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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gebirgsstelze; Gebirgsvereine; Gebiß; Gebläse

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Gebirgsstelze - Gebläse.

und die Verwendung von Artillerie und Kavallerie auf ein Minimum beschränkt. Einzelne Streif- und Freikorps finden im Gebirge wohl ein günstiges Feld, um durch sogen. kleinen oder Guerillakrieg dem Gegner zu schaden, eine ernste Entscheidung aber lange hinzuhalten. Für größere Heere handelt es sich stets um rasches Hindurchziehen durch das Gebirge und Vereinigung jenseits zu neuen Operationen, für den Verteidiger aber um Erschwerung des Durchmarsches durch kleine Abteilungen auf den einzelnen Straßen sowie um Verhinderung der Vereinigung der vereinzelt heraustretenden Kolonnen durch Angriff mit überlegenen, hinter dem Gebirge versammelten Kräften. Dieses sowie ein gutes Nachrichtenwesen, rechtzeitiges Besetzen und Befestigen der Pässe sind die Grundlage der Verteidigung; richtige Berechnung von Raum und Zeit zu gleichzeitigem Debouchieren auf mehreren Punkten und rücksichtsloses Erzwingen des Durchganges bei jedem Widerstand in den Defileen wie beim Heraustreten ist die Aufgabe des Angriffs. Episoden des deutsch-österreichischen Kriegs 1866, des deutsch-französischen 1870/71 und des russisch-türkischen Kriegs 1877-78 haben dem G. größere Aufmerksamkeit zugewendet. Man hat erkannt, daß die Truppen für denselben einer besondern Schulung und Organisation bedürfen. Seit 1882 finden deshalb in Frankreich jährlich Übungen größerer Truppenmassen in den Alpen und Pyrenäen statt. Am rationellsten aber ist Italien in der Organisation seiner Alpenjäger und Gebirgsartillerie vorgegangen; diese Truppen rekrutieren sich nur aus den Gebirgslandschaften, in denen sie dauernd Garnison haben, in denen sie also auch alle Marsch- und Gefechtsübungen abhalten. Gegenwärtig dürfte mit ihren Leistungen keine Truppe der Welt konkurrieren können. Mit Ausnahme Deutschlands haben alle europäischen Großstaaten die Entwickelung einer Gebirgsartillerie gepflegt und derselben ein gegen früher viel wirkungsvolleres Geschütz gegeben; England ging durch Einführung eines zerlegbaren Geschützrohrs hierin am weitesten. Jedenfalls hat der G. durch die materiellen und taktischen Fortschritte der Gebirgsartillerie sehr an Kampfkraft gewonnen.

Gebirgsstelze, s. Bachstelze.

Gebirgsvereine, s. Alpenvereine und Touristenvereine.

Gebiß, die Gesamtheit der Zähne eines Wirbeltiers in ihrer natürlichen Anordnung; im weitern Sinn auch die der zahnähnlichen Kauwerkzeuge niederer Tiere, z. B. der hornartigen Vorsprünge auf der Reibleiste (Radula) der Schnecken. Von besonderer Wichtigkeit ist die Kenntnis des Gebisses, weil sich, namentlich bei Fischen und Säugetieren, oft nur Kiefer oder einzelne Zähne versteinert erhalten haben und zu Schlüssen auf die Beschaffenheit ihrer Träger verwendet werden müssen. Auch in der Systematik der Säugetiere nimmt die Form des Gebisses eine hervorragende Stellung ein. Man unterscheidet das bleibende G. vom Milchgebiß. Die meisten Säugetiere nämlich (ausgenommen die Kloakentiere, Zahnlücker und Walfische) vertauschen das G., mit welchem sie geboren werden, später gegen ein in mancher Beziehung verändertes; jenes aber ist dem bleibenden G. des Stammvaters des betreffenden Tiers sehr ähnlich, dessen Milchgebiß seinerseits noch weiter zurückweist. Hiernach läßt sich zuweilen ein Stammbaum mit einiger Sicherheit aufstellen. Das vollständige G. der Säugetiere besteht aus 44 Zähnen (nur gewisse Beuteltiere haben eine größere Zahl), d. h. oben und unten rechts und links je 11 (3 Schneidezähne, 1 Eckzahn und 7 Backenzähne). Die Schneidezähne (dentes incisivi) stehen oben im Zwischenkiefer (s. Kiefer) und entwickeln sich mitunter (Elefant, Walroß etc.) zu großen Stoßzähnen. Die ersten 3 der auf den Eckzahn (dens caninus) folgenden Backenzähne heißen falsche (dentes praemolares), weil sie schon im Milchgebiß vorhanden sind, zum Unterschied von den erst später auftretenden 4 echten Backenzähnen (dentes molares). Von den Prämolaren werden 1 oder 2 wohl zu besonders großen, zackigen Fleischzähnen (dentes lacerantes) und dienen zum Zerreißen der Nahrung. Zur raschen Übersicht über den Reichtum des Gebisses an Zähnen bedient man sich der Zahnformeln in Gestalt von Brüchen, in denen i die Schneide-, c die Eck-, p die falschen und m die echten Backenzähne bezeichnen und die Angaben im Zähler sich auf den Ober- und Zwischen-, die im Nenner auf den Unterkiefer beziehen. Das G. des Menschen und der ihm nahestehenden Affen ist z. B. ^[img] oder kürzer ^[img], das der Wiederkäuer ^[img], das des Känguruhs ^[img], der Beutelratte ^[img]. Vgl. Säugetiere und Zähne.

Gebiß, künstliches, s. Zähne; G. als Mundstück der Trense, s. Zaum.

Gebläse (hierzu Tafel "Gebläse"), Vorrichtungen zur Hervorbringung eines Stroms gepreßter Luft, werden besonders auf Hüttenwerken zur Beförderung von Verbrennungsprozessen beim Ausbringen der Metalle benutzt. Die G. saugen atmosphärische Luft an, vergrößern deren Dichtigkeit (Pressung) und führen sie als Gebläsewind zum Orte der Verbrennung (meist Öfen) in Röhren (Windleitung), deren konische Ausströmungsöffnung in einen der Ofenwand eingefügten abgestumpften metallenen Hohlkegel (Form, Eckeisen) mündet. Die Güte eines Gebläses steht in direktem Verhältnis zu seinem Nutzeffekt (Wirkungsgrad = Verhältnis der aufgewandten zur nutzbar gemachten Arbeit, welches häufig in Prozenten angegeben wird) und zu seinem Windeffekt (Verhältnis der eingesogenen zur ausgeblasenen Luftmenge). Der Nutzeffekt wird besonders beeinträchtigt durch die Reibung der Maschinenteile und durch den schädlichen Raum des Gebläses, worunter man den hohlen Raum versteht, in welchem bei unzweckmäßiger Einrichtung des Gebläses die Luft wiederholt zusammengepreßt und wieder ausgedehnt wird, ohne ausgeblasen zu werden und zur Wirkung zu kommen. Der Windeffekt leidet durch die Reibung in langen Röhrenleitungen und deren Undichtigkeit, so daß zuweilen 25 Proz. und mehr von dem eingesogenen Luftquantum bis zum Eintritt in den Ofen verloren gehen. Die Form der G. ist sehr verschieden und bildet von dem einfachsten Handblasebalg bis zu den kolossalsten Cylindergebläsen viele Übergänge. Die Klassifikation derselben geschieht am zweckmäßigsten nach der Art und Weise der Druckwirkung, durch welche die Luft komprimiert wird. Es kann zur Wirkung kommen:

A. Erste Hauptgruppe.

Direkter Druck, wobei die Kompression der Luft durch momentane Verkleinerung des lufteinschließenden Teils der Maschine hervorgerufen wird, nachdem vorher durch Vergrößerung desselben Luft aufgenommen ist. Der Hauptteil der nach diesem Prinzip eingerichteten G. ist ein pyramidaler, kastenförmiger