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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Leopold

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Leopold (Belgien, Braunschweig, Großbritannien).

Grenzvertrag mit Bayern. 1813 trat er wieder in russische Kriegsdienste und entwickelte während des Feldzugs ebensoviel Feldherrntalent wie persönliche Tapferkeit. Er focht an der Spitze der Leibkürassiere mit bei Lützen, Bautzen und Leipzig, wo er 16. Okt. in der Mitte der Schlachtordnung die Hauptbatterie zu decken hatte. 1814 zog er mit den verbündeten Truppen in Paris ein und ging von da im Gefolge des Kaisers Alexander I. mit nach England. 1815 folgte er einer Einladung nach England, wo ihn die britische Thronerbin Charlotte Auguste im März 1816 zu ihrem Gemahl wählte. Er ward durch die Parlamentsakte vom 27. März 1816 naturalisiert und erhielt einen Jahrgehalt von 50,000 Pfd. Sterl., den Titel eines Herzogs von Kendal, den Rang vor allen britischen Herzögen und Großbeamten, die Würde eines britischen Feldmarschalls und trat als Mitglied in den Geheimen Rat ein. Die Vermählung fand 2. Mai 1816 statt. L. lebte zu Claremont in der glücklichsten Ehe, doch starb seine Gemahlin schon 5. Nov. 1817 im Kindbett. Seitdem lebte er in Zurückgezogenheit zu London und auf seinem Landsitz Claremont. Am 3. Febr. 1830 ward ihm von den drei zur Pazifikation Griechenlands verbündeten Mächten die Würde eines Königs von Griechenland angetragen, der er aber, nachdem er sie 11. Febr. mit Vorbehalt angenommen, 15. Mai wieder entsagte, weil die Mächte die Grenzen des jungen Königreichs zu sehr beschränkt hatten. Am 4. Juni 1831 vom belgischen Nationalkongreß zum König der Belgier erwählt, nahm er die Krone 12. Juli an, hielt seinen Einzug in Brüssel und leistete am 21. den Eid auf die Konstitution. Bei dieser Gelegenheit verzichtete L. auf fernern Bezug seines englischen Jahrgehalts. Am 9. Aug. 1832 vermählte er sich in zweiter Ehe mit der Prinzessin Luise (gest. 11. Okt. 1850), der Tochter König Ludwig Philipps von Frankreich. Würdevolles und besonnenes Benehmen in kritischen Zeitpunkten, besonders 1838, als es sich um Ausführung des Vertrags der 24 Artikel und Aufgebung des deutschen Luxemburg handelte, dann 1848, wo er sich zum Rücktritt bereit erklärte, wenn die Nation in ihm ein Hindernis zu ihrer Wohlfahrt fände, und endlich in den mit Frankreich nachdem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 entstandenen Differenzen, strenge Beobachtung der Verfassung, sicheres Erfassen der Volksstimmungen und weise Berücksichtigung derselben: dies alles, verbunden mit einer durch edlen Ernst gemäßigten Liebenswürdigkeit im Umgang, erwarben ihm eine seltene Popularität, die sich in glänzender Weise 1856 bei der Feier des 25jährigen Gedächtnistags seiner Thronbesteigung kundgab. Sein Hofstaat beschränkte sich auf die unentbehrlichsten Elemente, seine Zivilliste verwendete er zum großen Teil zur Förderung gemeinnütziger und wohlthätiger Zwecke sowie zur Hebung von Kunst und Wissenschaft. Indem er die Neutralität seines Staats gewissenhaft beobachtete, gewann er das Vertrauen der Mächte und benutzte seinen Einfluß bei den Höfen, um durch weise, mäßigende Ratschläge zu beschwichtigen und den Frieden zu erhalten. Aus seiner zweiten Ehe wurden ihm geboren: Leopold II. (s. unten), jetziger König, Philipp, Graf von Flandern, geb. 24. März 1837, und Marie Charlotte, geb. 7. Juni 1840, die unglückliche Kaiserin von Mexiko (s. Charlotte 4). L. starb nach längerm Leiden 10. Dez. 1865. Vgl. Juste, L. I., König der Belgier (deutsch, Gotha 1869); "Denkwürdigkeiten aus den Papieren des Freiherrn v. Stockmar" (Braunschw. 1872).

10) L. II., König der Belgier, Sohn und Nachfolger des vorigen, geb. 9. April 1835 zu Brüssel, ward 1840 von seinem Vater zum Herzog von Brabant ernannt und trat 1846 als Unterleutnant in die Armee, deren Grade er durchlief bis zu dem eines Generalleutnants, welchen er 1865 erhielt. Nach erlangter Volljährigkeit zum Senatsmitglied ernannt, vermählte sich L. 22. Aug. 1853 mit der Erzherzogin Marie Henriette (geb. 23. Aug. 1836), der Tochter des verstorbenen Erzherzogs Joseph, Palatins von Ungarn. Im Senat zeigte der Prinz L. ein lebhaftes Interesse an dessen Verhandlungen, namentlich soweit dieselben die materielle Entwickelung Belgiens, die Erweiterung seiner Handelsbeziehungen wie die Ausdehnung seines Kunstfleißes betrafen. Von der eigentlichen Politik hielt er sich aber fern, bis ihn der Tod seines Vaters 10. Dez. 1865 auf den Thron berief, auf welchem er sich ebenso streng an die Vorschriften der Verfassung und den Gebrauch des konstitutionellen Königtums hielt wie sein Vater. Die Bestrebungen, Belgiens Handel zu erweitern, nahmen sein Interesse nach wie vor in Anspruch, und er beteiligte sich lebhaft an den geographischen Studien und Entdeckungsreisen seiner Zeit. 1876 berief er einen geographischen Kongreß nach Brüssel, um über die Nutzbarmachung der afrikanischen Entdeckungen zu beraten, und veranlaßte mehrere Reisen und Ansiedelungsversuche in Zentralafrika. Auf Grund von Reisen und Berichten Stanleys gründete er den Congostaat, dessen Souveränität ihm 1885 übertragen wurde. Sein einziger Sohn, Prinz Leopold, Herzog von Brabant und Graf von Hennegau (geb. 1859), starb 28. Jan. 1869; am Leben sind nur drei Töchter, von denen die älteste, Luise (geb. 18. Febr. 1858), an den Prinzen Philipp von Sachsen-Koburg, die zweite, Stephanie (geb. 21. Mai 1864), an den Kronprinzen Rudolf von Österreich vermählt ist. Der nächstberechtigte Thronerbe ist daher Leopolds Bruder Philipp, Graf von Flandern (s. oben).

[Braunschweig.] 11) Maximilian Julius L., Prinz von Braunschweig, jüngster Sohn des Herzogs Karl, geb. 11. Okt. 1752 zu Wolfenbüttel, machte in Straßburg seine akademischen Studien und bereiste dann in Lessings Begleitung Italien. Als Neffe Friedrichs d. Gr. wurde er 1776 Chef eines Infanterieregiments zu Frankfurt a. O., wo er nach beendigtem bayrischen Erbfolgekrieg, den er mitmachte, seit 1782 General, seinen bleibenden Aufenthalt nahm und sich durch seine Teilnahme an allem, was das öffentliche Wohl förderte, und seine Mildthätigkeit die allgemeinste Verehrung erwarb. Er ertrank 27. April 1785 beim Aufgang des Eises in den Fluten der Oder, indem er bemüht war, in einem Kahn die von Wasserfluten bedrohten Bewohner der untern Dammvorstadt zu retten. Ein Monument mit seinem Standbild am rechten Oderufer auf dem Damm erinnert an ihn. Vgl. Hänselmann, Der Tod Herzogs L. von Braunschweig (Braunschw. 1878).

[Großbritannien.] 12) Georg Duncan Albert L., Herzog von Albany und Clarence, Herzog zu Sachsen, jüngster Sohn der Königin Viktoria von Großbritannien und Irland und des Prinzen Albert, geb. 7. April 1853 im Buckinghampalast zu London, erhielt eine sorgfältige Erziehung und erwarb sich trotz seines schwächlichen Körpers und einer schwankenden Gesundheit gründliche Kenntnis in Kunst und Wissenschaft. Er besuchte mit Eifer und Erfolg die Universität Oxford. Als er 1874 großjährig wurde, ward er Mitglied des Geheimen Rats und erhielt durch Bewilligung des Parlaments eine Apanage von