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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pistill; Pistillodie; Pistis-Sophia; Pistoja; Pistole

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Pistill - Pistole.

gefäße, mit sehr verkürzten Internodien, spiralig geordneten, behaarten, vor der Blüte dem Wasser aufliegenden, später aufgerichteten Blättern und zahlreichen aufeinander folgenden Blütensprossen, welche aus einem dünnen, häutigen, kapuzenförmigen Niederblatt, einem Laubblatt und dem Blütenstand bestehen. Die einzige Art, P. Stratiotes L. (s. Tafel "Wasserpflanzen"), ist in den subtropischen Gebieten Amerikas, Asiens und Afrikas weit verbreitet und wird bei uns in Aquarien kultiviert. Man schreibt der Pflanze medizinische Wirkung zu und glaubt namentlich, daß Gewässer, auf denen sie wuchert, keine Miasmen aushauchen. Durch den Nil wurde sie schon im Altertum nach Ägypten geführt und als Wundmittel benutzt (daher ihr Name stratiotes).

Pistill (lat.), s. v. w. Stempel, s. Blüte, S. 67.

Pistillodie, die durch vorschreitende Metamorphose bewirkte Umwandlung eines Blütenteils in ein Pistill.

Pistis-Sophia (griech., "Glaube-Weisheit") bezeichnet in der Gnosis (s. d.) den Gegensatz zwischen Glauben und (durch jene erlangtem) Wissen, ist zugleich der Titel eines dem Gnostiker Valentinus (s. d.) zugeschriebenen philosophischen Romans, in welchem die Leiden der von Gott abgefallenen Weisheit, deren Irr- und Bußfahrten sowie deren schließliche Erlösung durch Christus geschildert werden. Derselbe ist 1851 aus einer zu London aufbewahrten koptischen Handschrift ins Lateinische übersetzt und (von Petermann) herausgegeben worden. Vgl. Köstlin, Das gnostische System des Buches P. ("Theolog. Jahrbücher" 1854).

Pistoja, Kreishauptstadt in der ital. Provinz Florenz, am Fuß der Apenninen in fruchtbare Ebene, an der Eisenbahn von Florenz nach Bologna (mit Abzweigung nach Lucca) gelegen, im Viereck erbaut und von einer Stadtmauer mit fünf Thoren nebst einer im SO. gelegenen Citadelle umgeben, trägt noch ganz das Gepräge der altflorentinischen Republik. Auf dem großen, mit der Statue des Kardinals Forteguerri geschmückten Domplatz erhebt sich die Kathedrale San Jacopo, ein romanischer Bau aus dem 12. und 13. Jahrh., mit Glockenturm, Vorhalle mit Terrakotten von A. Robbia, im Innern in drei Schiffe gegliedert (mit Grabmälern des Dichters und Rechtsgelehrten Cino da P. und des Kardinals Forteguerri, Gemälden von Lorenzo di Credi u. a. und einem 1286 begonnenen, erst 1407 vollendeten prachtvollen Silberaltar mit zahlreichen Reliefs und Statuen). Auf demselben Platz steht die Taufkirche (Battisterio, 1300 nach der Zeichnung Andrea Pisanos erbaut) mit schönen Statuen über der Hauptthür. Andre bemerkenswerte Kirchen sind: San Bartolommeo (im 12. Jahrh. im toscanisch-romanischen Stil neuerbaut) mit schöner, von Guido da Como 1250 vollendeter Kanzel aus weißem Marmor; Sant' Andrea mit der prächtigen, 1301 vollendeten Kanzel von Giovanni Pisano; Madonna dell' Umiltà (1495-1509 erbaut) mit schöner Vorhalle und großem viereckigen, mit einer Flachkuppel gedecktem Zentralraum; San Giovanni Fuoricivitas mit interessanter Nordfassade (von 1180), im Innern mit schöner Kanzel von 1270, einem Weihwasserbecken von Giovanni Pisano und Terrakotten von A. Robbia u. a. Hervorragende weltliche Gebäude sind: der Palazzo del Pretorio (jetzt Justizpalast) mit prächtigem Hof und altem steinernen Richtersitz; der Palazzo del Comune (1295-1353 im italienisch-gotischen Stil erbaut); das große Spitalgebäude (Ospedale del Ceppo, 1277 gegründet), mit Säulenhalle und einem schönen Relieffries von einem Robbia (1525); der bischöfliche Palast; die Privatpaläste Panciaticchi (von 1313), Cancellieri; das Theater u. a. Die Zahl der Einwohner beträgt (1881) 20,190, mit Einschluß des ländlichen Gemeindegebiets 51,552. Ihr Dialekt gilt als einer der reinsten Italiens. P. hat Eisen-, Stahl- und Quincailleriemanufakturen, bedeutende Büchsenmacherei (in P. sollen die Pistolen erfunden und hiernach benannt worden sein), eine Nadel- und eine Orgelfabrik, dann Leinweberei, Gerberei, Papier- und Glasfabrikation. P. ist der Sitz eines Unterpräfekten und eines Bischofs, hat ein Seminar, eine chirurgische Lehranstalt, ein Lyceum mit Bibliothek von 15,000 Bänden, ein Gymnasium, eine Akademie der Wissenschaften und eine zweite Bibliothek (Fabroniana) von 13,000 Bänden. Die schöne, gegen die Apenninen ansteigende, mit zahlreichen Villen geschmückte Umgebung von P. ist wegen ihrer gesunden, erfrischenden Temperatur als Sommeraufenthalt beliebt. - Im Altertum hieß P. Pistoria und war besonders durch die Niederlage Catilinas und seiner Genossen (62 v. Chr.) bekannt. Von dem Langobardenkönig Desiderius wurde es mit Mauern umgeben. Nachdem es sich im Mittelalter zu ziemlichem Ansehen erhoben hatte, wurde es 1306 von Florenz und Lucca erobert, die Mauern geschleift und sein Gebiet geteilt. Später errang es zwar seine Unabhängigkeit wieder, aber die bürgerlichen Unruhen brachten der Stadt großen Nachteil. In der Folge kam P. an Toscana und mit diesem an das Königreich Italien. P. zählte unter seine Bürger unter andern: die Dichter Cino da P., dann Francesco und Niccolò Bracciolini.

Pistole (franz.), eine angeblich im 16. Jahrh. zuerst in Spanien in Umlauf gekommene Goldmünze von der Größe eines Louisdors, ward anfangs sehr unförmlich, erst seit 1730 rund und regelmäßig geprägt. Anfangs war das dazu verwendete Gold 22 Karat, später nur 21 Karat 8 Grän fein, wobei 34½ Lot auf die rauhe Mark gingen, daher das Stück 15,50 Mk. wert war. Nach diesen Pistolen wurden seit 1640 die französischen Louisdore eingerichtet. In Deutschland verstand man unter Pistolen alle goldenen Fünfthalerstücke, die, verschieden benannt, auch in ihrem Wertverhältnis nicht völlig gleich waren. Dieselben sind jetzt schon aus dem Verkehr verschwunden.

Pistole (ital. Pistóla), kurze, mit Einer Hand zu führende Handfeuerwaffe mit stark gekrümmtem Kolben ohne Backe, im übrigen wie die Gewehre konstruiert. Die P. soll schon im 14. Jahrh. in der toscanischen Stadt Pistoja hergestellt und nach derselben benannt worden sein. Die Landsknechte führten sie als "kurze feuerschlagende Büchse" im Gürtel, und in den niederländischen und Hugenottenkriegen wurden die deutschen Reiter wegen des erfolgreichen Gebrauchs der P. Pistoliers genannt. Zwei Formen zeigen die Figuren. Sehr berühmt waren die Pistolen von Lazaro Lazarini und Kuchenreuter. Später wurde die Waffe durch den Hinterladungskarabiner und den Revolver verdrängt. Flobert konstruierte 1860 die nach ihm benannte Zimmerpistole und Zimmerbüchse, eine Hinterladungswaffe von 5-^[BINDESTRICH!]

^[Abb.: Schrotpistole aus dem 17. Jahrhundert.]