Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

868

Sense - Seo de Urgel.

Sense, Werkzeug zum Mähen von Getreide, Gras und andern Futtergewächsen. Der schneidende Teil derselben wird aus Schweißstahl oder Gußstahl geschmiedet und gelbrot glühend in geschmolzenen Talg getaucht, um ihn zu härten. Die gehärteten Sensen reinigt man vom Talg, hält sie kurze Zeit ins Feuer, steckt sie rasch in einen Haufen Kohlenlösche und taucht sie danach plötzlich in kaltes Wasser. Dann läßt man die Sensen blau an, bearbeitet sie nochmals mit dem Hammer und schleift sie. Gute Sensen müssen hinlänglich hart sein, um eine scharfe, dauerhafte Schneide anzunehmen, dabei aber zäh genug, um durch Steine und andre harte Körper, welchen ihre Schneide beim Gebrauch begegnet, keine Scharten zu bekommen. Man unterscheidet Schleifsensen, welche, aus Gußstahl gefertigt, nur durch Schleif- und Wetzstein geschärft werden können, und Klopfsensen aus so vorzüglich zähem Gärbstahl, daß die Schneide durch Hämmern auf einem Amboß (Dengeln) sich dünn austreiben läßt und nur noch mit einem Handwetzstein oder Schmirgelholz überfahren zu werden braucht. In der Sensenfabrikation nehmen Steiermark, Ober- und Niederösterreich, Kärnten und Krain die erste Stelle ein. In 180 Fabriken werden jährlich 4 Mill. Sensen, 1,600,000 Sicheln und 90,000 Strohmesser zum Häckerlingschneiden angefertigt. Das Sensenblatt wird entweder mit dem hölzernen Stiel und dessen Handhaben verbunden und so zum Schneiden von Gras und Futtergewächsen verwendet, oder als Getreidesense mit dem Korb versehen, welcher zum Zusammenraffen des geschnittenen Getreides dient. Letztere Gattung von Sensen führt auch den Namen Rechensense oder Korbsense. Die S. ist das Attribut des Todes (daher Sensenmann) und des Saturn.

Sense, Zufluß der Saane in der Schweiz, 33 km lang, mit zwei Quellbächen: Kalte S., die am Ganterist entspringt (1575 m), und Warme S., dem Abfluß des Schwarzsees (1056 m), bildet fast immer die Grenze der Kantone Bern und Freiburg und mündet unterhalb Laupen (485 m).

Sensenmänner (poln. Kosziniere) hieß der aus mit Sensen bewaffeneten ^[richtig: bewaffneten] Bauern bestehende Landsturm in den polnischen Revolutionen von 1794, 1831, 1848 etc. Vgl. Kriegssense.

Sensenschmid, Johannes, nach Koberger (s. d.) der bedeutendste unter den ersten Buchdruckern Nürnbergs, wo er von 1473 bis 1478 thätig war. Man schreibt ihm auch das erste zu Nürnberg gedruckte Buch zu, das "Comestorium vitiorum" des Franciscus de Retza, welches die Jahreszahl 1470, aber keinen Druckernamen trägt, was ihn als ersten Drucker Nürnbergs erscheinen lassen würde. Er arbeitete mit Heinrich Kefer aus Mainz und Andreas Frisner aus Wunsiedel, verlegte indes seinen Wohnsitz, von Koberger überflügelt, 1478 nach Bamberg und 1490 nach Regensburg, an beiden Orten seine Kunst ausübend. Nachrichten über seinen Tod fehlen.

Sensibilisatoren ("Erreger"), chemische, s. Photographie, S. 18.

Sensibilität (neulatein., "Empfindlichkeit"), die Fähigkeit zu empfinden, im Gegensatz zur Irritabilität oder Reizbarkeit, der Reaktion auf äußere Einwirkungen, welche auch bei der Pflanze sich findet, während die S. an das Vorhandensein von Sinnesorganen und sensibeln Nerven geknüpft ist.

Sensitive, s. v. w. Mimosa pudica.

Sensitivität (neulat.), s. v. w. Sensibilität, besonders aber eine gesteigerte Empfindlichkeit. Sensitive Personen befinden sich in Beziehung auf Sinneseindrücke in einem überreizten Zustand.

Sensorium (neulat.), das Sinnes- oder Empfindungswerkzeug, Empfindungszentrum im Gehirn.

Sensualismus (neulat.), in der Psychologie die Annahme, daß unsre gesamten Vorstellungen ursprünglich auf sinnlicher Wahrnehmung, also auf den Affektionen der Sinne, beruhen. Hauptvertreter desselben sind Hobbes (s. d.) und Condillac (s. d.), in neuester Zeit A. Comte (s. d.). Während diese Ansicht die Möglichkeit nicht ausschließt, daß aus den Sinnesempfindungen sich höhere, über die Sinneswelt hinausgehende Vorstellungen entwickeln können, stellt der weiter fortgeschrittene S. die Behauptung auf, daß sich alle wahre Erkenntnis lediglich auf das beschränke, was Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung sei oder werden könne, und erklärt demnach alles für Täuschung, was über das empiristische Erkennen hinausgeht. In ethischer Beziehung versteht man unter S. die im Altertum namentlich von der Epikureischen Schule, in der neuern Zeit von Hobbes und den Encyklopädisten vertretene Ansicht, wonach es für das Gute und Böse keinen andern Maßstab als die sinnliche Lust und Unlust geben soll.

Sensualität (neulat.), Sinnlichkeit.

Sensus (lat.), Sinn, Gefühl, Empfindung. Constructio ad sensum oder ad synesim, in der Grammatik eine Wortfügung, bei welcher die Redeteile ohne Rücksicht auf die grammatische Form bloß dem Sinne nach miteinander verbunden sind. So z. B.: "Kaum hatte ihn die Menge erblickt, so stürzten sie (statt stürzte sie) auf ihn zu".

Sensus communis (lat.), der gemeine, gesunde Menschenverstand; auch s. v. w. Gemeinsinn, Gemeingeist.

Sensus farciminitatis, der von Schwetschke in Küchenlatein übertragene scherzhafte Ausdruck Bismarcks: "Stimmung (oder Gefühl) gänzlicher Wurschtigkeit" (d. h. Gleichgültigkeit), kommt zuerst 1853 in einem Brief Bismarcks an seine Schwester über den Frankfurter Bundestag vor.

Sensu stricto (lat.), im strengen Sinn.

Sententiarier (lat.), die Nachfolger des Petrus Lombardus (s. d.).

Sentenz (lat. sententia), Meinung; Spruch, Denkspruch (s. d.), Rechtsspruch, Urteil; sententiös, sentenzenartig, spruchreich. Vgl. Gnomen.

Sentieren (franz.), empfinden, fühlen; ein Urteil fällen, aussprechen.

Sentiment (franz., spr. ssangtimang), Empfindung; Gesinnung, Denkart.

Sentimentalität (lat.), die Stimmung des Gemüts, in welcher der Mensch die Verhältnisse des Lebens und der Natur mit Empfindsamkeit anzuschauen und mit Vorliebe überall das aufzusuchen geneigt ist, was das elegische und Mitgefühl anregt. Als Gegensatz des Naiven haben Schiller und Goethe eine durch das Übergewicht des Subjektiven über das Objektive charakterisierte Form der poetischen Darstellung als sentimentale bezeichnet. Diese nimmt stets die Richtung über das Wirkliche hinaus nach dem Höhern, daher das Pathetische, Feierliche und Rührende des Ausdrucks, welches ihr eigen ist. Unnatur und Unwahrheit der Empfindung und des Ausdrucks bezeichnen die Ausartung des Sentimentalen.

Sentine (lat.), der unterste Raum im Schiff, wo die Grundsuppe (der Pumpensod) sich ansammelt; übertragen s. v. w. Unflat, Auswurf von Menschen, Gesindel.

Sentinelle (frz., spr. ssangtinâl), Schildwache, Posten.

Senza (ital.), ohne.

Seo de Urgel, befestigte Bezirksstadt in der span.