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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Stachelbeerstrauch - Stachelschwein.

Die höchste Form der Stachelbildung tritt bei vielen Pomaceen und Amygdalaceen, besonders bei Arten von Crataegus und Prunus ein; hier wandelt sich ein ganzer blatttragender Zweig in einen S. um. Auch kann umgekehrt durch Kultur der S. wieder als blatttragender Zweig erscheinen. Auch der Hauptsproß erzeugt unter Umständen, wie bei Rhamnus cathartica, durch Verholzung des Vegetationspunktes einen endständigen S. Im allgemeinen zeigt sich, daß der Begriff des Stachels durchaus nicht durch ein einheitliches morphologisches Merkmal zu bestimmen ist, sondern daß hier wie überall die Pflanze die verschiedensten morphologischen Glieder demselben physiologischen Zweck anzupassen weiß. Die biologische Aufgabe der Stacheln besteht teils darin, als Schutzorgan der Pflanze gegen die Angriffe weidender Tiere zu dienen, teils in der Rolle eines Verbreitungsmittels, insbesondere bei stachligen Früchten, die in dem Haar- oder Federkleid von Tieren hängen bleiben und dadurch weiter transportiert werden; endlich sind auch Beziehungen zwischen stacheltragenden Pflanzen und insektenfressenden Vögeln, wie den Würgerarten, bekannt, die ihre Beute an den Stacheln von Dornsträuchern aufzuspießen pflegen. Vgl. Delbrouck, Die Pflanzenstacheln (Bonn 1875). Bei Tieren ist der S. eine Waffe zur Verteidigung oder zum Angriff, aber auch zur Anbohrung von Pflanzen, Erdreich etc., um die Eier hineinzulegen (Legestachel). Besonders verbreitet bei den Insekten (Bienen, Wespen etc.): häufig fließt durch ihn ein in besonderer Drüse bereitetes Gift in die Wunde (Giftstachel); stets sitzt er am Ende des Hinterleibes, nie am Munde (die Stechvorrichtungen der Mücken, Wanzen etc. sind Mundteile und heißen Stechborsten, nicht Stacheln). Beim Stachelschwein sind die Stacheln Haargebilde, bei Fischen umgewandelte Flossenstrahlen. Vgl. auch Echinodermen.

Stachelbeerstrauch (Ribitzel, Grossularia Mill.), Untergattung der Gattung Ribes (Familie der Saxifragaceen), Sträucher mit sehr verkürzten Zweigen, meist dreiteiligen Dornen an der Basis derselben, büschelförmig gestellten Blättern und einzeln oder in arm-, selten reichblütigen Trauben stehenden Blüten. Der gemeine Stachelbeerstrauch (Krausbeere, Klosterbeere, R. Grossularia L.), mit meist dreiteiligen Stacheln, drei- bis fünflappigen Blättern, 1-3 grünlichgelben Blüten an gemeinschaftlichem Stiel und grünlichweißen oder roten Früchten, ist wahrscheinlich im nordöstlichen Europa heimisch, wo er in Norwegen bis 63° nördl. Br. vorkommt, und findet sich bei uns vielfach verwildert. Linné u. a. unterscheiden drei Arten: R. uva crispa, mit schließlich unbehaarten, grünlichen oder gelben Früchten, im Norden; R. Grossularia, niedriger, behaart, sehr stachlig, mit behaarten, grünlichen oder gelben Früchten, in den Alpen, in Griechenland, Armenien, auf dem Kaukasus, Himalaja, seltener bei uns verwildert; R. reclinatum, mit roten, glatten Früchten, aus dem Kaukasus, vielleicht bei uns verwildert. Die meisten Kultursorten dürften von der ersten Art abstammen, die roten von den letztern; doch werden auch viele Blendlinge kultiviert. Der S. wächst am besten in lockerm, nahrhaftem Boden in freier, aber geschützter Lage; man pflanzt ihn meist auf Rabatten, doch darf er nicht zu dicht und nicht unter hohen Bäumen stehen. Im Spätherbst oder im zeitigen Frühjahr schneidet man allzu lange oder schlecht gestellte Zweige wie auch Wurzelschößlinge fort, nach dem Fruchtansatz gibt man zweimal einen Düngerguß und pflückt zu dicht hängende Beeren aus; man vermehrt ihn durch Stecklinge aus vorjährigen, im Herbst geschnittenen Trieben oder durch Wurzelausläufer und gewinnt die besten Früchte von einstämmig erzogenen Kronenbäumchen, welche durch Unterdrücken der Seitentriebe und Wurzelsprosse, sehr gut und dauerhaft durch Okulieren und Kopulieren auf R. aureum zu erziehen sind. Empfehlenswerte Sorten sind: rote: Alexander, Blood hound, Farmer's Glory, Jolly Printer, Over all; grüne: Early green hairy, Freecost, Green Willow, Nettle green; gelbe: Britannia, Bumper, Golden, Smiling Beauty, Yellow Lion; weiße: Balloon, Large hairy, Ostrich White. Queen Mary, Sämling von Pausner. Über die Zusammensetzung der Stachelbeeren s. Obst. Der Strauch wird zuerst in einem französischen Psalmenbuch des 12. Jahrh. als Groisellier, die Frucht vom Trouvère Rutebeuf im 13. Jahrh. erwähnt. Gegenwärtig ist die Stachelbeere eine Lieblingsfrucht der Engländer, welche vorzügliche Sorten erzogen haben. Man benutzt sie auch viel zur Bereitung von Obstwein. Mehrere amerikanische Stachelbeersträucher werden bei uns als Ziersträucher kultiviert.

Stachelbeerwein, s. Obstwein.

Stachelberg, Bad im schweizer. Kanton Glarus, in romantischer Lage des Linththals, 664 m ü. M., mit heilkräftiger Schwefelquelle (7,7° C.), jetzt zugänglicher durch die Bahnlinie Glarus-Schwanden-Linththal. Vgl. König, Bad S. (Zürich 1867).

Stachelflosser, s. Fische, S. 298.

Stachelhäuter, s. Echinodermen.

Stachelkümmel, s. Cuminum.

Stachelmohn, s. Argemone.

Stachelnuß, s. Datura.

Stachelschwamm, s. Hydnum.

Stachelschwein (Hystrix L.), Gattung aus der Ordnung der Nagetiere und der Familie der Stachelschweine (Hystrichina), sehr gedrungen gebaute Tiere mit kurzem Hals, dickem Kopf, kurzer, stumpfer Schnauze, kleinen Ohren, kurzem, mit hohlen, federspulartigen Stacheln besetztem Schwanz, verhältnismäßig hohen Beinen, fünfzehigen Füßen, stark gekrümmten Nägeln und ungemein stark entwickeltem Stachelkleid. Das gemeine S. (Hystrix cristata L., s. Tafel "Nagetiere II"), 65 cm lang, mit 11 cm langem Schwanz, 24 cm hoch, hat auf der Oberlippe glänzend schwarze Schnurren, längs des Halses eine Mähne aus starken, rückwärts gerichteten, sehr langen, gebogenen, weißen oder grauen Borsten mit schwarzer Spitze, auf der Oberseite verschieden lange, dunkelbraun und weiß geringelte, scharf gespitzte, leicht ausfallende Stacheln und borstige Haare, an den Seiten des Leibes kürzere und stumpfere Stacheln, am Schwanz abgestutzte, am Ende offene Stacheln, an der Unterseite dunkelbraune, rötlich gespitzte Haare. Die dünnen, biegsamen Stacheln werden 40 cm, die starken nur 15-30 cm lang, aber 5 mm dick; alle sind hohl oder mit schwammigem Mark gefüllt. Das S. stammt aus Nordafrika und findet sich jetzt auch in Griechenland, Kalabrien, Sizilien und in der Campagna von Rom. Es lebt ungesellig am Tag in langen, selbstgegrabenen Gängen, sucht nachts seine Nahrung, die in allerlei Pflanzenstoffen besteht. Alle Bewegungen des Stachelschweins sind langsam und unbeholfen, nur im Graben besitzt es einige Fertigkeit. Im Winter schläft es tagelang in seinem Bau. Vollkommen harmlos und unfähig, sich zu verteidigen, erliegt es jedem geschickten Feind. Es ist stumpfsinnig, aber leicht erregbar. Gereizt grunzt es, sträubt die Stacheln und rasselt mit den-^[folgende Seite]