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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Argentinische Republik

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Argentinische Republik (Industrie und Handel).

beträchtlicher Teil nach Deutschland ausgeführt wird. Die Zahl der Schafe betrug 1882: 72,683,045, davon 57,838,073 in der Provinz Buenos Ayres. Die außerordentliche Vermehrung des Viehstands liegt in der Veredelung der Rassen und der damit Hand in Hand gehenden Verringerung der Abschlachtungen, daher auch der Export von Talg auf weniger als die Hälfte zurückging (1883: 15,814,636 kg). Auch Ziegen werden in einigen Teilen häufig (nahezu 3 Mill. Stück), von Schweinen 1882 nur 266,583 gezogen. Der Bergbau ist durch die Revolution sehr in Verfall geraten, und seinem Aufblühen stehen mancherlei Hindernisse entgegen. Der große Reichtum an Metallen hat zwar schon seit längerer Zeit einen ziemlich regen Bergbau auf Gold, Silber, Kupfer, Blei und Nickel entstehen lassen; indessen hat derselbe noch bei weitem nicht die Ausdehnung und Bedeutung gewonnen, welche ihm angesichts der vorhandenen, zum Teil außerordentlich reichen Erze gebühren. In neuester Zeit ist jedoch durch englisches Kapital ein regeres Leben in den Bergwerksbetrieb gekommen. Die Ausbeute an Gold beträgt gegenwärtig aber nur 90,000, die an Silber 50-60,000 Pesos, die aller Mineralien und Metalle 600,000 Pesos im Jahr. Die neuentdeckten Kohlenfelder werden nur in kleinem Maßstab abgebaut.

Von einer eigentlichen Industrie kann noch kaum die Rede sein. Seit 1876 befindet sich ein Schutzzollgesetz in Kraft, das zum Zweck hat, die in Argentinien vorhandenen Anfänge einer einheimischen Industrie zu stärken und zu fördern. Am bedeutendsten ist die schon erwähnte Zubereitung der Viehzuchtprodukte für die Ausfuhr in den Saladeros, von denen acht in Entre Rios Einrichtungen mit einem Gesamtaufwand von 6 Mill. Pesos getroffen haben, so daß sie jährlich 480,000 Stück Rindvieh schlachten können. Der Exportwert von Vieh und Fleisch beziffert sich jetzt jährlich auf 4,9-5,2 Mill. Pesos. Ein großer Teil des Exports, bei dem seit kurzem die Verschiffung lebender Rinder und Schafe eine große Rolle spielt, geht nach Europa, das gesalzene und getrocknete Fleisch aber (tasajo und charque) meist nach Westindien und Brasilien, wo es ein Hauptnahrungsmittel der Arbeiterbevölkerung bildet. Alle übrigen Industriezweige werden nur im kleinen und gewöhnlich nur für den Bedarf betrieben; von schnell zunehmender Bedeutung sind die Gerbereien (in Tucuman), die Zuckersiedereien, in neuester Zeit Brauereien, die Bereitung von getrockneten Früchten, Wein, Branntwein etc. - Der Handel war zur Zeit der spanischen Herrschaft sehr beschränkt und selbst der mit Peru durch schwere Zölle belastet; erst 1778 wurde der Handel mit dem Mutterland freigegeben. Seit der Unabhängigkeit der La Plata-Staaten von der spanischen Herrschaft dürfen alle Völker am Handel teilnehmen, und seitdem hat sich derselbe, besonders der Seehandel, außerordentlich gehoben. Letzterer konzentriert sich in Buenos Ayres, dem Hauptstapelplatz des Landes; doch haben neben demselben auch andre Hafenorte, wie Rosario, Corrientes, San Nicolas, Gualeguaychu etc., direkten überseeischen Verkehr, und man berechnet die Summe der Handelsbewegung dieser kleinern Häfen auf etwa 30 Proz. von jener der Hauptstadt. Die Hauptartikel der Ausfuhr sind die bereits genannten, aus Viehzucht, Ackerbau und Bergbau gewonnenen Produkte, zu denen noch Knochen, Hörner, Straußfedern, Hirschfelle u. a. kommen. Eingeführt werden aus England Baumwollwaren, sodann Woll-, Seiden- und Leinenwaren, Eisen und Eisenwaren, Kleidungsstücke, Bier, Glas- und Porzellanwaren; aus Frankreich besonders Spirituosen, Woll- und Seidengewebe, Kurzwaren, Parfümerien und Gebrauchsgegenstände; aus Deutschland: Woll- und Baumwollzeuge, Eisenwaren und andre Fabrikate; außerdem Zucker (roh aus Brasilien, raffiniert aus Belgien etc.), Maté-Thee (aus Paraguay und Brasilien), Wein (besonders aus Spanien), Tabak, Holz und Mehl (aus Nordamerika), Papier, Steinkohlen etc. Zu Lande geht der Handel vorzugsweise nach Chile und Bolivia, dann nach Paraguay und Brasilien; über die Kordilleren werden die Waren teils in schwerfälligen, mit Ochsen bespannten Wagen, teils auf Maultieren und Eseln geschafft. Die Hauptwege nach Chile sind der Paß von Uspallata und der Portillopaß, der aber nur im Sommer benutzt werden kann. Die gesamte Einfuhr ward 1883 zu 80,4 Mill., die Ausfuhr zu 60,2 Mill. Pesos fuertes berechnet, während sich noch 1862 die erstere auf nur 16,60 Mill., die letztere auf 10,17 Mill. Pesos fuertes belief. Die Hauptverkehrsländer waren dabei in folgender Weise beteiligt:

Einfuhr Ausfuhr

England 30,7 Mill. Pesos 5,9 Mill. Pesos

Frankreich 15,4 - - 21,0 - -

Belgien 3,3 - - 12,1 - -

Deutschland 7,0 - - 4,8 - -

Vereinigte Staaten 4,9 - - 3,5 - -

Italien 3,5 - - 1,6 - -

Spanien 3,8 - - 1,3 - -

Außerdem Brasilien, Uruguay, Paraguay, die Antillen. Ein großer Teil des deutschen Handels wird durch Belgien, England und Frankreich vermittelt. Die Zahl der in sämtlichen argentinischen Häfen eingelaufenen Schiffe betrug 7071 mit 1,954,088 Ton., davon 3626 Dampfer mit 1,437,018 T.; es liefen aus 5435 Schiffe mit 1,742,325 T., davon 3172 Dampfer mit 1,318,200 T. Der Handel im Land selbst hat sich ebenfalls bedeutend gehoben, seit regelmäßige Dampfbootlinien auf den großen Strömen eingerichtet sind (1882 waren im binnenländischen Stromverkehr 43,934 Schiffe mit 3,628,804 T. thätig) und zugleich die Herstellung von Straßen und Brücken im Innern ernstlich in Angriff genommen wird. Auch der Bau von Eisenbahnen wird eifrig betrieben; im Juli 1884 waren bereits 3910 km in Betrieb. Die Hauptlinien sind von Buenos Ayres nach Altamiramo, Azul, Bahia Blanca, Dolores und Tandil 1016 km und nach Lobos, Ferrari und Temperley 691, von Rosario nach Cordova 396, von Villa Maria nach Mendoza 599 und von Cordova nach Tucuman 546 km. Im Bau begriffen sind 1042 km, projektiert ist eine große Zahl von Linien, darunter die transandinische Bahn von Mendoza nach Chile, wohin der Telegraph bereits seit 1872 reicht. Die gesamte Telegraphenlänge betrug 1884: 15,664 km Linien und 26,036 km Drähte, im Bau begriffen waren 1660 km; die Zahl der Depeschen 1883: 487,726; ein submariner Telegraph führt seit 1866 von Buenos Ayres nach Montevideo. An Briefen wurden 1882: 9,799,210, an Drucksachen, Zeitungen etc. 15,745,797 befördert. Als einheitliche Münze gilt seit dem Gesetz vom 5. Nov. 1881 der Peso nacional (25 g Silber) im Wert von 4 Mk., zu 100 Centavos; es werden geprägt 50-, 20-, 10-, 5-Centavostück ein Silber, 1- und 2-Centavos in Kupfer, und in Gold Argentinos (5 Pesos) und halbe Argentinos. Doch läuft außerordentlich viel altes und neues Papiergeld, namentlich Scheidemünze, um, obschon seit 5. Nov. 1881 die 1864 gegründete Nationalbank das alleinige Recht hat, Papiergeld im Betrag von 6 Mill. Pesos auszugeben. Maße und Gewichte sind gesetzlich die metrischen, doch bedient man sich meist noch der spanischen.