673
Privatposten
jung, als daß über ihre Thätigkeit oder ihren Erfolg ein "Urteil gefällt werden könnte. In Deutschland, ivo die Staatspost den Paketdienst besorgte, wurde cs der Privatunternehmung schwer, festen Fuß zu fassen. Als ersten Versuch m dieser Beziehung richtete die Norddeutsche Paketbeförderungs-Gesellschaft nach der durch Bundesgesetz vom 2. Nov. 1867 erfolgten Aufhebung des Postzwanges für Pakete, Wert- und Geldsendungen 1868 in Berlin ein Aktienunternehmen im großen Stil ein, welches den Paketdienst zwischen den größern Städten Deutschlands nicht nur, sondern auch zwischen deutschen Städten und Plätzen des Auslandes besorgen und, den Ankündigungen gemäß, 25-50 Proz. billiger arbeiten sollte als die Post. In den bedeutendern Plätzen wurden Agenturen, in minder bedeutenden bloße Annahmestellen eingerichtet; die eingelieferten Pakete wurden nach ihren Bestimmungsorten sortiert, alle noch demselben Bestimmungsort gerichteten Pakete in Körbe oder Säcke verpackt, mit der Eisenbahn oder sonstiger Beförderungsgelegenheit als Eilgut an die Empfangsagentur befördert und von dort den Adressaten zugeführt. Ein Vergleich der ausgegebenen Tarife dieser Gesellschaft mit den Posttarifen ließ aber bald erkennen, daß für Pakete bis zum Gewicht von 15 k^ auf Entfernungen von5 - 10 Meilen die beiderseitigen Portosätze gleich waren; weiterhin bei zunehmendem Gewicht und zunehmender Entfernung war der Unterschied in den beiderseitigen Sätzen nicht erheblich. Dies und Unregelmäßigkeiten in der Beförderung, entstanden durch Unzuverlässigkeit des Personals, da bei Auswahl der Agenten'nicht Befähigung, sondern vielmehr die Beteiligung in Zeichnung von Aktien maßgebend gewesen war, bewirkten, daß das Publikum sich von der Gesellschaft abwandte, welche nach nicht ganz dreijährigem Bestehen sich auflöste. Kleinere Unternehmungen derselben Art dagegen, welche sich nur mit der Beförderung von Paketen zwischen bestimmten Orten befaßten, hielten sich; es waren deren !886: 59 vorhanden, und ihre Zahl mag heute noch annähernd dieselbe sein. Sie haben alle nur einen mäßigen Verkehr, zumal durch Reichsgesetz vom 17. Mai '1873 das Postporto der Pakete bis zum Gewicht von 5 kA für Entfernungen bis zu 10 Meilen auf 25 Pf., für alle weitern Entfernungen auf 50 Pf. ermäßigt worden ist. Der erste Versuch, P. mit erweiterter Thätigkeit, meist Privatstadtposten genannt, einzurichten, wurde 1873 in Berlin gemacht, wo die Schreibersche Brief- und Druckschriftenerpedition mit der ausgesprochenen Absicht, der Staatspost Abbruch 5U thun, Briefe und Druckschriften im Ort für 2 Pf. das Stück beförderte. Diese im Volksmund Zwei' pfennigpost genannte Einrichtung ging schon 1874 ein. Seitdem find in etwa 35 größern deutschen Städten unter den verschiedenartigsten Benennungen P. gegründet worden. Die Unternehmer lehnten sich in den Betriebsverhältnissen mit mehr oder weniger Erfolg an die staatspostlichen Formen an und versuchten, durch niedrige Tarife die Konkurrenz mit der Staatspost aufzunehmen. Nach meist nur kurzem Bestehen gingen viele Anstalten wieder ein, und Anfang 1890 bestanden in folgenden deutschen Städten noch P.: Berlin, Bochum, Braunschweig, Chemnitz, Dresden, Erfurt, Frankfurt a. M., Gießen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Karlsruhe i. B., Köln, Magdeburg, Mainz, Straßburg i. E., Wiesbaden.
Sie alle, mit Ausnahme des Berliner Unternehmens, fristen ein kümmerliches Dasein; eine Hauptem-Meyer» Konv. - Lenkon. 4 Aufl.. XVIi. Bd.
natnnequellc vieler ist, daß ihre Wertzeichen von Markensammlern gekauft werden. Diejenigen P.. welche an ihre Aufgabe mit Ernst und gutem Willen herangetreten sind, haben keinen Erfolg gehabt, einmal, weil die Gründer in finanzieller Beziehung von falschen Voraussetzungen ausgegangen sind, und dann, weil ihre Leistungen in keiner Weise genügen. Di? weitaus größte Zahl der P. ist mit zu geringen Kapitalien gegründet worden, als daß die zu einem großartigen Betrieb erforderliche Ausrüstung hätte beschafft und ein tüchtiges Personal gewonnen und bezahlt werden können. Ferner glaubten die Begründer der Anstalten, mit einem billigern Tarif auszu^ kommen als die Post. Das ist aber ein Irrtum, denn selbst der letztern ist es nicht möglich, bei der zwölfmaligen täglichen Bestellung, bei dem großen Fuhrpark, ferner bei der Konkurrenz, die das Ferm sprechwesen dem Stadtbriefwesen macht, das Stadtbriefporto, welches in Berlin 10 Pf., in den übrigen Städten 5 Pf. beträgt, zu ermäßigen. (In Paris ist die Stadtbrieftaxe auf 15 Cent. festgesetzt, also 2^2 Cent. mehr als in Berlin, und in England kostet ein Stadtpostbrief ganz allgemein 1 Penna - 10 Pf.) Die Herabsetzung des Stadtbriefportos auf 5 Pf.
, würde für Berlin allein jährlich einen Ausfall von! 1,500,000 Mk. bedeuten. Die unbefriedigenden Leistungen der P. haben ihren Grund in dem Mangel eines tüchtigen, geschäftsgewandten und zuverlässigen Personals, welches nur durch die Schule der Erfahrung zu gewinnen ist. Auf diesem Gebiet war der Wettbewerb mit der Staatspost von vornherein aussichtslos; die Klagen über verspätete Bestellung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Verlustfälle:c. häuften sich und erschütterten das Vertrauen des Publikums.
Das einzige leistungsfähige Unternehmen, welches einen gewissen Erfolg aufzuweisen hat, ist die Berliner Paketfahrtgesellschaft. Im I. 1884 mit einem Grundkapital von 680,000 Mk. (seit 1887 auf 1 Mill.
Mk. erhöht) ins Leben gerufen, richtete die Gesellschafti zunächst einen Paketdienst in Berlin und dessen Voi ^ orten ein, dehnte denselben dann, ebenso wie die oben! erwähnte Norddeutsche Paketbeförderungs-Gesell! schaft, auf mehrere große Plätze (62 im I.'i889) deö Reichs aus und besorgte daneben in der Reichshauptstadt die Beförderung von Reisegepäck von und zn den Bahnhöfen, Spedition und Eilgutverkehr nach dem In- und Ausland, Briefbeförderung und Bc förderung von Drucksachen, Zirkularen 2c. inner Hall, des Stadtbezirks Berlin und Einziehung von Quittungen, Rechnungen, Versicherungspolicen, Vereinsbeiträgen 2c. Seitdem die Gesellschaft auch noch Omnibuslinien (5) für Personenbeförderung eingerichtet hat, nennt sie sich Neue Berliner Omnibus-und! Paketbeförderungs-Aktiengesellschaft. Im Geschäfts'^ jahr 1888/89 betrug ihre Gesamteinnahme 1,652,783 Mk. (davon entfallen auf den Paket- und Briefbetrieb 162,057 Mk.), die Gesamtausgabe 1,350,026 Mk.; der Bruttogewinn belief sich auf 317,269,4 ^> Mk., so daß nach den üblichen Abschreibungen ein Nettoüberschuß von 76,686,5i Mk. vorhanden war. welcher die Verteilung einer Dividende von 6 Proz. an die Aktionäre gestattete, während die erste überhaupt gezahlte Dividende im Geschäftsjahr 1887/88 nur 1'/2 Proz. betragen hatte. Die Gesellschaft hat nach ihrem Geschäftsbericht im I. 1888/89:1,745,224 Pakete (einschließlich des Gepäcks der Reisenden) befördert. Dem gegenüber sei bemerkt, daß die Staatspost über 100' Mill. Pakete jährlich befördert, und daß davon auf Berlin allein nahe an 17 Mill. entfallen. Diese Ziffern und die Bemerkung in dem
43 ''