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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Pubes - Puchta.

mannigfachen Zeremonien begangen. In der Regel werden die jungen Männer, denen der Bart sproßt, und die Mädchen, sobald sich die erste Menstruation zeigt, von ihren Angehörigen getrennt und dann bestimmten strengen Prüfungen unterworfen, die meist in heftigen körperlichen Peinigungen bestehen, welche sie ohne Schmerzensäußerung ertragen müssen. Bei den Australiern besteht der Hauptakt in dem Ausschlagen und Spitzfeilen der Schneidezähne, anderwärts in blutigen Geißelungen, Tättowierung, und in vielen Gegenden Australiens und Afrikas wird damit die Beschneidung verbunden. Bei den Indianern Nordamerikas dauern die mit langen Fasten und Kasteiungen eingeleiteten Zeremonien monatelang; die Jünglinge erwarten dabei die Erscheinungen eines Schutzgeistes (meist in Gestalt eines lebenslang zu schonenden Tiers, s. Totem) im Traum, anderwärts haben sie ein gefährliches Jagdabenteuer zu bestehen oder einen Kopf zu erjagen (s. Kopfjagden). Hier und da sind mit der Absonderung der jungen Leute von ihren Angehörigen und mit den körperlichen Prüfungen Belehrungen über ihre Pflichten gegen Stammesgenossen und Fremde verbunden, die durch einen Schamanen oder eine kluge Frau gegeben werden, und endlich findet unter lärmenden Feierlichkeiten und Festen die Aufnahme der jungen Leute in die Gemeinschaft der Erwachsenen statt. In Mexiko und Peru näherten sich diese Prüfungen mehr denen unsrer Firmung; anderseits herrschten in einigen alten Kulturstaaten den Sitten der Wilden analoge Zeremonien, z. B. blutige Geißelungen der spartanischen Jünglinge am Altar der Artemis, Geißelung und Tättowierung der Jünglinge im Tempel der syrischen Göttin zu Hierapolis. Später traten an Stelle dieser Standhaftigkeitsprüfungen die Abscherung des bis dahin wachsenden Haars, das Anlegen der Toga virilis u. Nachweis von Zeichen geistiger Reife. Vgl. Ploß, Das Kind (2. Aufl., Leipz. 1884).

Pubes (lat.), mannbar; substantivisch die Bart- und Schamhaare als Zeichen der Mannbarkeit.

Pubéscens (lat.), mit Flaumhaaren (s. Pubes) bekleidet, feinhaarig; daher Pubescentia, die Behaarung oder Haarbekleidung im allgemeinen (s. Behaarung der Pflanzen).

Publica auctoritate (lat.), mit obrigkeitlicher Genehmigung.

Publicandum (lat.), Bekanntmachung.

Publicani (lat.), Pachter der Staatseinkünfte in den Provinzen bei den alten Römern, meist dem Ritterstand angehörig.

Publicum (sc. collegium, lat.), auf Universitäten eine durch das Semester fortlaufende Vorlesung, zu der jedermann Zutritt hat, ohne ein Honorar zu zahlen. Im lateinischen Verzeichnis wird daher angekündigt, daß der Lehrer über den betreffenden Gegenstand "publice et gratis" (öffentlich und unentgeltlich) lesen werde. Zum Gegenstand derselben werden meist Fragen von allgemeinem Interesse, Zeitfragen etc. gewählt. Vgl. Kollegium.

Publikation, Veröffentlichung, Eröffnung (s. d.), z. B. Verkündigung eines Gesetzes, eines richterlichen Urteils, welch letztere oft in einem besondern Publikationstermin erfolgt (s. Verkündigung).

Publikum (lat.), im allgemeinen die gesamte Einwohnerschaft einer Stadt oder eines Landes und in diesem Sinn dem Begriff Volk entsprechend, besonders aber die Gesamtheit einer gemachten, jedoch zu Einem Zweck verbundenen Menschenmasse. Insofern spricht man von einem lesenden, schreibenden, musikalischen, kunstliebenden, Theater-P. etc.

Publilius (Poblilius), Name eines röm. plebejischen Geschlechts, von dessen Gliedern sich besonders zwei hervorgethan haben: Volero P. brachte 472 v. Chr. als Volkstribun den Gesetzesantrag an das Volk und setzte ihn 471 in seinem zweiten Tribunat mit großer Energie durch, daß die plebejischen Magistrate künftighin in den Tributkomitien gewählt werden sollten. Q. P. Philo, einer der bedeutendsten Männer seiner Zeit, war 339 Konsul und dann in demselben Jahr Diktator, als welcher er mehrere volkstümliche Gesetze gab, und bekleidete dann noch dreimal (327, 320, 315) das Konsulat. Er war der erste Plebejer, der 337 die Prätur und 332 die Zensur erlangte, und der erste, dem nach Ablauf seines zweiten Konsulats, um die von ihm begonnene Belagerung von Paläpolis zu Ende zu führen, der Oberbefehl für 326 verlängert wurde.

Publilius Syrus, röm. Mimendichter, von Geburt ein syrischer Sklave, blühte um 43 v. Chr. und erfreute sich auch noch in späterer Zeit einer großen Beliebtheit wegen der kurzen, treffenden Spruchverse in seinen Mimen. Wir besitzen eine alphabetische Sammlung von fast 700 seiner "Sententiae". Neueste Ausgaben von Wölfflin (Leipz. 1860), Ribbeck in "Comicorum romanorum fragmenta" (das. 1873), Meyer (das. 1880), Friedrich (Berl. 1880).

Publisher (engl., spr. pöbblischer), s. v. w. Verleger, Verlagsbuchhändler.

Publizieren (lat.), veröffentlichen, verkünden.

Publizist (franz.), Gelehrter, der sich mit der Wissenschaft des öffentlichen Rechts und der Politik (Publizistik) beschäftigt; allgemeiner derjenige, welcher über öffentliche Angelegenheiten schreibt.

Publizität (lat.), Öffentlichkeit, Offenkundigkeit, öffentliches Bekanntwerden.

Puccinia Pers., Pilzgattung, s. Rostpilze.

Pucelle (franz., spr. püßäl), Jungfrau.

Puchero (spr. -tschero), span. Nationalgericht, welches der Olla potrida ähnlich ist, wird bereitet aus Rindfleisch, Schinken, Kichererbsen und einer sehr scharf gewürzten Wurstart. Dem weichgekochten P. werden Farceklößchen aus einer Mischung von Speck, Schinken, Eiern, Knoblauch, Petersilie und geriebener Semmel, die in Fett gebacken sind, hinzugefügt.

Puchstein, Badeort, s. Gießhübel 2).

Puchta, 1) Wolfgang Heinrich, verdienter Jurist, geb. 3. Aug. 1769 zu Mährendorf bei Erlangen, studierte in dieser Stadt, praktizierte sodann kurze Zeit als Advokat in Ansbach und ward hierauf von der preußischen Regierung zum Kriminalrat und 1797 zum Justizrat befördert. Als Ansbach an Bayern fiel, wurde er als Landrichter nach Kadolzburg versetzt. 1811 erhielt er das Direktorium des Landgerichts in Erlangen, wo er 6. März 1845 starb. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: "Über die Grenzen des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen" (Nürnb. 1819); "Handbuch des gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit" (Erlang. 1821, 2 Bde.; 2. Aufl. 1831-32); "Beiträge zur Gesetzgebung und Praxis des bürgerlichen Rechtsverfahrens" (das. 1822-27, 2 Bde.); "Über die gerichtlichen Klagen" (Gieß. 1833, 2. Aufl. 1840); "Das Prozeßleitungsamt des deutschen Zivilrichters" (das. 1836); "Über die rechtliche Natur der bäuerlichen Gutsabtretung" (das. 1837); "Der Inquisitionsprozeß" (Erlang. 1844); "Erinnerungen aus dem Leben und Wirken eines alten Beamten" (Nördling. 1842).

2) Georg Friedrich, ausgezeichneter Jurist, Sohn des vorigen, geb. 31. Aug. 1798 zu Kadolzburg, stu-^[folgende Seite]