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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Chemmis; Chemnitz

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Chemmis - Chemnitz.

gegen wird dieselbe zur Herstellung geographischer Karten durch die Buchdruckmaschine verwandt, wenn es bei derselben mehr auf Billigkeit als große Feinheit ankommt.

Chemmis, s. Chem.

Chemnitz (spr. kem-, hierzu der Stadtplan), Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau, nach Umfang der Industrie die erste Stadt des Königreichs und eine der bedeutendsten industriellen Städte Deutschlands überhaupt, liegt (am Bahnhof) 307 m hoch am Fuß des Erzgebirges im Kesselthal des Flusses C., der sich bei Altchemnitz aus der Zwönitz und Würschnitz bildet und nach 82 km langem Lauf zwischen Wechselburg und Lunzenau in die Zwickauer Mulde mündet, sowie an den Linien Dresden-C.-Reichenbach, Riesa-C., Leipzig-C. und C.-Aue-Adorf der Sächsischen Staatsbahn. Die engen Gassen der ringförmigen innern Stadt weichen schnell modernen Straßen, und sie zählt mit den großartig angelegten Vorstädten und Erweiterungen 3329 bewohnte Gebäude; am Hauptmarkt steht das altertümliche Rathaus, auf dem Neumarkt ein schöner Springbrunnen. C. hat 6 evang. Kirchen, darunter die gotische Jakobikirche mit schönem Portal und die Johanniskirche, sodann eine katholische und eine der separierten Lutheraner sowie (1880) 95,123 Einw., darunter 2504 Katholiken, 516 Deutschkatholiken und 294 Juden. Die Industrie von C. ist großartig und hat der Stadt den Namen "sächsisches Manchester" gegeben. Am ausgedehntesten ist die Fabrikation der Maschinen, Werkzeuge und Instrumente mit 1883: 125 Gewerbebetrieben und 10,050 Arbeitern, dann die Spinnerei, Weberei und Wirkwarenfabrikation mit 135 Gewerbebetrieben und 10,824 Arbeitern. Von den größern Fabrikanlagen hat die Aktienspinnerei 970 Arbeiter und 36,200 Spindeln, die Sächsische Maschinenfabrik (vormals Hartmannsche) 2930, die Webstuhlfabrik 860 und die Werkzeugmaschinenfabrik 610 Arbeiter. Die Fabriken von C. liefern Lokomotiven, Werkzeugmaschinen, mechanische Webstühle, Spinnerei- und Stickmaschinen (vorzüglich für Plauen), Näh-, Strick-, Wasch-, Garntrockenmaschinen, Brauereimaschinen, Strumpfstühle, Pumpwerke und Feuerspritzen; die Webereien fertigen Möbel- und Kleiderstoffe, Tischdecken, Tücher und Baumwollsamt, Strumpfwaren, Trikotagen, halbseidene Zeuge und Bänder; daneben fabriziert man Leder und Maschinenriemen, Steingut und Zementwaren, Chemikalien, Kopierpressen, Tafel- und Brückenwage, Geldschränke, Metalldrahtgewebe, Wachstuch, Tapeten etc.; ferner gibt es Färbereien und Appreturanstalten, große Bleichen, Bierbrauereien, Ziegelbrennereien, eine Wasser- und Gasleitung, einen Schlacht- und Viehhof. Der lebhafte Handel mit den Industrieerzeugnissen (1883 gingen für 36½ Mill. Mk. Waren aus C. und dem amerikanischen Konsularbezirk nach Nordamerika) und Landesprodukten wird durch ein großes Eisenbahnsystem unterstützt, welches außer den genannten Linien (8 km östlich bei Niederwiesa) noch die Linien C.-Roßwein und zwei Linien C.-Komotau (eine über Reitzenhain, eine über Annaberg) enthält, durch eine Reichsbankstelle, eine Filiale der Sächsischen Bank in Dresden, die Chemnizer Stadtbank, den Chemnitzer Bankverein und eine Börse. An Bildungsanstalten besitzt C. ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Handelslehranstalt, eine höhere Gewerbe-, eine Baugewerk-, eine Werkmeister-, eine Gewerbzeichen-, eine höhere Web-, eine landwirtschaftliche, eine Fachbau- und eine Wirkschule, ferner ein Stadttheater, eine Kunsthütte mit dauernder Ausstellung von Kunstwerken, ein Museum für Chemnizer Geschichte und eine wertvolle naturwissenschaftliche Sammlung. Zu den Wohlthätigkeitsanstalten gehören ein Waisenhaus, ein Haus für Obdachlose, das Hospital zu St. Georg, ein Krankenhaus, eine Speiseanstalt, das Johanneum etc. C. ist Sitz einer Amtshauptmannschaft, eines Landgerichts (für die 16 Amtsgerichte zu Annaberg, Augustusburg, Burgstädt, C., Ehrenfriedersdorf, Frankenberg, Limbach, Mittweida, Oberwiesenthal, Penig, Rochlitz, Scheibenberg, Stollberg, Waldheim, Wolkenstein und Zschopau) nebst Kammer für Handelssachen, eines Schwur- und Amtsgerichts, einer Handels- und Gewerbekammer und eines Hauptsteueramts sowie eines Konsuls der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Der Magistrat besteht aus 6 besoldeten und 16 unbesoldeten, die Stadtverordnetenversammlung aus 48 Mitgliedern. Die Garnison bildet das Infanterieregiment Nr. 104. Mit der Stadt ist jetzt das ehemalige Dorf Schloß-C. verbunden, von dessen einstigen, von Kaiser Lothar zwischen 1125 und 1136 gegründetem, 1548 aufgehobenem Benediktinerkloster die Klosterkirche mit reichverziertem Portal, einer sagenreichen vermauerten Kanzel und einem Holzschnitzwerk, die Geißelung Christi darstellend, vorhanden ist. In der nächsten Nähe von C. liegen große Fabrikdörfer: Gablenz, Alt-C., Harthau, Kappel und Schönau.

C. ging hervor aus einer ursprünglich wendischen Niederlassung. Otto I. erbaute 938 die erste Christliche Kirche daselbst, Lothar begründete die eigentlich städtische Verfassung, und 1125 wurde C. zur Reichsstadt erhoben. Nachdem die Stadt im 13. Jahrh. wiederholt den meißnischen Markgrafen verpfändet gewesen war, wählte sie 1308 den Markgrafen Friedrich den Freidigen zu ihrem Schutzvogt und wurde von Johann von Böhmen als Reichsvikar 1311 und von Kaiser Ludwig 1329 definitiv an Meißen als Pfand überlassen. Schon seit alter Zeit war die Leinweberei in C. zu Hause, wozu später die Bleicherei, Färberei und Tuchfabrikation kamen. Obwohl durch die Hussitenkriege arg mitgenommen, erhob sich C. bald wieder, und auch als Wilhelm III. im Bruderkrieg die Stadt (1449) niedergebrannt hatte, erstand sie schnell wieder. Bei der Teilung Sachsens (26. Aug. 1485) fiel C. der Ernestinischen Linie zu und nahm 1539 die Reformation an. Im Schmalkaldischen Krieg kam es an Herzog Moritz, wurde ihm aber bald vom Kurfürsten Johann Friedrich wieder entrissen. Der Dreißigjährige Krieg vernichtete die Blüte der Stadt völlig. Nachdem sie 1617 abgebrannt und 1632 von den Schweden teilweise in Asche gelegt war, lag sie öde und menschenleer. Hier besiegte Banér 14. April 1639 das sächsische Heer. Erst im Anfang des 18. Jahrh. regte sich daselbst wieder neues Leben. Bald standen Strumpfwirkerei, Zeug- und Leinweberei, besonders auch Baumwollweberei etc. und Bleicherei wieder in schwunghaftem Betrieb; 1730 zählte C. wieder 330 Webermeister mit 400 Gesellen, als der Krieg Augusts I. mit Schweden und dann der Siebenjährige Krieg neues Unheil brachten. In den folgenden Kriegsjahren entwickelten sich neue Industriezweige: die erste Zeugdruckerei ward 1770 begründet, die englische Handspinnerei 1790, die Baumwollspinnmaschine 1799, die Maschinenfabrikation 1826 eingeführt. Vgl. Kretschmar, C. wie es war

^[Abb.: Wappen von Chemnitz.]

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]