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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Großbritannien (Geschichte 1888, 1889)
rischen Ermordung des Lords F. Cavendish und des Unterstaatssekretärs F. Burke im Phönixpark zu Dublin (Mai 1882; vgl. Bd. 7, S. 835) beweisen sollten, und sie hatte demnächst in einer längern Artikelserie unter dem Titel: I'aiiieili^in ^nä ci'iiu^ (»Parnellismus und Verbrechen«) zu zeigen versucht, daß Parnell und die andern parlamentarischen Führer der
in Verbindung gestanden hätten und für die in Irland geschehenen Verbrechen mit verantwortlich seien. Parnell selbst hatte jene Vriefe in und außerhalb des Parlaments sür gefälscht erklärt; es war auch der von Gladstone unterstützte Versuch schon 1887 gemacht worden, die I'ime«« für ihre Veröffentlichung wegen Privilegienbruchs zur Verantwortungzuziehen; allein das war vom Unterhaus abgelehnt worden. Dann hatte im I. 1888 Mr. O'Donnell, ein wenig bekannter irischer Abgeordneter, der gleichfalls in jenen Artikeln gelegentlich genannt war, die ^im68« wegen Verleumdung belangt, war aber durch Urteil der Queen's Bench vom 5. Juli 1888 aus formellen Gründen abgewiesen worden. In diesem Prozeß waren jeneBriefedurchdenAnwaltder^im68« verlesenworden, und daraus nahm Parnell 6. Juli Veranlassung, im Unterhaus noch einmal die ihn betreffenden Dokumente für offenbare und absurde Fälschungen zu erklären und 12. Juli die Ernennung eines Ausschusses des Hauses anzuregen, welcher, da die »^im Ls« an der Echtheit der Briefe festhielt, diese Frage einer Untersuchung unterziehen sollte. Die Regierung ging eifrig auf diese Anregung ein, aber nur, um ihr eine viel weiter gehende und von Parnell keineswegs beabsichtigte Ausdehnung zu geben. Sie legte dem Haus einen Gesetzentwurf vor, behufs Einsetzung einer richterlichen Konnnission zur Prüfung nicht bloß jener Briefe, sondern aller in den: Prozeß O'Donnells gegen die »lime^ von den Beklagten gegen gewisse Mitglieder des Hauses ausgesprochenen Anklagen und Beschuldigungen; die Kommission, aus drei 3teichsoberrichtern bestehend, sollte mit umfassenden Vollmachten für die Untersuchung ausgestattet werden und schließlich, ohne zur Verhängung einer Strafe berechtigt zu sein, ihr Urteil in einem Bericht, der notwendigerweise das ganze Vorgehen von Land- und Nationalliga mit betreffen mußte, an Haus und Regierung zusammenfassen. Dieser am 16. Juli eingebrachte Gesetzentwurf, obwohl von Parnelliten und Gladstonianern heftig bekämpft, wurde 8. Aug. in: Unterhaus mit 180 gegen 64 Stimmen in dritter Lesung angenommen und ging 11. Aug., zwei Tage vor dem Schluß der Sommersession, auch im Oberhaus durch.
Die Sitzungen der Kommission, zu deren Präsidenten Sir James Hannen ernannt wurde, begannen 17. Okt., und das ganze Verfahren erhielt sofort den Charakter eines Prozesses, in welchem die »^iiue8< die Nolle des Anklägers spielte und die irischen Parlamentsmitglieder als Angeklagte auftraten; als Vertreterder»^iiu68 fungierte Sir R.Webster, der Generalstaatsanwalt (Httoine^-genoial) der Regierung.
Die Verhandlungen zogen sich mit der ganzen schleppenden Langweiligkeit, welche mit dem englischen Prozeßverfahren verbunden werden kann, monatelang hin, und sie gewannen ein höheres Interesse erst im Anfang des Jahrs 1889, als die angeblichen Briefe Parnells und seiner Freunde selbst in die Untersuchung gezogen wurden. Diese Prüfung aber hatte ein Ergebnis, welches der Regierung ebenso unerwartet wie unerwünscht war. Der Geschicklichkeit des ersten Verteidigers der Iren, des liberalen Parlamentsmitglieds Sir (5H. Russell, gelang es, fest zustellen, daß die ^imes jene Briefe sür große Geldsummen, wenn auch in gutem Glauben, so doch allzu leichtgläubig, von einem übel beleumundeten Schriftsteller, Namens Richard Pigott, erworben hatte, und diesen selbst im Kreuzverhör so in die Enge zu treiben, daß er 23. Febr. die von ihm begangene Fälschung eingestand und die Flucht nach Spanien erarisf, wo er in Madrid durch Selbstmord endete. Dieser Ausgang der Sache war ein schwerer Schlag für die Regierung und trug unendlich viel dazu bei, das Ansehen Parnells auch in England selbst zu erhöhen.
Das Prozeßverfahren selbst wurde zwar von den Vcr! kretern der »^imek mit andern Beweismitteln fort! gesetzt, aber die Verhandlungen wurden immer langweiliger und belebten sich nur da noch einmal, als dic! irischen Abgeordneten Mann für Mann sich selbst als! Zeugen vernehmen ließen, um eidlich ihre UMMd an den ihnen zur Last gelegten Vergehen zu beteuern.
! Am 16. Juli 1889 zogen sich Parnells und seiner Mitangeklagten Anwälte ganz von dem Prozeß zurück; die Kommission vertagte sich 25. Juli bis 24. Okt.
Die auswärtige Politik der britischen Regierung bewahrte während der Jahre 1888 und 1889 ihren vorsichtig abwartenden Charakter und war in Europa hauptsächlich auf die Erhaltung der bestehenden Verhältnisse und des allgemeinen Friedens gerichtet. Die Beziehungen zwischen G. und Amerika, schon durch die Verwerfung des oben erwähnten Fischereiuertrags etwas gespannt, verschlechterten sich noch weiter, alsim Oktober1888 die Regierung der Vereinigten Staaten die Abberufung des englischen Gesandten Lord Sackville in Washington in sehr brüsker Weise erzwang, weil dieser sich in einem unvorsichtigen Priuatbrief über innere Vorgänge in Amerika ausgelassen hatte; im Sommer 1889 kamen neue, noch unausgeglichene Differenzen hinzu, als amerikanische Zollkutter eine Reihe englisch-kanadischer Fahrzeuge, welch ein den Gewässern von Alaska u. der Beringsstraße den Robbenfang betrieben, mit Beschlag belegten. In Äg y pfen hielt England seine Stellung fest, obwohl Frankreich dieselbe nach wie vor mit Eifersucht betrachtet uuddieser Eifersucht auf Kosten der ägyptischen Steuerzahler dadurch Ausdruck gab, daß' es im Frühjahr 1889 einer Konvertierung der ägyptischen Staatsschuld seine Zustimmung verweigerte. Die Notwendigkeit einer Fortdauer der englischen Okkupation Ägyptens zeigte sich nicht lange danach, indem ein etwa 3000 Mann starkes Heer der sudanesischen Derwische unter Führung des Wad el Njumi in Ägypten einrückte und nilabwärts marschierte; es wurde von der englisch-ägyptischen Armee unter General Grenfell 3. Aug. 1889 bei Toski am Nil geschlagen und fast vollständig aufgerieben. Diebemerkenswerteste Seite der englischen Politik aber war seitdem dritten Viertel des Jahrs 1888 eine allmähliche Annäherung an Deutschland, die gegen das Ende des Jahrs nur ganz vorübergehend durch einen persönlichen, in den Zeitungen über Gebühr breitgctretenen Streit zwi schen dem britischen Botschafter in St. Petersburg.
Sir R. Morier, und dem Grafen Herbert Bismar Ä gestört wurde. Infolge des ostafrikanischen Aufstandes, der im September 1888 im deutschen Kolonialgebiet ausbrach, kam es zwischen G. und Deutschland zu einer Abkunft behufs Unterdrückung des Sklavenhandels und Verhinderung der Einfuhr von Waffen in Ostafrika, und an der Blockade, welche 30. Nov. über die zum Sultanat von Sansibar gehörige Küste! des ostafrikanischen Festlandes verhängt wurde, be! teiligte sich die englische Flotte in Gemeinschaft mit! der deutschen. Auch in dem Samoakonslill, dc<5