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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Walzende Grundstücke - Walzwerk.

stärkerm Druck wird das Material, wenn es dehnbar ist, gestreckt und dabei oft, entsprechend der Beschaffenheit der Walzenoberfläche, in verschiedene Form gebracht, während sprödes Material zerquetscht und zerbrochen wird. Weicheres Material wird geknetet, aus flüssigkeithaltigem wird die Flüssigkeit ausgepreßt etc. Drehen sich beide W. mit ungleicher Geschwindigkeit, so findet Reibung statt, feste Körper werden dabei gemahlen, in Pulver verwandelt, plastische gut gemischt, zerrieben. Hohle W. können durch Dampf erhitzt werden und dienen dann zum Trocknen des über sie hinweggeführten Materials. Hiernach finden W. ausgedehnten Anwendung in der Technik. Vgl. Walze, Walzwerk.

Walzende Grundstücke (Erb- oder Walzäcker, Wandeläcker), im Gegensatz zu geschlossenen Gütern (früher auch unfreien Besitzungen) solche Ländereien, über welche der Besitzer durch Austausch, Abverkauf, Vererbung frei verfügen kann.

Walzendruck, das Bedrucken von Geweben und Tapeten mittels gravierter Walzen.

Walzenglas, gestrecktes Tafelglas.

Walzenmühle (Walzenstuhl), eine Mahlmühle, auf welcher das Material zwischen Walzen mit ungleicher Geschwindigkeit gemahlen wird.

Walzenpresse, s. v. w. Kalander.

Walzenspinne (Solpuga Lichtenst.), Gattung aus der Ordnung der Gliederspinnen und der einzigen Familie der Walzenspinnen (Solifugae), charakteristisch durch den deutlich gegliederten, langgestreckten, meist in seiner ganzen Breite dem gegliederten Cephalothorax angewachsenen Hinterleib, die sehr großen, am Grund blasig aufgetriebenen, scherenförmigen Kieferfühler, die senkrecht gegeneinander arbeiten, beinförmigen Kiefertasterpaaren, zwei Augen und in zwei lange Fußklauen auslaufenden Beinen, welche mit langen, spröden Haaren besetzt sind, während den Leib dichter Filz deckt. Die ca. 30 Arten leben in heißen Ländern, wenige in Südeuropa. Die gemeine W. (Solpuga araneoides Pall.), 3,5 cm lang, rostgelb, am Hinterleib dunkler, an den Scheren braun, an den unterseits mit starken Stacheln bewehrten Kiefertastern olivenbraun, wohnt in Südrußland und Ägypten in Erdrissen, schilfreichen Gegenden und unter Steinen, geht nachts auf Raub aus, frißt Insekten, Eidechsen und kleine Säugetiere, die sie durch ihren Biß tötet. Sie ist so gefürchtet wie der Skorpion, der Biß ist sehr schmerzhaft, erzeugt starke Entzündung und vorübergehende Lähmung, und nicht selten gehen am Bauch gebissene Schafe und Kamele zu Grunde. Älian und Plinius erzählen von dem gefährlichen Biß der W., welche Länder unbewohnbar mache. In der That verlassen Kalmücken und Kirgisen eine Gegend, in welcher sich häufiger die W. zeigt.

Walzenstuhl, s. v. w. Walzenmühle, auch das Gestell, in welchem Walzen gelagert sind.

Walzer (franz. Valse), ein im ¾-Takt gesetzter Tanz deutschen Ursprungs von mehreren Teilen von acht und mehr Takten. Man unterscheidet hinsichtlich des Tempos drei Arten: den Ländler (langsamen W.), den Wiener oder Geschwindwalzer und den gewöhnlichen W. Strauß (Vater und Sohn), Lanner, Gungl, Labitzky, Lumbye, die bekanntesten Komponisten des Walzers, u. a. haben der Walzerform eine größere Ausdehnung gegeben, indem sie fünf Walzernummern zu 2 Teilen à 16 Takten mit Wiederholung zusammenstellten und denselben eine Einleitung und eine Coda zufügten, wodurch der Konzertwalzer entstand. In neuester Zeit hat man auch versucht, diese Tanzform gewissermaßen zu idealisieren, indem man sie künstlerisch höher intentionierten Tonstücken zu Grunde legte, die jedoch nicht zum Tanzen bestimmt, sondern lediglich als Vortragsstücke gedacht sind (Chopin; Kiel, »Deutsche Reigen«; Liszt; Brahms, »Liebesliederwalzer«).

Wälzmaschine, s. Arrondiermaschine und Finiermaschine.

Walzwerk (hierzu Tafel »Walzwerk«), eine Maschine, welche im wesentlichen aus zwei in einiger Entfernung übereinander horizontal gelagerten Walzen besteht, die durch eine Betriebskraft in entgegengesetzte Umdrehungen versetzt werden, dadurch einen vorgeschobenen Körper zwischen sich hindurchziehen und ihm dabei diejenige Form, resp. Dicke geben, welche durch die Oberfläche beider Walzen, resp. durch ihre Entfernung voneinander bedingt ist. Dem entsprechend ist die Anwendung von Walzwerken eine sehr allgemeine, vornehmlich aber bedient sich ihrer die Metallindustrie und speziell die Eisenindustrie zur Formgebung der betreffenden Metalle (Walzeisen). Damit die Walzen den gehörigen Widerstand leisten können, bestehen sie aus Hartguß oder gehärtetem Stahl. Mit starken Zapfen sind sie in dem Walzengestell oder Walzengerüst drehbar gelagert und bilden mit diesem das W. (Fig. 1). Dasselbe besitzt zwei Walzenpaare (Walzenstraße, Train) t t, gelagert in den Ständern s''' s''', s''' s''', wovon die untern bei a durch ein Wasserrad oder eine Dampfmaschine angetrieben und durch das zwischen den Ständern s s gelagerte massige Schwungrad in regelmäßiger Bewegung erhalten werden. Eine bei k angebrachte lösbare Kuppelung gestattet dabei eine beliebige Lostrennung von der Betriebsmaschine. Die Übertragung der Bewegung auf die Oberwalzen erfolgt durch die zwischen s'' s'' angebrachten Zahnräder (Krauseln); Kuppelungen bei o o v v dienen zum Abkuppeln der einzelnen Walzen.

Eine Walze selbst besteht (Fig. 2) aus dem Ballen oder Bund a, den Laufzapfen b b und den Kuppelzapfen c c. Um ihre Durchbiegung zu vermeiden, wird der Durchmesser sehr groß, etwa gleich dem Drittel der Bundlänge genommen, wodurch zugleich erreicht wird, daß die Walzen das Metall gut und sicher fassen. Die Oberfläche der Walzen ist entweder glatt cylindrisch, wie Fig. 2 zeigt, oder (Fig. 3) mit herumlaufenden Rinnen versehen, welche Kaliber heißen (Kaliberwalzen). Die cylindrischen Walzen dienen zur Herstellung plattenförmiger Gegenstände, namentlich also der Bleche (von dem dünnen Weißblech bis zu den gewaltigen Panzerplatten), und müssen sowohl sehr genau cylindrisch abgearbeitet als auch zentrisch und mit parallelen Achsen gelagert sein, wenn das Blech überall gleich dick, ohne Beulen und krause Ränder ausfallen soll. - Die Kaliberwalzen bilden, da die Form und Größe der Kaliber sehr verschieden sein kann, das vorzüglichste Mittel zur Erzeugung stabartiger Körper (Stabwalzwerk). Treten dabei die Ränder der einen Walze in die Vertiefungen der andern (Fig. 3 g), so heißen die Kaliber geschlossene; liegen die Ränder zwischen den Kalibern jedoch so, daß sie sich längs der Peripherie berühren (Fig. 3 o), so sind die Kaliber offene.

Da in neuerer Zeit die Mannigfaltigkeit der Querschnitte (Façon) der Eisenstäbe (Façoneisen) außerordentlich groß geworden ist, so hat man solche Walzwerke konstruiert, mit denen man eine sehr große Anzahl von Querschnittsgrößen herstellen kann und zwar durch Veränderung des Kalibers. Diese Universalwalzwerke werden nach zwei verschiedenen Grundsätzen gebaut. Entweder benutzt man zwei