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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Geschichte: Heinrich VI., Eduard IV.).

thun, und eroberte im März 1422 Meaux, starb aber noch in demselben Jahr zu Vincennes 31. Aug.

Heinrich VI. (1422-61), sein Sohn und Nachfolger, ward, neun Monate alt, König von England und Frankreich. Die Regentschaft von Frankreich verwaltete sein Oheim, der Herzog von Bedford, die von England dessen Bruder, der Herzog von Gloucester. Da Karl VI. bald nach Heinrich V. starb, so hatte Bedford nun den rechtmäßigen Thronerben, Karl VII., sich gegenüber, besiegte ihn jedoch überall, trieb die Franzosen durch die Siege bei Auxerre (1423) und Verneuil (1424) bis an die Loire zurück und begann 1428 die Belagerung von Orléans. Doch plötzlich erhielten die Angelegenheiten durch Jeanne d'Arc (s. d.), die Jungfrau von Orléans, eine andre Wendung. Diese befreite 1429 Orléans, schlug die Engländer bei Jargeau und Patay und führte den Dauphin nach Reims, wo er 17. Juli gekrönt wurde. Zwar ward die Jungfrau 23. Mai 1430 bei Compiègne gefangen genommen und 30. Mai 1431 zu Rouen verbrannt, und Bedford ließ den jungen Heinrich VI. im Dezember zu Paris krönen; aber die englische Sache stand darum nicht besser, und namentlich, nachdem es 1435 zu einer Versöhnung zwischen Karl VII. und dem Herzog Philipp von Burgund gekommen und Bedford in demselben Jahr gestorben war, verloren die Engländer mehr und mehr an Boden. Inzwischen war der Herzog von Gloucester mit dem Erzieher des Königs, dem herrschsüchtigen Kardinal von Winchester, in Zwist geraten. Dieser, der an eine Wiedergewinnung alles Verlornen nicht glaubte und den Frieden wünschte, erwirkte 1444 einen Waffenstillstand und eine Vermählung des Königs mit Margarete von Anjou, der Tochter des Titularkönigs von Neapel, Sizilien und Jerusalem, René von Anjou; eine geheime Bedingung dieser Verbindung war die Abtretung von Maine und Anjou an René. Die junge Königin bemächtigte sich aber bald der Zügel der Regierung, beseitigte 1447 (vielleicht durch Mord) den alternden Gloucester und erhob William de la Pole, Marquis von Suffolk, der ihre Heirat vermittelt hatte, zum Herzog und zum allgebietenden Günstling. Da nun aber aus Frankreich immer schlechtere Nachrichten eintrafen und auch in England die Gewaltherrschaft Suffolks Unzufriedenheit erregte, ward dieser 1449 durch die Gemeinen des Hochverrats angeklagt, des Landes verwiesen und von den Flottenmannschaften auf der Überfahrt nach Frankreich enthauptet, worauf der Herzog von Somerset, der bis dahin in Frankreich kommandiert hatte, in der Gunst des Königs und seiner Gemahlin sein Nachfolger ward. Wie groß die Unzufriedenheit des Volkes mit der Regierung Heinrichs VI. war, zeigte sich noch in demselben Jahr durch die Empörung eines Haufens von Leuten aus Kent, der sich aus den niedrigsten Klassen zusammensetzte, unter Führung des Irländers John Cade bis London vordrang und nur mit Mühe zersprengt wurde.

Kampf der beiden Rosen.

Bald darauf aber sammelte ein gefährlicherer Gegner, Richard, Herzog von York, wie Heinrich eine Nachkomme Eduards III., alle Elemente der Opposition um sich, und seine Erhebung 1451 eröffnete den 30jährigen Successionskrieg zwischen den beiden Häusern Lancaster und York, den sogen. Kampf der Roten und der Weißen Rose (wegen der Feldzeichen der beiden Häuser so genannt), in dessen Verlauf fast die gesamte altnormännische Aristokratie Englands teils durch das Schwert der Schlacht, teils durch das Beil des Henkers zu Grunde ging. Anfangs hatte Richard wenig Glück; als aber 1453 ein neuer Versuch der Engländer, die Gascogne wiederzuerobern, gescheitert und bald darauf der König durch Geisteskrankheit zeitweilig regierungsunfähig geworden war, bemächtigte er sich der Regentschaft und ließ Somerset verhaften. 1455 wurde Heinrich hergestellt und ließ Somerset frei, worauf Richard aufs neue ein Heer gegen den König warb. Es kam bei St. Albans (21. Mai 1455) zur Schlacht, in welcher Heinrich verwundet und gefangen wurde und Somerset fiel. Richard behandelte den König achtungsvoll und gab ihn, nachdem er sich vom Parlament zum "Protektor des Reichs" hatte erklären lassen, sogar wieder frei. Aber die Königin Margarete bewog den geistesschwachen König, während einer Abwesenheit Richards die Regierung wieder zu übernehmen. Richard ließ sich auch dieses gefallen, und 1458 fand sogar zu London eine feierliche Versöhnung zwischen ihm und seinen Anhängern, den Grafen Salisbury und Warwick, einer- und der Königin und dem jungen Herzog von Somerset anderseits statt. Aber schon wenige Monate später brachen zwischen den Königlichen und der Partei Richards infolge von Warwicks Gewaltthätigkeiten zur See neue Feindseligkeiten aus, und die erstern trugen 12. Okt. 1459 bei Ludlow einen Sieg über Richard davon, worauf ein zu Coventry versammeltes Parlament dessen Partei wegen Hochverrats belangte. Warwick bemächtigte sich darauf der Festung Calais, setzte im Einverständnis mit Richard, der sich nach Dublin geflüchtet hatte, nach England über, zog mit 30,000 Mann in London ein und schlug das königliche Heer bei Northampton (10. Juli 1460); der König geriet abermals in Gefangenschaft, und York erhob nunmehr vor dem Parlament öffentlich Anspruch auf die englische Krone. Dieses entschied 25. Okt. 1460 nach langen Verhandlungen, daß Heinrich zwar die Krone behalten, York aber Protektor sein und in der Regierung folgen solle. Die Königin erkannte jedoch diesen Schiedsspruch nicht an, setzte mit Hilfe der Aristokratie des Nordens den Kampf fort und errang 30. Dez. 1460 bei Wakefield einen glänzenden Sieg; Richard wurde gefangen genommen und schimpflich hingerichtet. Seine Ansprüche gingen auf seinen Sohn Eduard, Grafen von March, über, welcher sich, obwohl Margarete durch die Schlacht von St. Albans (17. Febr. 1461) ihren Gemahl wieder befreit hatte, in London behauptete und 2. März 1461 unter dem Namen Eduard IV. (1461-83) zum König ausrufen ließ.

Mit ihm kam das Haus York auf den Thron. Eduard besiegte in der Schlacht bei Towton (28. März 1461) die mutige Margarete, welche nach Schottland und von da nach Frankreich floh, zwar im Oktober 1462 nochmals mit bewaffneter Hand zurückkehrte, aber durch Warwick von neuem zur Flucht genötigt ward. Den letzten Versuch der Anhänger des Hauses Lancaster, Heinrich VI. wieder auf den Thron zu bringen, vereitelte Lord Montague durch die Schlacht bei Hedgley Moor (25. April 1464). Bald darauf wurde der nach diesen Niederlagen von allen verlassene König Heinrich VI. zu Waddingtonhall in Yorkshire gefangen genommen und mußte bis 1470 im Tower schmachten. Eduard, der sich besonders auf die Gemeinen stützte und mit ihnen im besten Einvernehmen stand, vermählte sich 1465 mit Lady Elisabeth Wydewille, der Witwe Sir John Greys, erregte aber durch die Begünstigung der Verwandten seiner Gemahlin, die er zu den höchsten Ehrenstellen erhob, vielfach Unzufriedenheit bei seinen alten Anhängern,