Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

98

Baupolizei (Zahl der Stockwerke, Häuserhöhe, Abtritte etc.)

tilation des Hauses ist das Treppenhaus im obern Teil mit leicht zu öffnenden Fenstern oder Abzugsöffnungen zu versehen. Wie weit im übrigen Ventilationseinrichtungen zu treffen sind, läßt sich im allgemeinen nicht bestimmen, hängt vielmehr ganz und gar von den speziellen Verhältnissen ab.

Die Zahl der Stockwerke wird in der Regel nicht bestimmt, wohl aber die Höhe der Gebäude. Dies ist nicht rationell, weil es zur Erniedrigung der einzelnen Geschosse führt. In sehr großen Städten sollten nicht mehr als fünf, in kleinern höchstens vier Geschosse, Keller-, Halb- und Dachgeschosse eingerechnet, zugelassen werden. Für die absolute Höhe von an Straßen gelegenen Häusern gilt jetzt fast allgemein als Norm, daß dieselbe die Breite der Straße nicht überschreiten soll, so daß dem tiefsten Punkte des Gebäudes das Licht in einem Winkel von höchstens 45° gegen die Horizontale zugeführt wird. Nur in alten Städten mit engen Straßen pflegt hiervon abgewichen zu werden. Mansardengeschosse sollten, sobald ihre schrägen Wände und die Fenstervorbauten die vom Fußpunkt des gegenüberliegenden Hauses im Winkel von 45° gezogene Linie überschreiten, nicht geduldet werden, weil in ihrer Anlage lediglich eine Umgehung der Bestimmung über die Höhe der Gebäude liegt. Was man bezüglich der Höhe für die Häuser an Straßen fordert, sollte auch für die Hofgebäude gelten, auch sie sollten nicht höher sein, als der Horizontalabstand am gegenüberliegenden Haus beträgt. In dieser Hinsicht wird aber in erschreckender Weise gesündigt, und so entstehen Höfe, welche, schachtförmig von Gebäuden umgeben, Luft und Licht embehren und für die Zimmer, deren Fenster auf dieselben münden, kaum noch in Betracht kommen. Auf keinen Fall sollten die Hofgebäude mehr als doppelt so hoch aufgeführt werden, wie ihre Entfernung von dem gegenüberliegenden Gebäude auf demselben Grundstück oder von der Nachbargrenze, gleichgültig, ob diese bebaut ist oder nicht, beträgt. Nur wenn die Freihaltung der Grenze grundbuchlich gesichert ist, tritt an Stelle derselben die derselben zunächst liegende Gebäudefronte. Mehrfach ist zur Abhilfe bestimmt worden, daß jedes Haus nur einen Seitenflügel haben darf, und daß das eine von zwei benachbarten Häusern den Flügel an der linken Seite bauen muß, wenn ihn das andre an der rechten Seite besitzt. So entstehen größere Höfe mit erheblich gesündern Verhältnissen. Wird die Höhe der Gebäude an den Höfen bestimmt, so verliert die Frage wegen der Größe der Höfe an sich und im Verhältnis zur bebauten Fläche in sanitärer Hinsicht ihre Bedeutung, und es kommen nur noch sicherheitspolizeiliche Rücksichten in Betracht. Existiert eine solche Bestimmung nicht, oder wird eine zu bedeutende Höhe der Hintergebäude im Vergleich zu deren Abstand zugelassen, dann sollte die Freihaltung um ⅓ oder mindestens ¼ des Grundstücks und die Bildung eines Hofs von bestimmten Abmessungen verlangt werden. Nur bei sehr kleinen und bei Eckgrundstücken, bei welchen eine größere Anzahl von Zimmern an der Straße liegt, sind Ausnahmen zulässig. Wo sehr enge Höfe aus älterer Zeit vorhanden sind, ist es vorteilhaft, in den Ecken derselben Röhren anzulegen, welche nahe über dem Pflaster beginnen und bis über das Dach führen, um so durch Temperaturdifferenz, welche durch eine Gasflamme noch gesteigert werden konnte, eine Ventilation zu erzielen. Eine Bedeckung der sogen. Lichthöfe mit Glas ist ganz verwerflich, da dadurch jede Ventilation abgeschnitten wird.

Abtritte, mit Ausnahme der Wasserklosette, sollen niemals mit Wohn- und Schlafzimmern in Verbindung stehen, stets aber, auch die Wasserklosette, ein nach außen sich öffnendes Fenster und Ventilationsröhren besitzen. Auch Küchen sollen ins Freie führende Fenster besitzen, was freilich bei sehr kleinen Wohnungen leicht zur Folge hat, daß die Küche als Wohn- und Schlafzimmer benutzt wird. Die Steigung der Treppen, namentlich in Hinterhäusern, darf nicht zu steil sein, um an das oft belastete Dienstpersonal und an schwangere Frauen nicht gesundheitsgefährliche Anforderungen zu stellen. Die Stufenhöhe darf nicht mehr als 20, bei Treppen, welche durch mehr als zwei Geschosse reichen, höchstens 18 cm bei entsprechender Stufenbreite betragen. Die Heizungsanlagen sind noch recht häufig mangelhaft und belästigen die Bewohner desselben oder benachbarter Häuser durch Rauch, welcher bei Krankheiten der Atmungsorgane geradezu verderblich wirken kann. Bei dem heutigen Stande der Feuerungstechnik lassen sich allgemeine baupolizeiliche Vorschriften, die für alle Fälle Erfolg versprechen, nicht geben; aber man kann verlangen, daß alle Schornsteine mindestens 0,5 m über den Dachfirst hinausgeführt werden, daß sie eine Höhe von mindestens 12 m erhalten, wenn sie weniger als 3 m von der Straßenflucht oder von der Nachbargrenze entfernt liegen, und daß sie im letztern Fall mindestens 2 m über die Oberkante der Fenster im benachbarten Gebäude erhöht werden.

Wohnungen, welche in ihrer Anlage den Anforderungen der Sanitätspolizei entsprechen, können gesundheitsschädlich sein, wenn sie zu früh bezogen werden, und zwar namentlich, wenn die Bewohner auf Heizung und reichliche Lüftung nicht hinreichende Sorgfalt verwenden. Das Austrocknen des Neubaues ist abhängig von der Stärke der Mauern, der Beschaffenheit des Baumaterials, der mehr oder minder freien Lage, der Witterung während des Baues etc. Das Hygrometer bietet ein Mittel zur Beurteilung der Luftfeuchtigkeit in dem geschlossenen Zimmer eines Neubaues; doch erscheinen die Angaben des Instruments nicht ausreichend, und man begnügt sich daher mit der Bestimmung einer Frist, die zwischen Vollendung des Rohbaues und dem Beziehen des Hauses vergehen muß. Es ist wichtig, daß das Mauerwerk hinreichend trocken sei, bevor der Mörtel aufgetragen wird. Letzterer bildet stets nur eine dünne Schicht, die auf trocknem Mauerwerk sehr schnell trocknet. Bei Gebäuden mit starken Mauern, wie sie alle vielstöckigen Gebäude in den untern Geschossen besitzen, sollte zwischen der Vollendung des Rohbaues und dem Beziehen ein Zeitraum von neun Monaten verstreichen, der nur dann verkürzt werden darf, wenn durch starkes Heizen oder durch besondere günstige Umstände ein schnelleres Austrocknen herbeigeführt worden ist. Man befördert das Austrocknen durch Aufstellen von Kokskörben und hat auch für diesen Zweck transportable Heizapparate konstruiert, welche einen ausgiebigen Strom stark erhitzter Luft gegen das Mauerwerk treiben. Gesunde Wohnungen können ungesund werden, wenn einzelne Räume nachträglich in andrer Weise benutzt werden, als ursprünglich vorgesehen war, wenn z. B. niedrige Hängeböden als Schlafräume dienen müssen, wenn in benachbarten Räumen Stallungen eingerichtet werden etc. Die B. verlangt daher, daß in den dem Antrag auf Bauerlaubnis beigefügten Bauzeichnungen der beabsichtigte Nutzungszweck für die einzelnen Räume angegeben und daß vor jeder Ver-^[folgende Seite]