus Halle. Zu dieser innern kam auch die äußere