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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Schwingung - Schwungrad.

Schwingung (Oszillation, Vibration), die hin- und hergehende Bewegung, welche Körper oder Teilchen derselben, die durch Kräfte in einer bestimmten Gleichgewichtslage festgehalten werden, diesseit und jenseit dieser Gleichgewichtslage ausführen, wenn sie aus dieser durch irgend eine Ursache entfernt und dann der Wirkung jener Kräfte, die das Gleichgewicht wiederherzustellen streben, überlassen worden sind. An einem senkrecht herabhängenden, schraubenförmig gewundenen Metalldraht (sogen. Hosenträgerdraht) werde eine Messingkugel, welche unten mit einem Häkchen versehen ist, aufgehängt. Die Elastizität des Drahts hält die Kugel, indem sie dem Gewicht derselben entgegenwirkt, in einer bestimmten Gleichgewichtslage fest. Hängt man nun an das Häkchen ein Gewicht von 100 g, so verlängert sich der elastische Spiraldraht, und die Kugel rückt z. B. um 1 cm herab; durch ein Gewicht von 200 g wird die Verlängerung verdoppelt auf 2 cm, das dreifache Gewicht bringt eine dreimal so große Verlängerung zuwege etc. Die Kraft also, welche aufgewendet werden muß, um die Kugel der elastischen Wirkung des Drahts entgegen aus ihrer ursprünglichen Gleichgewichtslage zu entfernen, nimmt in demselben Verhältnis zu wie diese Entfernung. Nachdem die Gewichte entfernt sind und die Kugel in ihre anfängliche Lage zurückgekehrt ist, werde sie nun mit den Fingern um 1 cm herabgedrückt; indem man sie in dieser Lage festhält, muß man mit derselben Kraft von 100 g nach unten ziehen, welche vorhin für diese Verlängerung notwendig war, und läßt man die Kugel jetzt los, so kehrt sie mit eben dieser Kraft in ihre Gleichgewichtslage zurück. In der Gleichgewichtslage angelangt, kommt sie aber nicht sofort zur Ruhe, sondern steigt 1 cm hoch über dieselbe empor, geht dann wieder unter die Gleichgewichtslage herab etc.: kurz, sie vollführt auf- und abwärtsgehende Schwingungen, welche in diesem Falle langsam genug sind, daß man sie mit Bequemlichkeit zählen kann. Man rechnet dabei einen vollständigen Hin- und Hergang, z. B. aus der tiefsten Lage in die höchste und wieder zurück in die tiefste, als eine S., und bezeichnet die Anzahl der in einer Sekunde erfolgenden Schwingungen als Schwingungszahl. Führt man die Kugel um 2 cm herab und läßt sie dann schwingen, so hat sie von ihrer äußersten bis zur Gleichgewichtslage einen doppelt so großen Weg zurückzulegen wie vorhin, oder ihre Schwingungsweite (Amplitude) ist jetzt die doppelte. Zählen wir aber ihre Schwingungen, so finden wir die nämliche Schwingungszahl wie im ersten Fall; denn da nicht nur der zu durchlaufende Weg, sondern auch die Kraftäußerung des gespannten Schraubendrahts jetzt auf das Doppelte gewachsen ist, so muß der größere Weg dennoch in der nämlichen Zeit durchlaufen werden. Ebenso bleibt die Schwingungszahl unverändert, wenn die Kugel um 3 cm aus ihrer Gleichgewichtslage entfernt, also ihre Schwingungsweite verdreifacht wird. Die Schwingungen sind sonach immer von gleicher Dauer oder sie sind isochron, mag der schwingende Körper weiter oder weniger weit aus seiner Gleichgewichtslage entfernt worden sein. Aus diesem Verhalten geht hervor, daß die Schwingungszahl nur von den dem schwingenden Körper eignen Kräften, welche sein gestörtes Gleichgewicht wiederherzustellen streben (hier von der Elastizität des Schraubendrahts), abhängig ist, aber keineswegs von der Stärke des äußern Antriebs, der die Schwingungen wachrief; die Stärke des Antriebs findet vielmehr ihren Ausdruck in der Größe der Schwingungsweite. Indem man die Kugel um 2 cm herabführt, hat man mit der Hand nicht nur einen zweimal so großen Druck auszuüben, sondern auch einen zweimal so großen Weg zurückzulegen, als wenn man sie nur um 1 cm herabführt. Die Arbeit, welche man in jenem Fall zur Überwindung der elastischen Kraft des Drahts leisten muß, ist daher viermal so groß als in diesem Fall, und wenn man mit dreifacher Kraft die Kugel in die dreifache Entfernung bringt, so hat man die neunfache Arbeit aufzuwenden von derjenigen im ersten Fall. Indem man die Hand entfernt, geht die von ihr geleistete Arbeit auf die Kugel über und offenbart sich in der Wucht oder Energie ihrer schwingenden Bewegung. Bei doppelter Schwingungsweite erfolgt also die S. mit vierfacher, bei dreimal so großer Schwingungsweite mit neunfacher Wucht etc., oder allgemein ausgedrückt: die Wucht der schwingenden Bewegung wächst im quadratischen Verhältnis der Schwingungsweite. Schwingungen, welche, wie in dem hier zu Grunde gelegten Beispiel, durch die Elastizität unterhalten werden, nennt man elastische Schwingungen; zu ihnen gehören die schallerregenden Schwingungen der Saiten, Stäbe, Stimmgabeln, Glocken etc.; auch die Schwingungen der Luftteilchen bei der Fortpflanzung des Schalles, der Ätherteilchen bei der Fortpflanzung des Lichts, die Schwingungen der Moleküle und Atome erwärmter und leuchtender Körper, endlich die durch die Schwerkraft unterhaltenem Schwingungen des Pendels (s. d.) befolgen die oben dargelegten Gesetze.

Schwingungsknoten, s. Schall, S. 393.

Schwirrvögel, s. Kolibris.

Schwitzen, s. Schweiß und Schweißtreibende Mittel.

Schwören, s. Eid.

Schwulst, s. v. w. Geschwulst; in der Stilistik s. v. w. Bombast, überladene Fülle des Ausdrucks.

Schwund, s. v. w. Atrophie.

Schwungkraft, s. Zentrifugalkraft.

Schwungkugelregulator, s. Regulator, S. 668.

Schwungmaschine, s. v. w. Zentrifugalmaschine.

Schwungrad, an einer Maschinenwelle (Schwungradwelle) befestigtes und mit dieser rotierendes Rad mit schwerem Kranz, welches infolge seines Beharrungsvermögens Unregelmäßigkeiten im Gang einer Maschine auszugleichen hat. Hat eine Maschine ohnehin schon schwere Teile, die als Schwungräder wirken, so ist ein besonderes S. entbehrlich. So wirken als Schwungräder die Läufersteine in den Mahlmühlen, die Schleifsteine bei Schleifmaschinen, die Flügel der Windmühlen, die Laufräder bei Turbinen und Zentrifugalpumpen etc. Zur Ausgleichung der durch die ungleiche Wirkung der bewegenden Kraft hervorgerufenen Unregelmäßigkeiten dienen die Schwungräder bei Motoren, bei welchen die Triebkraft mittels Kolbens, Kolbenstange und Bleuelstange auf eine Kurbel übertragen wird (Dampf-, Gaskraft-, Heißluft-, Feuerluftmaschinen, Wasserdruckmotoren etc.). Diese Motoren würden ohne Schwungräder in den toten Punkten (d. h. in denjenigen Endstellungen, in welchen die Kurbel mit der Bleuelstange in eine gerade Linie fällt und somit die motorische Kraft unwirksam ist) stehen bleiben. Das S. soll nicht nur über diese Stellungen hinweghelfen, sondern auch die fortwährenden Änderungen, welche der Druck auf die Kurbel zwischen den toten Punkten infolge der in jedem Augenblick wechselnden Kurbelstellung erleidet, aufnehmen und möglichst gleichmäßig auf die ganze Umdrehung verteilen. Die Ausgleichung der Schwankungen des Widerstandes ist besonders bei solchen