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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Schalstein - Schamil.

Schalstein (Blatterstein), diabasisches Trümmergestein, welches, gewöhnlich mit Kalkstein, Roteisenstein und Phosphorit vergesellschaftet, mächtige Schichtensysteme meist der devonischen Formation bildet. Die Verknüpfung dieser Gesteine ist keine zufällige, sie sind die gewissermaßen auseinander gelegten Bestandteile des Diabas: das Calcium entstammt dem Feldspat und Augit, das Eisen dem letztern und dem Magneteisen des frischen Gesteins, und Apatit ist ein häufiger, wenn auch nur mikroskopischer Bestandteil des Diabas (s. d.). Der gewöhnlich bunt gefleckte, grünliche, gelbliche oder rötliche S. enthält meist Kalkspat in hohem Grad beigemengt (über 30 Proz.), bald in Nestern und Trümern, deren Auswitterung löcherige Gesteine erzeugt, bald in Adern, welche das Gestein netzförmig durchschwärmen und eine breccienartige Struktur hervorrufen, bald in Mandeln. Mitunter führen die Schalsteine als sichere Zeichen einer gleichzeitigen Bildung devonische Versteinerungen (Nassau). Schalsteine finden sich namentlich in Böhmen, im Harz und in Nassau, erstgenannte als Glieder des Silursystems, letztere devonischen Alters.

Schaltiere, die mit einem Gehäuse bedeckten Mollusken (Schnecken und Muscheln).

Schaltjahr, Schaltmonat, Schalttag, s. Kalender und Chronologie.

Schaltwerk, s. Sperrgetriebe.

Schaluppe, s. Boot, S. 203.

Schalwar (pers.), die langen und weiten Beinkleider der Orientalen aus Baumwolle oder Seide, ursprünglich Frauenkleid, seit dem 12. Jahrh. auch bei den Männern in Gebrauch gekommen; in der Türkei und in Persien oft Gegenstand des größten Luxus.

Scham (Schamgefühl), dasjenige Unlustgefühl, welches durch das Bewußtsein, eine wirklich oder doch vermeintlich (falsche S.) unanständige Äußerung in Worten, Gebärden oder Handlungen begangen zu haben, hervorgerufen wird. Die körperliche Wirkung der S., das Sichtbarwerden des durch dieselbe erhöhten Blutzuflusses unter der Haut (besonders der Wangen), ist die Schamröte (s. d.).

Scham, weibliche, s. Scheide.

Schamade (franz. chamade, ital. chiamata, Ruf, Schrei), das Zeichen mit der Trommel oder Trompete, daß der Belagerte zur Übergabe bereit ist; daher S. schlagen, sich ergeben. Ursprünglich erbat der Belagerer nach abgeschlagenem Sturm durch dies Zeichen die Erlaubnis zur Beerdigung seiner Toten.

Schamaiten, s. Samogitien.

Schamanismus, das Religionssystem der meisten niedern Naturvölker, deren Priester (Schamanen) sich als Zauberer und Herren über die Natur gebärden. Den Namen leitet man von Çramana, der indischen Bezeichnung für buddhistische Büßer, ab. Ursprünglich legte man den Namen Schamane nur den priesterlichen Wunderärzten der nordasiatischen Stämme, welche Zauberkuren treiben und die Vermittelung zwischen den Menschen und Göttern unternehmen, bei. Dieselben empfangen Offenbarungen über Zukünftiges und versetzen sich, indem sie mit Trommeln und Klappern ihre Gesänge begleiten, in einen Zustand nervöser Aufregung, der sich bis zu krampfhaften Zuckungen steigert, und in denen sie angeblich mit den Göttern und den Geistern der Verstorbenen verkehren. Ähnlich wie die Schamanen Sibiriens verfahren die Medizinmänner Nordamerikas, die Piajes oder Zauberpriester der Südamerikaner und die Fetischmänner oder N'gangas in Afrika, welche vermittelst ihrer Künste angeblich Regen herbeilocken. Wird eine Erkrankung der Einwirkung eines Zauberers zugeschrieben, so muß auch der Tod, selbst wenn er bei Altersschwäche eintreten sollte, nur durch die Wirkung böser Künste herbeigeführt worden sein. Daher findet man überall, wo der S. sein Unwesen treibt, den Wahn, daß der Mensch eigentlich unsterblich sei und nur böser Zauber sein Dasein verkürze. Am schwersten leiden unter solchen Anschauungen die Südafrikaner, bei denen der Fetischmann stets nach dem Urheber eines Todesfalls befragt wird. Ihm wird ein höheres Wesen zugetraut, wie denn alle Zeichendeuterei, alles Orakelwesen, auch das Geisterklopfen unsrer Tage zum System des S. gehören. Gegen die von dem Schamanen ermittelten Urheber der Krankheit wird dann gewöhnlich eine Art Gottesgericht (s. Ordalien) durch Verzehren einer giftigen Rinde oder Frucht eingeleitet. Der letzte Grundgedanke des S. beruht auf der Vorstellung, daß der Mensch mit unsichtbaren Mächten in Verkehr treten und sie zur Folgsamkeit zwingen könne. Beides geschieht durch Anwendung von sinnbildlichen Gebräuchen und geheimnisvollen Kraftsprüchen, auch manchmal durch narkotische Tränke und Hypnotisierung. Dieser Selbstbetrug hängt sich an alles Rituelle und Symbolische und ist überall thätig, wo von einer sinnbildlichen Handlung eine bestimmte, aber eigentlich nichts weniger als notwendige Wirkung erwartet wird. Viel wird auch das Gebet schamanistisch mißbraucht, indem es zur Zauberformel wird, sobald man seinen Worten irgend eine Wirkung auf den göttlichen Willen zuschreibt. Die Buddhisten ersannen sogar die Gebetmaschinen (s. d.), die, in Bewegung gesetzt und das Gebet unendlich vervielfältigend, die Gottheit überlisten sollen, indem man ihr zumutet, bei jeder Umdrehung die Gebete als gesprochen in Empfang zu nehmen. Auch der Opferdienst, aus dem reinen Gefühl des Dankes entsprungen, vermag schamanistisch zu entarten. Die Gottheit erscheint dann als der beschenkte Teil, und der Geber erwartet für seine Wohlthaten eine Gegenleistung. Am verderblichsten wirkt die Verirrung, wenn sich zu dem Opfer noch symbolisches Gepränge gesellt. Nirgends hat ein solcher Selbstbetrug verständige Denker so überwältigt als in Indien, denn an der Spitze aller Schamanen, methodisch geschult, verfeinert durch Gedankentiefe, gestützt auf tausendjährige Übung, stehen die Brahmanen (s. d.), denen allein der geheime Sinn und die Wirkungskraft der Bräuche und Sprüche bekannt war, und die sich schließlich selbst übermenschliche Eigenschaften beimaßen und zu fleischgewordenen Göttern erhoben. Alle Völker unterlagen auf einer bestimmten Zivilisationsstufe dem S., wenige haben ihn völlig abgestreift; wir selbst sind die Hexenprozesse erst seit kurzem los geworden und haben hier und da noch Nachklänge. Der sittlichen Erziehung des Menschen durch die Religion begegnet nirgends eine größere Gefahr als in dem schamanistischen Wahn. Vgl. Radloff, Das Schamanentum und sein Kultus (Leipz. 1885).

Schambein, s. Becken.

Schamberg, s. Bauch und Scheide.

Schamblume, s. Clitoria.

Schamil (Schamyl, d. h. Samuel), Imam und Tscherkessenhäuptling, geb. 1797 im Aul Himry im nördlichen Daghestan, ward Muride (Geistlicher) und neigte sich zu der Erneuerung des Sufismus hin, welche bald die verschiedenen Stämme Daghestans enger miteinander verband. 1824 nahm er mit Kasi Molla an dem Aufstand gegen die Russen teil, entging bei der Erstürmung von Himry (18. Okt. 1831) durch die Russen, obwohl schwerverwundet, dem Tod