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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gartenbau

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Gartenbau (im Altertum und im Orient).

eigentlich nur einzulegen sind. Als Schutz gegen zu frühes Austreiben (der geringste Frühlingsfrost zerstört ihre zarte Blüte) empfiehlt sich eine Winterdecke von trocknem Laub und Fichtenreisig, die aber erst aufzulegen, wenn der Erdboden ziemlich hart gefroren ist. - Die Wände des Wohnhauses können mit Spalierobstbäumen, an der Südseite mit Weinstöcken bepflanzt, bez. bekleidet werden. Für die Bekleidung von in nächster Nähe des Wohnhauses aufzustellenden Veranden, Pergolen u. dgl. empfiehlt sich der Isabella- oder Constantiaweinstock als sehr schnellwüchsig, sehr wohlriechend und sehr fruchtbar. Litteratur und die verschiedenen Gartenstile s. unter Gartenbau.

Gartenbau ist schon in der vorgeschichtlichen Zeit getrieben worden, das beweisen die Felsengräber in Beni Hassan (Ägypten), in denen Abbildungen von Gärten gefunden wurden, auch der in Tell el Amarna in Mittelägypten von Lepsius gefundene Plan eines Gartens des dortigen Königs, der zu Anfang des 16. Jahrh. v. Chr. gelebt haben mag. Die Gärten waren regelmäßig angelegt und hatten den Vorteil der Bewässerung durch vollkommen ausgeführte Wasserleitungen. Von den Kulturpflanzen unterscheiden wir die Sykomore (Ficus Sycomorus L.), die Dumpalme (Hyphaene thebaica L.) und Dattelpalme (Phoenix dactylifera L.). In den Pyramiden sind die Samen gefunden worden von folgenden Gartenpflanzen: Acacia nilotica, Allium Porrum, Balsamodendron, Balanites aegyptiaca, Cichorium Intybus, Citrullus edulis, Cucumis sativus, Cyperus esculentus, Ficus carica, Hyphaene thebaica, Juniperus phoenicea, Mimusops Kummel, Nigella sativa, Punica Granatum, Ricinus communis, Raphanus sativus, Sapindus, Vitis vinifera. Auch die alten Inder hatten gut bewässerte und ganz regelmäßig angelegte Gärten, in denen für jede Pflanzenart meist eine besondere Abteilung bestimmt war. Anders in China, wo der Land- und Gartenbau, ihretwegen auch die Wasserwirtschaft, sich stets in der höchsten denkbaren Blüte befand. Kein Volk der Erde hat den G. so kultiviert wie die Chinesen; in ihm haben Herrscher und Reiche einen Luxus entwickelt, der wegen Verbrauchs von Land, Wasser und Arbeitskräften die Landwirtschaft gefährdete und öfters in die Geschicke des Landes eingriff. Der jetzige kaiserliche Garten bei Peking hat 80 km Umfang und ist in der Nachahmung der Natur ein Nonplusultra aller Gartenkunst. Landschaften aller Art, von der lieblichsten bis zur großartigsten, wechseln in demselben; der Pflanzenwuchs aller Zonen ist in ihm in der prächtigsten Entwickelung, Bäche, Flüsse, Seen, Dörfer und Schlösser beleben das Bild. Aber die Bewohner der Dörfer sind eine Art Schauspieler; sie stellen für den Kaiser, je nach den Anordnungen des Hofmarschalls, in schmucker Kleidung Fischer, Matrosen, Arbeiter, Handelsleute, Bauern, Soldaten etc. vor und führen dem Herrscher, welchem die strengste aller Etiketten das Erscheinen vor dem wirklichen Volk verbietet, ein verfeinertes Spiegelbild desselben vor. Die Liebhaberei der Chinesen für Zwergbäume läßt die Anordnungen auch in den größten Gärten doch meist sehr kleinlich erscheinen. Die Gärten Japans gleichen den chinesischen, wie die beiden Völker sich gleichen. Derselbe Gedanke liegt ihnen zu Grunde, nur ahmen jene die Natur noch treuer nach und suchen große Landschaften im kleinen nachzubilden. Von dem Gärten des semitischen Volksstammes, namentlich der echten Araber, Syrer und Assyrer, kennen wir diejenigen des Königs Salomo in Jerusalem und der Königin Semiramis in Babylon, von denen letztere, großartige Terrassen mit Freitreppen, nicht von ihr (2080-1900, nach andern 1200 v. Chr.), sondern von Nebuchodonosor (605-562), vielleicht auch von der kühnen Nitokris, der Mutter des Labonit oder Balthasar (wurde 508 getötet), angelegt wurden. Salomo (1015) war ein großer Gartenfreund und zog, vielleicht zum Unterricht, Gewächse aller Art "von der Zeder bis auf den Ysop, der aus der Mauer wuchs"; in einem zweiten Garten zog man allerhand meist aus Indien eingeführte Gewürzkräuter. Der ältere Kyros (559-529), der Gründer des großen persischen Reichs, beförderte den Obstbau durch weise Gesetze und durch Schulgärten bei den Anstalten, in denen die Kinder der Großen seines Reichs erzogen wurden. Dareios (521-485) ließ bei den Karawansereien der königlichen Poststraße die herrlichsten Paradiese anlegen, schattige Parkanlagen mit Tiergärten, wo auch den Reisenden nach beschwerlicher Tagfahrt ein kühles Quartier und frisches Wasser geboten wurden. Dem jüngern Kyros (gest. 401) werden zwei solcher Paradiese zugeschrieben, schattige Alleen und Haine von Platanen, Cypressen und Palmen, zwischen denen die breitblätterige Aloe, herrliches Rosengebüsch und mannigfache Obstbäume, zahlreiche Blumen, zierliche Kioske, schattige Ruhesitze, Springbrunnen, Vogelhäuser und Aussichtstürme verteilt waren. Von Obstarten dieser Länder wurden und werden heute noch genannt: Weintrauben, Quitte, Pfirsich, Lotospflaume (Diospyrus Lotus), Pflaumen und Birnen.

In Griechenland waren die Ureinwohner dem Waldkultus ergeben; spätere Einwanderer vom Norden wie von Ägypten und Kleinasien brachten ihre Götter und ihre Führer (später Könige genannt und zu Heroen, d. h. Göttern zweiten Ranges, erhoben) mit, die zahlreiche Nutzpflanzen einführten, aber die Wälder lichteten und um die bald versiegenden Quellen Haine pflanzten, auch für künstliche Bewässerung des Landes sorgten. Aus Homers "Odyssee" sind der Hain der Kalypso und die dem Helden Odysseus gehörende Insel Ithaka bekannt, ein zusammenhängender, regelmäßig eingeteilter Obst- (und wohl auch Gemüse-) Garten. Von Obstarten werden genannt: Birnen, Feigen, Granaten, Oliven. Äpfel und Weintrauben. Im 5. Jahrh. v. Chr., in Griechenlands klassischer Zeit, gingen Feld- und Gartenbau zurück, man lebte meist in den Städten, wo einige wenige regelmäßige Anpflanzungen den Einwohnern als Erholungsorte dienten, oder wo die Weltweisen Platon und Aristoteles ihre Schüler um sich versammelten. Die Gemüse des alten Griechenland waren ziemlich diejenigen unsrer Tage. Aber die Halbinsel mit ihrer Blüte erlag im Anfang unsrer Zeitrechnung fremden Eroberern, und erst in neuerer Zeit sprach man wieder vom G. auch in Griechenland, unter andern von dem Schloßgarten, welchen Königin Amalie in Athen anlegen ließ, und der ein Wunderwerk von Schönheit sein soll; in neuester Zeit hat zwar, nach Professor X. Landerer, der G. eine immer größere, allgemeine Ausdehnung gewonnen, dem aber der harte Winter 1879/80 ganz bedeutend geschadet hat.

In Italien hatten die alten Römer die Nutz- (Gemüse- und Obst-) Gärten vom Lustgarten getrennt. Letzterer, durchaus regelmäßig gestaltet, wenn er sich an die Villa anschloß, war mit zahlreichen Schlingpflanzen an der Veranda, zierlichen Blumenbeeten und künstlich zu allerhand Figuren zugeschnittenen Bäumen versehen. Die Parkanlagen hatten eine be-^[folgende Seite]