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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Trichinenkrankheit; Trichinenversicherung

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Trichinenkrankheit - Trichinenversicherung.

gebraten, saftig und blutigrot zu genießen. Vgl. Leuckart, Untersuchungen über Trichina spiralis (2. Aufl., Leipz. 1866); Pagenstecher, Die Trichinen (das. 1865); Gerlach, Die Trichinen (Hannov. 1866); Virchow, Lehre von den Trichinen (3. Aufl., Berl. 1866); Claus, Über die T. (Wien 1877).

Trichinenkrankheit (Trichinose) tritt in der Zeit vom 1.-30. Tag ein. Die ersten Symptome hängen ab von der Gegenwart und Fortentwickelung der Trichinen im Magen und Darm, die zweite Gruppe von dem Eindringen unzähliger Embryos in die Muskeln, die letzte von der Beendigung der Wanderung und der allmählichen Beruhigung der Muskelreizung während der beginnenden Einkapselung der Trichinen. Abgesehen von dem anfänglich schleichenden Verlauf oder den zuweilen beobachteten stürmischen choleraähnlichen Magendarmerscheinungen, klagen die Patienten in der Regel einige Stunden oder Tage nach dem Genuß trichinösen Fleisches über heftiges Magendrücken, über Aufstoßen und Übelkeit, verbunden mit dem Gefühl großer Mattigkeit und Abgeschlagenheit. Meist tritt einigemal Erbrechen schleimiger und galliger Massen ein. Vom siebenten Tag ab, dem Beginn der Einwanderung der Embryos in die Muskeln, stellen sich, gleichviel ob deutliche gastrische Symptome vorangegangen waren oder nicht, vage Schmerzen, Gefühl von Steifsein und wassersüchtige Anschwellung des Gesichts, besonders der Augenlider, ein. Die Bewegungen werden nun bald sehr erschwert, da die Muskeln starr, unnachgiebig werden, beträchtlich anschwellen, kautschukähnliche Resistenz bekommen und äußerst schmerzhaft sind. Dabei besteht typhöses Fieber, welches früher gewöhnlich und auch jetzt noch zuweilen einen Unterleibstyphus vortäuscht. Der Tod kann an Zwerchfelllähmung oder an allgemeiner Erschöpfung eintreten, er ist von der 2.-7. Woche zu befürchten. Leichte Trichinosefälle gelangen in einigen Tagen bis Wochen zur Genesung; in schwereren Fällen zieht sich die Krankheit 6-7 Wochen hin, ja manchmal vergehen mehrere Monate bis zur vollen Gesundung. Die Gefährlichkeit der Krankheit hängt ab von der Quantität der genossenen Trichinen, in einzelnen Epidemien stieg die Sterblichkeit bis auf 30 Proz. der Erkrankten. Wirksame Heilmittel der Trichinose sind bis jetzt nicht gefunden; Mittel, welche auf die auf der Wanderung befindlichen und in die Muskeln eingedrungenen Trichinen wirken, fehlen ganz, und selbst für frische Fälle, wo es darauf ankommt, die noch im Darm vorhandenen Trichinen zu töten und aus dem Körper zu schaffen, sind noch keine sichern Abführmittel entdeckt worden. Die mit Trichinen behafteten Schweine erkranken nicht, ebensowenig die andern für diese Würmer empfänglichen Tiere, mit Ausnahme der Kaninchen, die auch wohl daran sterben. Nach dem Vorhergehenden läßt sich die Gefahr für den Menschen nur durch eine richtige Prophylaxis abwenden. Die Schweine müssen möglichst vor der Infektion durch Trichinen bewahrt werden. Überall, wo trichinöse Ratten gefunden sind, hat man auch trichinöse Schweine oder andre Fleischfresser entdeckt. Das Schwein erhält seine Trichinen durch Verschlucken von mit dem Kot andrer Schweine abgegangenen Darmtrichinen u. Embryos, außerdem durch das Fressen trichinösen Fleisches anderer Schweine, wie der Fleischabfälle vom Schweineschlachten. Gerade die Abdeckereien, wo Abfälle von Schweinekadavern verfüttert werden, gelten als die raffiniertesten Trichinenschweine-Züchtungsanstalten. Ein zweites Schutzmittel liegt in der obligatorischen mikroskopischen Untersuchung aller frisch geschlachteten Schweine sowie der jetzt zahlreich eingeführten amerikanischen Speckseiten. Da die Trichinen an gewissen Körperstellen und zwar im Zwerchfell, den Zwischenrippen-, Hals-, Kehlkopf-, Kiefer- und Augenmuskeln und besonders an den Übergängen der Muskeln in die Sehnen sehr reichlich sich vorfinden, so wählt man solche Stellen zur Untersuchung. Man schneidet aus jedem dieser sechs Muskeln ein 2-3 mm langes Stückchen aus und fertigt von jedem Stückchen etwa fünf Präparate an. Hat man bei genauer Untersuchung in diesen 30 Präparaten keine Trichinen gefunden, so darf man auch die Ungefährlichkeit des Schweins annehmen. Die Erfahrungen in Rostock, Berlin, Braunschweig etc. haben den Wert dieser obligatorischen Trichinenschau bestätigt. In der Stadt Braunschweig z. B. hat man in sieben Jahren unter 93,099 Schweinen 18 trichinöse entdeckt. Wer wissentlich trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft, verfällt nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 367) in eine Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder in Haftstrafe bis zu 6 Wochen, während es in der Regel als fahrlässige Tötung oder Körperverletzung zu bestrafen sein wird, wenn dadurch der Tod oder die Krankheit einer Person herbeigeführt wurde. Das letzte und sicherste Schutzmittel vor Trichinen besteht darin, daß man Speisen aus Schweinefleisch nur gehörig durchkocht oder durchbraten genießt. Kurze Einwirkung einer Wärme von etwa 45° R., wie es bei dem sogen. Wellfleisch geschieht, tötet die Trichinen nicht, ebensowenig längere Einwirkung einer höhern Wärme von 60° R. und darüber auf dickere Stücke, so daß diese im Innern saftig rot bleiben. Letzternfalls werden nur die in den Außenteilen befindlichen Trichinen getötet, während die im Innern vorhandenen lebendig bleiben und beim Genuß eine Infektion vermitteln. Nur längeres Kochen und Braten nicht zu dicker Stücke bei mindestens 50-55° R. richtet die Trichinen sicher zu Grunde. Ebenso sterben sie zweifellos nach einer zehntägigen Einpökelung des Fleisches in nicht zu großen Stücken ohne Hinzufügung von Wasser, 30 g Kochsalz auf 1 kg Fleisch gerechnet, sowie nach energischer Heißräucherung, bei der eine Temperatur von 52° R. erreicht wird. Dagegen ist ein schwächeres Pökeln, welches den Trichinen weniger Wasser entzieht, sowie die Kalträucherung oder gar die Schnellräucherung, bei der die Schinken und Würste nur mit Holzessig oder Kreosot überstrichen werden, völlig wirkungslos. Indessen unterstützen sich Salz, Wärme und Rauch gegenseitig in ihrem Effekt, so daß die stärkere Wirkung des einen die schwächere des andern ersetzen kann. Vgl. Wolff, Untersuchung des Fleisches auf Trichinen (6. Aufl., Bresl. 1880) und die Schriften gleichen Inhalts von Tiemann (3. Aufl., das. 1887), Johne (3. Aufl., Berl. 1889) und Long (das. 1886).

Trichinenversicherung wird von einzelnen Personen und Firmen, von Interessentenverbänden, von besondern Gesellschaften (die Anhaltische Trichinenversicherungs-Anstalt in Köthen, die Hannöversche, die Einbecker etc.) oder als Nebengeschäft der Viehversicherungsgesellschaften betrieben und unterscheidet sich von der Viehversicherung (s. d.) dadurch, daß diese gegen Vermögensverluste durch den vom Versicherten nicht gewünschten Tod seines Viehs infolge von Seuchen und Verunglückung, jene aber gegen den aus der unvorhergesehenen Entdeckung der Wertschmälerung geschlachteter Tiere (Schweine) infolge der Fleischdurchsetzung mit Trichinen drohenden Schaden schützen soll. Mit der T. pflegt die ihr analoge Finnenversicherung verbunden zu sein.