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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Raphia - Rapp.

Raphia Comm. (Nadelpalme), Gattung aus der Familie der Palmen, niedrige Bäume mit starkem, unbewehrtem, geringeltem Stamm, sehr großen, aufrechten, gefiederten, mit Stacheln besetzten Blättern, ebenfalls sehr großen, mehrjährig sich entwickelnden, vielverzweigten Blütenständen, welche aus der Blattkrone herabhängen, grünlichen oder rotbraunen, monözischen Blüten und einsamigen, mit dachziegelförmigen Schuppen bedeckten und in eine Spitze endigenden, oliven- oder zimtbraunen Früchten von der Größe eines Hühnereies. Sie bewohnen niedrige, sumpfige Gegenden an den Küsten oder nahe den Mündungen großer Ströme im Bereich der Gezeiten. R. vinifera P. de B., im äquatorialen Westafrika, auf Madagaskar, den Maskarenen und in Polynesien, ein großer Baum mit 18 m langen Wedeln, liefert Material zum Dachdecken, zu Körben, Jalousien, Flechtwerk, Geweben, Nutzholz und einem Palmwein (Bourdon). Varietäten dieser Art: R. taedigera Mart. (Jupati) und R. nicaraguensis Örst., finden sich auch in Mittelamerika und Brasilien, wohin sie vielleicht vor Menschengedenken gebracht worden sind. Die Jupatipalme an den der Flut ausgesetzten Ufern des untern Amazonenstroms besitzt einen 2,5 m hohen Stamm, welcher tief hinab mit den stehen bleibenden, scheidenförmigen Basen abgefallener Blattstiele und mit den zahlreichen stachligen Fortsätzen, welche davon ausgehen, bekleidet ist, und trägt eine prachtvolle, über 20 m hohe Blattkrone von mehr als 12 m Durchmesser. Die einzelnen Blätter werden über 15 m lang (vielleicht die größten Blätter des Pflanzenreichs) und die Fiederblättchen 1,25 m. Der Blattstiel, von 10-12 cm Durchmesser und 4-5 m Länge, liefert in der gehaltenen, festen äußern Haut Material zu Körben und Jalousien; das fast korkartige Innere wird zu Latten zerspalten und zu Stöpseln benutzt. Die Oberhaut mit den starken Bastbündeln der Fiedern bildet den Raphiabast, der zu Flechtwerken und namentlich auch in der Gärtnerei als Bindematerial und zum Okulieren benutzt wird. Er ist hellgelb, zäh, geschmeidig, etwas elastisch und besitzt eine höchst bedeutende Zerreißungsfestigkeit. Auch aus Westafrika und von Madagaskar kommt Raphiabast in den Handel. R. Ruffia Mart., an der tropischen Küste Ostafrikas und auf Madagaskar, wird zur Sagogewinnung kultiviert.

Raphīden (griech.), s. Kristallschläuche.

Raphoe (spr. rafu), Städtchen in der irischen Grafschaft Donegal, südwestlich von Londonderry, hat eine Kathedrale, eine Lateinschule und (1881) 986 Einw.

Rapīd (lat.), reißend schnell; Rapidität, Ungestüm; Rapiden (engl. Rapids), Stromschnellen.

Rapīer (Rappier, franz. rapière), Waffe zum Erlernen des Hiebfechtens (s. Fechtkunst).

Rapieren, mit dem Rapier fechten; schaben, besonders Fleisch oder Speck aus Sehnen etc. ausschaben.

Rapilli, s. Lapilli.

Rapisárdi, Mario, ital. Dichter, geb. 1843 zu Catania, früher am Lyceum, jetzt an der Universität seiner Vaterstadt als Professor angestellt, hat sich vornehmlich als philosophischer und Reflexionspoet einen Namen gemacht. Seine beiden Hauptwerke in dieser Richtung sind: "La Palingenesi" (1868) und "Lucifero" (1877). Das erstere der beiden Werke, die sich als geschichtsphilosophische Dichtungen bezeichnen lassen, verfolgt die Phasen der Entwickelung des Menschheitslebens, als deren Marksteine der Dichter das Heidentum, das Kreuz, den Streit der Päpste und der Kaiser, die Kreuzzüge, Luther, die Knechtung der Völker und den Krieg, die Revolutionen, Italien und Pius IX. und die Zukunft hinstellt. Im "Lucifero" beschäftigt er sich nach einer kurzen die Vorzeit umfassenden, in mythischer Form gehaltenen Einleitung mit dem Völkerleben der Neuzeit, namentlich mit dem großen deutsch-französischen Völkerkampf von 1870/71 und den neuesten Geschicken Italiens. Außerdem veröffentlichte R. ein Drama in Versen: "Manfred", die Gedichtsammlungen: "Ricordanze" (1872, 3. Aufl. 1881) und "Poesie religiose" (1887), die Trilogie "Giobbe" (1884) und einen Band "Studien" unter dem Titel: "Catullo e Lesbia". Auch lieferte er Übersetzungen des Catull und des Lucrez und gab eine Auswahl seiner Gedichte ("Versi scelti e riveduti", 1888) heraus.

Rapolāno, Flecken in der ital. Provinz Siena, an der Eisenbahn Empoli-Chiusi, mit (1881) 1100 Einw. und sechs gut besuchten Schwefelthermen von 39° C.

Rapolla, Flecken in der ital. Provinz Potenza, Kreis Melfi, am Monte Vulture, hat eine mittelalterliche, beim Erdbeben von 1694 großenteils zerstörte Kathedrale und (1881) 3246 Einw.

Rapontĭca (gelbe Rapunzel), s. v. w. Oenothera biennis.

Rapoport, Salomo Jehuda (Löb), jüd. Gelehrter, geb. 1. Juni 1790 zu Lemberg, veröffentlichte von 1829 ab in der Zeitschrift "Bikkure haittim", dann in "Kerem chemed" die Biographien hervorragender mittelalterlicher Rabbiner, ward 1837 als Rabbiner nach Tarnopol, 1840 nach Prag berufen, wo er 16. Okt. 1867 starb. Von Rapoports übrigen Arbeiten nennen wir, abgesehen von der unvollendeten talmudisch-rabbinischen Encyklopädie ("Erech millin", Prag 1852, Bd. 1): "Gutachten über die Beschneidung" (Frankf. 1844); "Sch'ne hameoroth" (hrsg. von Steinschneider, Berl. 1847); "Einleitung zu den Rechtsgutachten der Geonim" (hrsg. von Cassel, das. 1848). Auch versuchte er sich als hebräischer Dichter und übertrug Racines "Esther" ins Hebräische. Sein Leben beschrieb A. Kurländer (2. Aufl., Pest 1869).

Rapp, 1) Georg, Stifter der religiösen Gemeinschaft der Harmoniten (Harmonisten) in Nordamerika, geb. 1770 im Württembergischen, wanderte 1803 mit Gleichgesinnten zur Herstellung einer nach dem Vorbild der apostolischen Kirche organisierten kirchlichen und bürgerlichen Gemeindeverfassung nach Amerika aus, wo er 1804 bei Pittsburg eine Kolonie gründete, unter deren Bewohnern völlige Gleichheit, Gütergemeinschaft und Ehelosigkeit herrschten. 1823 verkaufte er die 1814 erbaute Stadt Harmony in Indiana an Robert Owen und gründete am rechten Ufer des Ohio die Kolonie Economy, die jetzt Hauptsitz der Harmoniten und Residenz des als Prophet und Diktator anerkannten R. wurde. Jede Familie erhielt ein Haus mit Garten; jeder Erwachsene aber mußte im Sommer 12, im Winter 14 Stunden auf dem Feld oder in den Manufakturen arbeiten. So ward die Gesellschaft bald ausschließlich ein Verein für industrielle Zwecke und Betreibung des Ackerbaues. Schweren Schaden erlitt sie durch den Betrüger Bernhard Müller, welcher sich unter dem Namen Proli oder Graf Leon 1831 an R. anschloß, ihn dann aber mit 300 Anhängern verließ. R., dessen Kolonie von Jahr zu Jahr zusammenschmolz, starb 7. Aug. 1847. Sein Nachfolger als Oberhaupt der Harmoniten ward der Kaufmann Becker. Vgl. Wagner, Geschichte der Harmoniegesellschaft (Vaihingen 1833); v. Bonnhorst, Der Abenteurer Proli (Frankf. 1834); Nordhoff, Communistic societies of the United States (Lond. 1875); Palmer, Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs (Tübing. 1877).