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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Schleiche - Schleiden.

gewählte Dichtungen von Jakob Balde" (mit Joh. Schrott übertragen, Münch. 1870) und die humoristischen Reisestudien "Italische Apriltage: Erinnerungen aus einer konfessionslosen Romfahrt" (das. 1880).

Schleiche, s. v. w. Blindschleiche.

Schleicher, August, berühmter Sprachforscher, geb. 19. Febr. 1821 zu Meiningen, studierte in Leipzig, Tübingen und Bonn zuerst Theologie, dann die orientalischen und altklassischen Sprachen, habilitierte sich 1846 in Bonn als Privatdozent für vergleichende Sprachforschung und kam 1850 infolge seiner bereits berühmt gewordenen Kenntnis der slawischen Sprachen als Professor nach Prag, von wo aus er 1852 eine sehr ergebnisreiche Reise nach Litauen zur Erforschung der altertümlichen und für die Aufhellung der übrigen indogermanischen Sprachen besonders wichtigen litauischen Sprache unternahm. Vielfache Anfeindungen von seiten tschechischer Agitatoren bewogen ihn 1857, seine Stelle in Prag niederzulegen, worauf er als Honorarprofessor nach Jena ging. Hier starb er 6. Dez. 1868. Seine wichtigsten Werke sind: "Zur vergleichenden Sprachengeschichte" (Bonn 1848); "Die Sprachen Europas in systematischer Übersicht" (das. 1850); "Formenlehre der kirchenslawischen Sprache" (das. 1852); "Handbuch der litauischen Sprache" (Prag 1856-57, 2 Tle.); "Die deutsche Sprache" (Stuttg. 1860, 5. Aufl. 1888); "Kompendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen" (Weim. 1861, 4. Aufl. 1876); "Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft" (das. 1863, 3. Aufl. 1873), worin S. Darwins Stammbaum der Arten einen Stammbaum der Sprachen zur Seite stellte; "Litauische Märchen, Sprichwörter, Rätsel und Lieder" (das. 1857); "Indogermanische Chrestomathie" (mit Ebel, Leskien und Joh. Schmidt, das. 1869). Zahlreiche wertvolle Aufsätze veröffentlichte er in Zeitschriften, namentlich in den von ihm mit A. Kuhn (s. d. 2) begründeten "Beiträgen zur vergleichenden Sprachforschung etc." Die Sprachwissenschaft verdankt Schleichers Schriften eine nachhaltige und tiefgreifende Förderung. In zahlreichen Einzeluntersuchungen, die sich durch strenge und besonnene Methode auszeichnen, löste er eine Reihe der schwierigsten Probleme der Etymologie und vergleichenden Grammatik; dem Anfänger in der vergleichenden Sprachforschung lieferte er vortrefflich geordnete Lehrbücher; auf größere Kreise wirkte er durch seine gediegenen populären Schriften. Dagegen haben seine allgemeinen Ansichten über das Wesen der Sprache, das er mit dem Leben der Pflanze verglich, und über die Aufgabe der Sprachwissenschaft, die er als eine Naturwissenschaft betrachtete, zwar einige Anhänger, aber keinen bleibenden Beifall gefunden. Vgl. Lefmann, August S. (Leipz. 1870).

Schleichhandel, s. Schmuggelhandel.

Schleichkatzen (Viverridae), Familie der Raubtiere (s. d., S. 596).

Schleichpatrouillen, s. Sicherheitsdienst.

Schleichwirtschaft, s. v. w. Femelbetrieb.

Schleiden, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Aachen, an der Oleff, Knotenpunkt der Linien Kall-Hellenthal und Aachen-Jülich der Preußischen Staatsbahn, 357 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Schloß, ein Bergrevier, 2 Oberförstereien, ein Dampfsägewerk, Holzdrechslerei und (1885) 501 meist kath. Einwohner. S. war ehemals Hauptort einer eignen Grafschaft.

Schleiden, 1) Matthias Jakob, Botaniker, geb. 5. April 1804 zu Hamburg, studierte in Heidelberg die Rechte, praktizierte als Advokat zu Hamburg, studierte aber seit 1833 in Göttingen und Berlin noch Naturwissenschaft, besonders Physiologie u. Botanik. 1839 erhielt er die Professur der Botanik in Jena, und 1863 ging er als Professor der Botanik und Anthropologie nach Dorpat. Seit 1866 lebte er im Ruhestand, anfangs in Dresden, dann in Wiesbaden. Er starb 23. Juni 1881 in Frankfurt a. M. Sein Hauptwerk sind die "Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik" (Leipz. 1842-43, 2 Bde.; 4. Aufl. 1861). Dies Werk, wie Schleidens ganze Thätigkeit, zeichnet sich nicht nur durch eine Fülle neuer Beobachtungen, sondern vielmehr noch durch das Bemühen aus, der Botanik auf Grundlage der Kant-Friesschen Philosophie eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Er stellte die ganze Botanik als induktive Wissenschaft sofort auf eine viel höhere Stufe, erweiterte den Gesichtskreis und setzte der Forschung ein großartiges Ziel. Er betonte überall die Entwickelungsgeschichte als die Grundlage jeder morphologischen Einsicht und machte zum erstenmal den Versuch, die Hauptabteilungen des Pflanzenreichs morphologisch und entwickelungsgeschichtlich zu charakterisieren. Die "Methodologische Einleitung" seiner "Grundzüge" hat einen bedeutenden Einfluß geübt und besitzt dauernden Wert für alle Naturforscher, während seine Theorien, um welche lebhaft gestritten wurde, längst widerlegt sind. Sonst schrieb er: "Über Ernährung der Pflanzen und Saftbewegung in denselben" (Leipz. 1846); "Handbuch der medizinisch-pharmazeutischen Botanik" (das. 1852-57, 2 Bde.); "Die Pflanze u. ihr Leben" (das. 1848, 6. Aufl. 1864); "Studien" (das. 1855, 2. Aufl. 1857), eine Sammlung populärer Vorträge; "Zur Theorie des Erkennens durch den Gesichtssinn" (das. 1861); "Die Landenge von Sues" (das. 1858); "Über den Materialismus der neuern deutschen Naturwissenschaft" (das. 1863); "Das Meer" (Berl. 1865, 3. Aufl. 1884-88); "Das Alter des Menschengeschlechts" (Leipz. 1863); "Die Umwandlung der Weltordnung am Ende des Mittelalters" (Dresd. 1866); "Für Baum und Wald. Eine Schutzschrift" (Leipz. 1870); "Die Rose, Geschichte und Symbolik etc." (das. 1873); "Das Salz" (das. 1875); eine Biographie Linnés (in Westermanns "Monatsheften", Bd. 30, Braunschw. 1871); "Die Bedeutung der Juden für Erhaltung und Wiederbelebung der Wissenschaften im Mittelalter" (Leipz. 1877); "Die Romantik des Martyriums bei den Juden im Mittelalter" (das. 1878). Auch bearbeitete er die Pflanzen- und Tierphysiologie sowie die Theorie der Pflanzenkultur für die "Encyklopädie der theoretischen Naturwissenschaften" (Braunschw. 1850), gab mit Nägeli die "Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik" (Zürich 1844-46) und mit Schmid die "Geognostische Beschreibung des Saalthals bei Jena" (Leipz. 1846) heraus. Auch als Lyriker bethätigte er sich und gab zwei Sammlungen "Gedichte" (Leipz. 1858 u. 1873) unter dem Pseudonym Ernst heraus.

2) Rudolf, Jurist, Vetter des vorigen, geb. 22. Juli 1815 zu Ascheberg bei Plön, studierte die Rechte, bekleidete dann an der Generalzollkammer zu Kopenhagen mehrere wichtige Posten, ward zum Justizrat ernannt und bei der Zollgrenzregulierung Holsteins beschäftigt. Nach der Erhebung der Herzogtümer 1848 stellte er sich der dortigen provisorischen Regierung zur Verfügung. Diese sandte ihn als Mitglied des Vorparlaments nach Frankfurt, dann als ihren Agenten nach Berlin. Nach der Okkupation der Herzogtümer durch die Österreicher 1850 wandte er sich nach Bremen, wo er 1853 die Stelle eines Ministerresidenten in Washington erhielt. Seit 1863 vertrat er daselbst die drei Hansestädte. Im Januar 1865 ging er