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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pustel; Pusterich; Pusterthal; Pustkuchen; Pustula maligna; Putamen; Putation; Putativ; Putbus

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Pustel - Putbus.

baren Stellen wechseln. Es finden sich darin wenig Dörfer, wohl aber zahlreiche Meiereien, teils einzelne Gebäude, teils ganze Komplexe (tanya). Im Sommer herrscht auf den P. brennende Hitze, im Winter strenge Kälte. Furchtbare Orkane sind eine häufige Erscheinung, daneben merkwürdige Naturphänomene, namentlich die Fata Morgana (ungar. délibáb). Die P. waren früher der Tummelplatz zahlreicher Herden, welche das ganze Jahr hindurch hier ausdauerten. Die Hirten sind je nach der Gattung des von ihnen gehüteten Viehs Schweinehirten (kanász), Hornviehhirten (csordás, gulyás), Schafhirten (juhász) oder Roßhirten (csikós), welch letztere als echte Söhne der P. geborne Reiter, kühne Rossebändiger, oft aber auch noch kühnere Roßdiebe sind. Einzeln stehende Schenken (csárda) bilden den Sammelplatz dieser Hirten. Auf einer sehr tiefen Stufe der Bildung stehend, tragen sie doch ein Feuer in sich, welches sie befähigte, in den Jahren 1848-49 tapfer mitzukämpfen. Die Romantik der Pußta schwindet mit den Fortschritten des Eisenbahnwesens und der Feldwirtschaft immer mehr. P. nennt man überdies in Ungarn auch außerhalb der Ortschaften abseits gelegene, vereinzelte landwirtschaftliche Ansiedelungen.

Pustel (v. lat. pustula, Eiterblase), kleine, höchstens linsengroße Eiterbeule der Haut oder Schleimhaut, welche sich aus einer Beule (Papel) durch eiterige Schmelzung entwickelt. Sie dringt mehr oder weniger tief in die Lederhaut ein und heilt dadurch, daß der Eiter zu einem Schorf eintrocknet, so daß in der Mitte eine eingedrückte Delle entsteht, und nach einiger Zeit abfällt. War die Eiterung nur oberflächlich, so heilt die P., ohne eine Spur zurückzulassen; ging sie aber tiefer, so bleibt nach dem Abfall des Schorfs ein kleines Geschwür übrig, welches mit Zurücklassung einer Narbe heilt. Zu den pustulösen Hautkrankheiten gehören: die Pustelflechte (Impetigo), das Ekthyma (s. d.), die eiternde Hautfinne (Acne pustulosa, entzündete und eiternde Talgdrüsen), die Pocken oder Blattern (auf der äußern Haut und auf den Schleimhäuten) und die Krätze.

Pusterich (Püstrich), eine etwa 60 cm hohe hohle Erzfigur, einen unförmlich dicken knieenden Knaben darstellend, die im 16. Jahrh. in einem unterirdischen Gewölbe auf der Rothenburg bei Kelbra gefunden worden sein soll und jetzt in der Kunstkammer zu Sondershausen aufbewahrt wird; galt früher für ein Götzenbild, welches als Repräsentant des Feuergottes aus seinem hohlen Leib mittels Dampfbereitung Rauch und Flammen ausgeworfen habe, während neuere Forscher darin ein physikalisches Instrument (Dampfbläser) oder das Postament eines Taufbeckens erblicken. Vgl. Rabe, Der P. kein Götzenbild (Berl. 1852).

Pusterthal, große, über 100 km lange Thalfurche im östlichen Tirol, südlich der Zillerthaler Alpengruppe und der Hohen Tauern, die Zentralalpen von den Südalpen scheidend. Der westliche Teil (Unter-P.), zwischen der Mühlbacher Klause und dem Toblacher Feld (1232 m), wird von der Rienz, die im Hintergrund des Höllensteiner Thals entspringt und sich bei Brixen in den Eisack ergießt, durchströmt. Den östlichen Teil (Ober-P.), zwischen dem Toblacher Feld und Nikolsdorf, durchrauscht die Drau. Zahlreiche Nebenthäler erstrecken sich weit in die Gebirge. Im N. sind die hervorragendsten das bei Bruneck mündende Tauferer Thal (s. d.) und das Thal der Isel (s. d.) mit seinen Nebenthälern. Nach S. erstrecken sich bei Lorenzen das Enneberg, bei Welsberg Prags, bei Toblach das Höllenstein- oder Ampezzaner Thal (s. d.). Das P. war, weil es einen bequemen Übergang aus dem alten Noricum in das Herz der Rätischen Alpen darbot, schon von den Römern mit einer Straße versehen worden, wie auch von römischen Niederlassungen (Loncium: Lienz, Agundum: Innichen, Litamum: Lorenzen) noch zahlreiche Altertümer zeugen. Nach der Völkerwanderung erscheinen hier bajoarische Herzöge mächtig; später, unter Karl d. Gr., steht das Gebiet unter Gaugrafen (vgl. Mairhofer, P. unter den Gaugrafen 860-1150, Brixen 1862); dann kommen die Grafen von Andechs und von Tirol und die Erben der letztern, die Grafen von Görz, nach deren Aussterben 1500 das P. an Österreich fällt. Von dem zahlreichen Adel dieses Gebiets zeugen die vielen Schlösser. 1805 kam das P. an Bayern. 1809 ward das Ober-P. dem Königreich Illyrien zugeteilt. Seit 1868 ist es in die Bezirkshauptmannschaften Bruneck und Lienz geteilt. Die Zahl der Bewohner (ohne die Nebenthäler) beträgt etwa 28,000 Seelen; ihre Hauptbeschäftigung bildet Viehzucht. Die Naturschönheiten des Thals sind erst in neuester Zeit gewürdigt worden, seitdem es von einer Eisenbahn (Villach-Franzensfeste) durchzogen ist. Vgl. Rabl, Illustrierter Führer durch das P. (Wien 1882); Noë, Die Kärntner Pusterthalbahn (Zürich 1883).

Pustkuchen (P.-Glanzow), Joh. Friedrich Wilhelm, belletristischer und pädagogischer Schriftsteller, geb. 4. Febr. 1793 zu Detmold, gest. 2. Jan. 1834 als angesehener evangelischer Geistlicher in Wiebelskirchen bei Ottweiler, erregte Aufsehen durch seine Fortsetzungen von Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre". Gleichzeitig mit dem gleichnamigen Werk Goethes erschienen: "Wilhelm Meisters Wanderjahre" (Quedlinb. 1821-22, 3 Bde.) sowie "Wilhelm Meisters Tagebuch. Vom Verfasser der Wanderjahre" (Leipz. 1821), sodann "Gedanken einer frommen Gräfin" (Quedlinb. 1822), die auch als "Wilhelm Meisters Wanderjahre. Zweite Beilage" bezeichnet wurden, und endlich "Wilhelm Meisters Meisterjahre" (das. 1824, 2 Bde.). Diese Werke sind im Grund nichts andres als engherzige, parodistische Schmähschriften gegen Goethe und wurden denn auch allgemein aufs abfälligste beurteilt.

Pustula maligna (lat.); s. Milzbrand, S. 638.

Putamen (lat.), Steinkern, s. Frucht, S. 756.

Putation (lat.), Meinung.

Putativ (lat.), vermeintlich, irrigerweise für gültig gehalten; Putativehe, s. v. w. Glaubensehe (s. d.).

Putbus, Flecken auf der Insel Rügen, in der Grafschaft P., unweit des Rügenschen Boddens und an der Linie Bergen-Lauterbach der Preußischen Staatsbahn, hat eine Pfarrkirche, ein Pädagogium, ein Schloß des Fürsten zu P. mit schönem Garten und Park, Dampfbrauerei und (1885) 1708 evang. Einwohner. In der Nähe das Seebad Friedrich Wilhelms-Bad bei Lauterbach. - Die Fürsten und Grafen von P. sind eine Nebenlinie der alten Fürsten der Insel Rügen. Ihr Ahnherr ist Boranto, der 1249 das Schloß Podebusk oder P., nach dem er sich nannte, nebst 15 Dörfern und die Insel Jasmund erhielt. Seine Nachkommen erkannten im 14. Jahrh. die Lehnshoheit der Herzöge von Pommern-Wolgast an und teilten sich 1483 in die dänische und in die rügensche Linie. Letztere erlosch 1702, die erstere wurde 1727 in den Reichsgrafenstand erhoben und erhielt 1787 das erbliche Landmarschallamt in Vorpommern und auf Rügen. 1807 wurden Graf Wilhelm Malte von P. (gest. 26. Sept. 1854; Biographie von Spree, Berl. 1886)