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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Radierung; Radieschen; Radikal; Radikalessig; Radikalismus; Radikalkur; Radikánd; Radimin; Radiolarien; Radiometer

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Radierung - Radiometer.

stecher bei der Radiermanier, Maler und Radierer überhaupt zur Ausführung von Radierungen bedienen. Es ist eine englische Reibahle, welche in Holz gefaßt und zugeschliffen ist, und mit welcher man die Zeichnung in den Ätzgrund eingräbt. Zum Eingraben der feinern und dickern Striche und Linien hat man Nadeln mit feinern und dickern Spitzen, für ganz breite Striche aber nicht spitz, sondern schräg auf ihren Querschnitt geschliffene Nadeln, bei denen die arbeitende Fläche, wenn die Nadel rund ist, eine elliptische und, wenn sie viereckig ist, eine rautenförmige Gestalt erhält. Zum Radieren auf Stahl bedient man sich ebensolcher Nadeln; bei der Glyphographie hingegen arbeitet man mit knieförmig gebogenen, da hierbei ein stärkerer Ätzgrund aufgetragen wird und die stehen bleibenden Wände desselben genau senkrecht sein müssen.

Radierung (Radierkunst), eine zur Kupferstecherkunst (s. d., S. 329) gehörige Technik, welche nach dem Vorgang der niederländischen Meister des 17. Jahrh. einen bedeutenden Aufschwung genommen und eine reiche Ausbildung erfahren hat. Während die Künstler früherer Zeit meist nur eigne Erfindungen in Kupfer radierten (Malerradierer), nimmt die R. heute wegen der Schnelligkeit ihrer Ausführung und wegen der leichten Erzielung einer malerischen Wirkung eine hervorragende Stelle als reproduzierende Technik ein. In Deutschland hat W. Unger seit Mitte der 60er Jahre mit der Reproduktion von Gemälden, Zeichnungen und andern Kunstwerken mittels der R. begonnen und schnell so große Erfolge erzielt, daß er zahlreiche Schüler und Nachfolger gefunden hat, welche gleich ihm nicht nur einzelne Blätter, sondern ganze Galerien in Radierungen reproduziert haben. Besonders zu erwähnen sind: Wörnle, J. L. Raab, Forberg, W. Hecht, Halm, Krauskopf, F. Böttcher. Daneben hat sich auch die Malerradierung in Deutschland, zum Teil durch Stiftung von Genossenschaften (Düsseldorfer Radierklub, Gesellschaft für Radierkunst in Weimar, Verein für Originalradierung in Berlin), zu hoher Blüte entfaltet. Die Zahl der Malerradierer wächst von Jahr zu Jahr. Am meisten mit Originalradierungen haben sich neuerdings B. Mannfeld, M. Klinger, C. Stauffer, C. Röhling, Krostewitz, Geyger und J. Ehrentraut in Berlin beschäftigt. Von französischen Malerradierern neuerer Zeit sind Ch. Méryon (1821-68), A. Legros, J. F. Bracquemont, J. F. Millet, Daubigny, Ch. Jacque, A. Appian hervorzuheben. Zu höchster Virtuosität ist die R. in Frankreich als reproduzierende Technik entwickelt. Hier stehen Flameng, Jacquemart, M. Lalanne, Rajon und Ch. Waltner obenan, dessen Schüler C. Köpping aus Dresden die Genannten jedoch noch übertroffen hat. 1863 wurde die Société des aquafortistes in Paris gegründet. Ebenso eifrig wird die R. von den Malern Englands kultiviert, wo ebenfalls zu London eine Society of painter-etchers besteht. H. Herkomer, Seymour-Haden, Whistler, Tissot, E. Edwards, C. P. Slocombe, J. C. Robinson, R. W. Macbeth sind die hervorragendsten Malerradierer, welche einen Teil ihrer malerischen Wirkung durch raffinierte Druckprozeduren erreichen. Aus Rußland stammt der Rembrandt-Radierer Massalow. Vgl. Lützow, Die vervielfältigende Kunst der Gegenwart (Wien 1886 ff.); Roller, Technik der R. (das. 1887).

Radieschen, s. Rettich.

Radikal (v. lat. radix, "Wurzel"), auf die Wurzel bezüglich; tief, bis auf die Wurzel eingreifend, gründlich, von Grund aus (vgl. Radikalismus); als Hauptwort (das R.) in der Chemie ursprünglich der hypothetische nähere Bestandteil der organischen Säuren, dessen Zusammensetzung sich ergibt, wenn man von den diese Säuren konstituierenden Elementen den Sauerstoff entfernt denkt. Das R. der Essigsäure C2H4O2 ^[C_{2}H_{4}O_{2}] ist mithin die Atomgruppe C2H4 ^[C_{2}H_{4}]. Das R. spielt also in der organischen Säure etwa dieselbe Rolle wie in der anorganischen Säure (Säureanhydrid, z. B. SO3 ^[SO_{3}]) das Element. Letzteres ist ein einfaches, jene Atomgruppe der organischen Säuren ein zusammengesetztes R. Später hat man Radikale in allen organischen Verbindungen angenommen, und man nannte daher auch die organische Chemie die Chemie der zusammengesetzten Radikale im Gegensatz zur Chemie der einfachen Radikale, der anorganischen Chemie. Die Radikaltheorie, welche lange Zeit die Chemie beherrschte, wurde in verschiedener Weise ausgebildet, ist gegenwärtig aber vollständig verlassen. Vgl. Chemie, S. 985.

Radikalessig, s. v. w. Eisessig, s. Essigsäure.

Radikalismus (neulat.), im allgemeinen Bezeichnung derjenigen Weise des Denkens und Handelns, welche einen Grundsatz bis zu seinen äußersten Folgerungen, gleichsam bis zur Wurzel (radix), verfolgt, wird im besondern für solche Richtungen in der Wissenschaft wie im Leben gebraucht, welche einem für richtig erkannten Grundsatz zu Gefallen alles damit nicht Vereinbare rücksichtslos verwerfen und selbst keine Anknüpfung an das Bestehende behufs allmählicher Entwickelung des für richtig Erkannten aus dem Wirklichen zulassen. In diesem Sinn sucht sich der R. besonders auf dem kirchlich-religiösen und auf dem politischen Gebiet geltend zu machen, auf jenen als die bis zur Ableugnung und Aufhebung alles positiv Gegebenen getriebene Kritik oder Skeptik, auf diesem als äußerste Richtung der Demokratie, welche die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit in unbedingtester Weise und bis zu ihren letzten Konsequenzen sofort zu verwirklichen strebt. Neuerlich bezeichnete man, namentlich in Deutschland, von dieser extremen Konsequenzmacherei absehend, auch alle diejenigen Liberalen als Radikale, welche sich nicht mit den im Augenblick durchführbaren Reformen begnügten, sondern eine vollständigere Umgestaltung der Dinge und zwar auf mehr oder weniger ungestüme und hinsichtlich der Mittel wenig wählerische Weise anstrebten. Die radikale Partei ging von den Ergebnissen philosophischer Spekulation aus und erstrebte, nachdem sie die Unabhängigkeit und Autonomie des Individuums erst auf dem Gebiet der Religion zu erreichen gesucht hatte, auch die Selbstregierung im politischen Sinn, wodurch sie dem alten Liberalismus, welcher mit dem Absolutismus nicht brechen, sondern nur ein vermittelndes Abkommen treffen wollte, entschieden feindselig gegenübertrat.

Radikalkur (lat.), s. Therapie.

Radikánd (lat.), Zahl oder mathemat. Ausdruck, aus dem eine Wurzel gezogen werden soll.

Radimin (poln. Radzimin), Kreisstadt im russ.-poln. Gouvernement Warschau, mit (1885) 3989 Einw.

Radiolarien, s. Rhizopoden.

Radiometer (Strahlungsmesser, Lichtmühle), ein von Crookes erfundener Apparat, welcher durch die Einwirkung von Licht- und Wärmestrahlen in Bewegung gesetzt wird. In seiner gewöhnlichen Form (s. Figur, S. 542) besteht das R. aus einem vierarmigen Rädchen, welches mittels eines Glashütchens auf eine Nadelspitze leicht drehbar aufgesetzt ist. Jeder der aus Platindraht verfertigten Arme trägt an seinem Ende ein vertikal gestelltes Blättchen aus ge-^[folgende Seite]