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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schweiz

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Schweiz (Forstwesen, Bergbau, Mineralquellen etc., Industrie).

der Gewässer sucht man durch einige Fischzüchtereien vorzubeugen. Das Waldareal nimmt nur 19 Proz. der Landesfläche ein, in Schwyz nur 13,3, in Wallis 12, in Uri nur 6, überhaupt gerade in manchen Bergkantonen auffallend wenig; ja, es gibt ganze holzlose Thäler, die der Unverstand ihres einstigen Waldschmuckes beraubt hat, und deren Bewohner sich jetzt mit schweren Kosten das Brennmaterial verschaffen und sich zum Teil mit getrocknetem Mist behelfen müssen. Unter solchen Umständen wären die Holzpreise ins Fabelhafte gestiegen, wenn nicht die Eisenbahnen die Masseneinfuhr der Saarkohlen ermöglicht hätten. Aber auch so noch ist die Sachlage bedrohlich genug. Der eigne Holzkonsum übersteigt die Produktion um ein Vierteil, ein Dritteil des Holzschlags zehrt am Waldkapital; die gründliche Entwaldung mancher Hochgebirge bildet eine ständige Gefahr für die Thäler am Gebirgsfuß, und es war höchste Zeit, daß endlich dem Bunde "das Recht der Oberaufsicht über die Wasserbau- und Forstpolizei im Hochgebirge" eingeräumt ward. Nach der Bundesverfassung von 1874 erstreckt sich die Aufsicht des Bundes auf die Kantone Uri, Unterwalden, Glarus, Appenzell, Graubünden, Tessin und Wallis sowie auf die gebirgigen Teile von Zürich, Bern, Luzern, Schwyz, Zug, Freiburg, St. Gallen und Waadt. Die Grenzen des Gebiets sind jetzt festgestellt und schließen eine Waldfläche von 427,971 Hektar ein.

Bergbau und Industrie.

Ökonomisch wichtige Steine sind: der Sandstein der Molasse (s. Ostermundingen), der Kalkstein (s. Solothurn), der Dach- und Tafelschiefer (s. Glarus), auch der Marmor, Gips, Lehm und feinere Thonarten. Von Metallen ist nur das Eisen von Belang, hauptsächlich im Berner Jura (s. Delémont), doch ohne heute mehr das frühere Jahresquantum von 100,000 metr. Ztr. zu erreichen. Das Eisenbergwerk am Gonzen ist 1886 eingegangen. Die Bohnerzlager des Jura haben 0,2-2 m Mächtigkeit; oft aber bildet das Erz auch nur Kluftausfüllungen (Nester), deren Dicke bis 6 m beträgt. Es liefert ein ausgezeichnetes Material für Guß- und Stabeisen. In Bezug auf Kochsalz hat sich die Lage der S. vorteilhaft verändert. Während sie früher fast gänzlich vom Ausland abhing (s. Bex), sind seit 1845 die Salzlager des Rheinthals erbohrt und die ergiebigen "Rheinsalinen" von Schweizerhall, Rheinfelden etc. erstellt worden, so daß die Salzproduktion gegenwärtig ca. 350,000 metr. Ztr. beträgt. Es gibt viele geschätzte Heilwässer, mehrere ersten Ranges, so: die Graubündner Säuerlinge von Tarasp-Schuls, St. Moriz ^[richtig: Moritz], San Bernardino und Fideris, die Schwefelquellen von Alveneu und Serneus, Gurnigel, Schinznach und Baden, ferner die Stahlwässer von Fettan und Stachelberg, die erdigen Quellen von Leuk und Weißenburg, das alkalische Wasser des Rosenlauibades, das Bitterwasser von Birmensdorf, die jod- und bromhaltigen Quellen von Wildegg und Saxon, die indifferente Therme von Pfäfers (mit Ragaz). Bauwürdig tritt die Mineralkohle auf: als Anthracit im Wallis, als Pechkohle in der Molasse und als Schieferkohle im Kies. Die Produktion von Anthracit (Chandoline etc.) beträgt gegenwärtig 30,000 metr. Ztr., die von Pechkohle (Käpfnach, Lavaux, Semsales) 160,000; die von Schieferkohle (Dürnten, Wetzikon, Uznach, Mörschwyl) ist erloschen. Es gibt auch einige größere Torfmoore und ein paar jurassische Fundorte für Asphalt (s. Neuenburg, S. 74).

Die Schweizer Industrie ist hauptsächlich in Baumwolle, Seide, Uhren, Schmuckwaren und Maschinen bedeutend. Die Baumwollindustrie hat ihren Hauptsitz in der Ostschweiz, voraus in den Kantonen Zürich, Glarus, St. Gallen, Appenzell, Thurgau und Aargau. Nach der Fabrikstatistik des eidgenössischen Handelsdepartements beschäftigt die Baumwollindustrie über 55,000, die Seidenindustrie gegen 20,000, die Maschinen- und Werkzeugfabrikation etwa 11,000, die Uhrmacherei und Bijouterie über 8000 Arbeiter; in diesen Zahlen sind jedoch nur die dem Fabrikgesetz unterstellten Etablissements berücksichtigt. In der Baumwollindustrie hat die Spindelzahl 2 Mill. erreicht, die Zahl der mechanischen Webstühle 22,000 überstiegen. Die Maschinenstickerei, 1840 begründet und seit 1851 rasch in den Kantonen St. Gallen, Appenzell und Thurgau verbreitet, beschäftigt gegenwärtig über 20,000 Maschinen und mehr als 20,000 Arbeiter. Im Kanton Glarus hat die Färberei und Druckerei die größte Ausdehnung. Gefördert durch die Qualität und Zahl der Wasserkräfte, ringt die Schweizer Baumwollindustrie in vielen Absatzländern mit englischer Konkurrenz. Die Hauptsitze der Seidenindustrie sind Zürich und Basel, jenes in Kleiderstoffen, dieses in Bändern. Bedrohlich für diese Thätigkeit ist der Aufschwung, den die Seidenindustrie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, einem Hauptabsatzland für Schweizer Fabrikate, nimmt. Während die dorthin importierten Schweizer Seidenwaren 1871 einen Wert von 43, noch 1872 von 40,76 Mill. Frank repräsentierten, sank (freilich auch unter dem Einfluß momentaner Störungen) seit 1873 dieser Posten wiederholt auf 30-20 Mill. herab. In der Seidenzwirnerei waren 1887: 8054 Arbeiter (über ¼ davon in der Hausindustrie) und 70,440 Spindeln thätig; ihre Produkte beliefen sich auf 422,550 kg. Einen hervorragenden Rang behauptet die Uhrenindustrie Genfs, die schon aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. datiert, und des Jura, hauptsächlich des Neuenburger Jura, begründet 1679, in der Folge nach St.-Imier, Vallée de Joux, Ste.-Croix, seit 1840 nach Grenchen, 1843 nach Pruntrut, 1847 nach Biel, 1850 nach Waldenburg, 1868 nach Schaffhausen verpflanzt. Die jährliche Produktion von Taschenuhren wird jetzt zu 5 Mill. Stück, die Zahl der Arbeiter zu rund 40,000 angenommen. Der bedrohlichste Konkurrent dieser Industrie ist die erst seit 1850 aufgetauchte Uhrmacherei der Vereinigten Staaten von Nordamerika, weniger Besançon, das zur Zeit der ersten französischen Revolution einen Ableger der jurassischen Fabrikation erhielt. Die gewöhnliche bürgerliche Uhr, goldene wie silberne, kommt hauptsächlich aus dem Schweizer Jura (und aus Besançon); wohlfeile "silberne" Uhren (à ca. 20 Frank) werden jetzt weniger in der S. als in Frankreich gefertigt. Ist Genf der Hauptplatz für teurere, dekorierte Uhren, so ist es Le Locle für Chronometer. In Taschenchronometern hat die S. alle Konkurrenten überflügelt, in Seechronometern hat der Wettstreit mit England erst begonnen. Neuenburg hat, wie Genf, ein Observatorium, bestimmt, den Fabrikanten das Mittel einer genauen Zeitmessung an die Hand zu geben und zugleich in offizieller Weise den Gang der Chronometer zu konstatieren. Die Genfer Juwelierarbeit rühmt man als außerordentlich sorgfältig und als ausgezeichnet durch einen wohlthuenden Ernst des Geschmacks. Unter den Maschinenbauwerkstätten gibt es mehrere große und bewährte Anlagen, voraus die Zentralbahnwerkstätte zu Olten, welche die Lokomotiven für die Rigi- und andre Bergbahnen erbaut hat. Die Strohflechterei hat sich in den Kantonen Freiburg, Aargau und Tessin ausge-^[folgende Seite]