Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Abessinien'
Anmerkung: Fortsetzung von [Bevölkerung.]
herabgesunken. Düsterer Aberglaube lastet auf dem Volk und Ignoranz, Armut und Verachtung auf dem
Priesterstand. Dem Missionseifer der römischen Kirche im 17. und der protestantischen im 19.
Jahrh. haben die Abessinier gleichwohl zu widerstehen gewußt. Die Bibel wird zwar hochgehalten,
aber nicht verstanden, denn man gebraucht sie nur in der äthiopischen Übersetzung, und diese Sprache
ist längst nicht mehr die Volkssprache. Man nimmt eine Art Fegfeuer an, indem man Fasten, Almosen
und Fürbitten für diejenigen veranstaltet, welche in Sünden sterben. Neben der Taufe, welche
häufig auch noch an Erwachsenen vollzogen wird, besteht die Beschneidung, die an Kindern beider
Geschlechter vollzogen wird. Zum Andenken an seine Taufe trägt der abessinische Christ sein lebenlang
eine blauseidene Schnur um den Hals. Das Abendmahl wird unter beiderlei Gestalt mit gesäuertem,
am Gründonnerstag mit ungesäuertem Brot, von den Priestern täglich, von andern nach Belieben empfangen.
Auch die neben dem Sonntag festgehaltene Feier des Sabbats, die Speise- und Reinigungsgesetze sowie
die Zurückführung der Form der Gotteshäuser auf den jüdischen Tempelbau erinnern an das Judentum.
Der Patriarch oder Abuna, der stets aus dem koptischen Volk
genommen wird, residiert in Gondar. Seine Macht ist nur durch die des Königs beschränkt, und oft
wurde sie den Monarchen furchtbar. Er ist in Glaubenssachen höchste Autorität und entscheidet
auch in Staatsfragen nicht selten als angesehenster Schiedsrichter. Die Klostergeistlichkeit
steht unter dem Etschegié, dem Großprior des im 13. Jahrh. gestifteten Klosters Debra Libanos in
Schoa, der im Rang zunächst nach dem Abuna folgt. Die berühmtesten Klöster sind außerdem: St.
Stephan am Haïksee im Land Jedschu, Debra Damo in Tigré und Lalibela in Lasta. Vgl.
Pichler, Geschichte der kirchlichen Trennung, Bd. 2, S. 498 f.
(Münch. 1865). Neben den Christen wohnen in A. zahlreiche Mohammedaner. Ganze Landschaften des
Hochlands, wie Ifât in Schoa und die Gallastaaten in Lasta und Jedschu, sind fast nur von
Mohammedanern bewohnt. Sie zeichnen sich meist durch höhere Bildung, Ehrlichkeit und Thätigkeit
vorteilhaft vor den Christen aus.
Hauptnahrungszweig ist der Ackerbau, der sich auf Cerealien
(Weizen, Gerste, Mais, Hirse, Machilla [eine Art Durra], Teffgras, dessen Körner Brot geben),
Tabak und Baumwolle beschränkt. Die ergiebigsten Kulturstriche liegen in den Provinzen Agaomeder,
Dembea, Enarea und Tigré. Auch Viehzucht wird stark betrieben, Kamelzucht nur im Tiefland,
Rindviehzucht auf den Alpenwiesen von Semién, Lasta und Schoa sowie auf den Savannen der südlichen
Galla, Pferdezucht bei letztern, Schafzucht in Begemeder. Der Gewerbfleiß
ist nicht von Belang. Am bedeutendsten ist das Kunsthandwerk in Gondar sowie zu Adoa und Islamgié in
Wogera, wo gröbere und feinere Baumwollstoffe angefertigt werden. Bergbau auf Eisen wird in Enarea,
am Tschatschafluß und in den zu Tigré gehörigen Distrikten Entitschô und Tsalimbet getrieben. Auch
der Handel Abessiniens kann nach keiner Richtung ein bedeutender
genannt werden. Die hohen, steil abfallenden Gebirgsketten mit den schwer zugänglichen Pässen
erschweren die Verbindung; die Flüsse sind nicht schiffbar, das Kamel geht nicht ins Hochland.
Dazu kommt die geringe eigne Produktion, so daß schließlich für den Handel, von Sklaven abgesehen,
nur die aus den südwestlichen
↔
Landschaften stammenden Erzeugnisse, wie Gold, Elfenbein etc., als Durchgangswaren in Betracht kommen.
Für den Großhandel hat der Abessinier wenig Sinn; er ist dem kleinen Schacher zugethan, der auf
stark besuchten Messen geführt wird. Der europäische Handel hat sich noch wenig Eingang verschaffen
können. Die größte Schwierigkeit bietet der Mangel eines Hafens. Zur Ausfuhr kommen Häute, Maultiere,
gute Gebirgspferde, Honig, Wachs etwas Gummi; der ausgezeichnete Kaffee gelangt kaum zum Export.
Eingeführt werden Kattune, blaue Seidenschnüre, Spießglanz zum Färben der Augenlider, Tabak, Pfeffer,
Nähnadeln, Glasperlen, Sandelholz zum Räuchern. Der Sklavenhandel, zumal mit Gallamädchen, steht
immer noch in Blüte, wiewohl ihn König Theodoros bei Todesstrafe verbot. Von Münzen laufen hauptsächlich
der österreichische Mariatheresienthaler (4,2 Mark) mit der Prägung 1789, weniger der ältere spanische
Silberpiaster (4,3 Mk.) um; auf den Wochenmärkten der Städte zahlt man mit Stücken Baumwollzeug (Gali)
von 8 m Länge und Teilen desselben. Gegenstände von geringerm Wert werden gegen Stücke eines unreinen
Steinsalzes in Form eines Wetzsteins (Amulè) gekauft, die aus der Salzebene in der Nähe von Tadschurra
kommen. Der Wert dieser Amulè schwankt nach den politischen Verhältnissen; in Gondar gehen 27-32
Amulè (54-80 kg) auf einen Mariatheresienthaler. Mit diesen Amulè zahlt man Abgaben, Tribut,
Trägerlohn u. a.
[Erforschungsgeschichte.] Den alten Ägyptern wurde A., das
damalige Äthiopien, erst durch die Kriegszüge Alexanders d. Gr. und durch. die von ihm an die
Küste verpflanzten syrischen Kolonisten bekannt. Die Ptolemäer drangen siegreich tief ins Land
ein und brachten diesem griechische Bildung, so daß dort vom 4. bis 7. Jahrh., nach der Einführung
des Christentums, eine hohe Blüte herrschte. Ein christlicher Kaufherr aus Alexandria, Kosmas
Indikopleustes, besuchte im 6. Jahrh. die Bai von Adulis, wo er eine wichtige Inschrift kopierte,
die über das damalige A. Aufklärung gibt. Dann finden wir erst in dem zu Venedig aufbewahrten
Weltbild des Fra Mauro (15. Jahrh.) ein Gemälde Abessiniens (im Mittelalter
Abascia genannt) von wunderbarer Treue wieder, das schon
den spiralförmig gewundenen Blauen Nil mit seinem heimischen Namen Abaí zeigt. Die Missionäre
(Alvarez, Bermudez, Paez, Mendez), welche mit dem christlichen Reich des
"Erzpriesters Johannes" in Verbindung traten, brachten weitere Kunde, nicht minder
die Invasionen der Portugiesen im 16. Jahrh. Der wissenschaftlichen Welt wurde aber erst 1681
das Land durch das gelehrte Meisterwerk des Deutschen Job Ludolf
("Historia aethiopica, sive brevis et succincta descriptio regni Habessinorum")
erschlossen, das aus abessinischen Quellen und unter Mitwirkung des abessinischen Patriarchen
Aba Gregorius entstanden war. 1698 durchzog der Franzose Poncet
das Land; gründlicher förderte aber 70 Jahre später der Schotte Bruce
unsre Kenntnisse. Seine Reisebeschreibung ("Travels in Abyssinia",
Edinb. 1790; deutsch von Volkmann, Leipz. 1792) ward als ein Lügen und Märchenbuch verschrieen, bis
durch die Expedition Lord Valentias und seines Sekretärs Henry
Salt im Beginn dieses Jahrhunderts Bruces Wahrheitsliebe gerettet
wurde ("Voyage to Abyssinia", Lond. 1814). Die politische
Mission des Kapitäns Harris 1841, an der auch die Deutschen
Roth und
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 39.