Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

377

Gesundheitspflege (Konservierung von Fleisch etc. durch Kälte)

meinden würden schon durch die Entlastung der Krankenhäuser den Lohn für die auf Einrichtung derartiger Anstalten verwandten Kosten und Mühen einheimsen etc. Jedenfalls müsse auch die Selbsthilfe herangezogen werden, und es sei wünschenswert, daß sich an allen Orten Vereine bildeten, welche die Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke sich zur Aufgabe stellten. Die Diskussion, welche sich an den Vortrag knüpfte, brachte keine wesentlichen Meinungsverschiedenheiten zum Ausdruck, vielmehr wurden nur Erfahrungen und Beobachtungen mitgeteilt. Im allgemeinen wurde konstatiert, daß die Bestrebungen, Sanatorien großen Stils zu errichten oder Vereinigungen großen Umfanges (etwa nach Art der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) behufs Förderung der Sache zu begründen, bis jetzt erfolglos geblieben sind, daß sich dagegen Versuche im kleinen, also Unterbringung der einzelnen Kranken auf dem Lande, in Luftkurorten etc., wohl bewährt haben. Die Kosten für eine derartige Unterbringung haben sich auf die Höhe von 2-2,5 Mk. täglich für den Kopf gestellt. Zum Schluß nahm die Versammlung einstimmig eine Resolution an, des Inhalts: »Die 17. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche G. empfiehlt die Bildung von Vereinen, welche sich die Errichtung von Volksheilstätten für bedürftige Lungenkranke zur Aufgabe stellen.«

In der zweiten Sitzung sprach Hofmann-Leipzig über Kühlräume für Fleisch und andre Nahrungsmittel. Anknüpfend an die gegenwärtigen hohen Lebensmittelpreise, welche in auffallender Weise mit der Verminderung der Geburts- und der Erhöhung der Sterbeziffern sowie mit der Verminderung der Qualität der Lebensmittel Hand in Hand gehen, wies Vortragender auf die Verluste hin, welche die Lebensmittel auf dem Wege vom Produzenten zum Konsumenten durch Verderbnis erleiden. Dieser Verlust betrage sicher 10 Proz. Dabei kann man berechnen, daß jeder Bewohner 10 Mk. für verdorbene, nicht verwendbare Lebensmittel ausgeben muß. Diese Ausgabe kann mindestens auf die Hälfte herabgedrückt werden durch eine rationelle Lebensmittelpflege, und deshalb müssen die großen Städte unbedingt an Errichtung von Markthallen, Schlachthäusern etc. denken. Die Markthallen brauchen nicht monumentale Bauten zu sein, es genügen luftige, bequem zu reinigende Räumlichkeiten mit guten Zufahrten und geschützten Abladeplätzen, möglichst ohne Galerien, von denen sich bakterienhaltiger Staub durch den untern Raum der Halle verbreitet. Aber selbst die beste Markthalle reicht für den genannten Zweck nicht aus, es bedarf besonderer Konservierungsvorrichtungen für Fleisch, Fische etc., und von allen bis jetzt bekannten Konservierungsmethoden kommt nur die Anwendung von Kälte in Betracht. Bei gehöriger Abkühlung wird die Lebensthätigkeit der die Zersetzung erregenden Bakterien aufgehalten, ja unterbrochen, und es hat sich gezeigt, daß eine Temperatur von wenigen Graden unter dem Gefrierpunkt am günstigsten wirkt. Bei der Anwendung der Kälte kann es sich naturgemäß nur um abgeschlossene Kühlräume handeln, in welchen die zu konservierenden Dinge aufbewahrt werden, bis sie in den eigentlichen Marktverkehr gelangen. Diese Räume nun mit Eis zu kühlen, erscheint nicht zweckmäßig. Schon unsre Eisschränke zeigen Mängel und Übelstände, welche sich im großen noch verstärken würden. Mit Eis ist keine genügende Kälte zu erzielen, die Temperatur schwankt mit der Zufuhr und dem Schwinden des Eises, und die Luft des Kühlraumes ist stets sehr feucht, die Wände und die darin aufbewahrten Gegenstände sind mit einer dünnen Wasserschicht überzogen, was natürlich die Konservierung von Fleisch etc. sehr erschwert. Nur Wein, Bier etc. lassen sich zweckmäßig mittels Eis kühlen. Man muß deshalb Kältemaschinen anwenden, welche eine genügend tiefe und konstante Temperatur zu erreichen gestatten. Von den verschiedenen Methoden der künstlichen Kälteerzeugung hat die Luftkühlung, bei welcher kalte Luft in den Konservierungsraum geleitet wird, mancherlei Übelstände. Es ist oft sehr schwer, eine gleichmäßige Verteilung der kalten Luft in dem Kühlraum zu erzielen, und die eingeblasene Luft enthält Fäulniskeime, die durch Filtrieren zu entfernen sind. Das gefrorne Fleisch, an sich keine Marktware für den Geschmack des Käufers, verdirbt nach dem Auftauen sehr leicht, weil sich bei der Erwärmung Wasser und mit demselben Bakterien auf seine Oberfläche niederschlagen. Sehr gut hat sich die Luftkühlung mit Temperaturen unter 0° beim Transport von Fleisch aus Australien nach Europa bewährt, auch in Festungen hat man damit eiserne Vorräte hergestellt. Für den Marktverkehr aber eignet sich besser eine Kühlung mit sehr stark abgekühlter Salzlösung (-6 bis 10°), die in Röhren durch den Kühlraum geleitet wird und den Raum nur bis nahe an den Gefrierpunkt abkühlt. An diesen Röhren, die man behufs Erzielung gleichmäßiger Temperatur beliebig verteilen kann, schlägt sich die in der Luft des Raumes enthaltene Feuchtigkeit als schneeiges Eis nieder; es erfolgt also auch eine Austrocknung des Raumes, welche der Konservierung weitern Vorschub leistet. Die Leipziger Fleischhallen sind mit einer derartigen Kühlvorrichtung versehen, und man bringt das Fleisch in dieselben unmittelbar nach dem Schlachten, also möglichst keimfrei. Im großen und ganzen empfiehlt sich die geschilderte Methode auch für andre Lebensmittel, nur muß die anzuwendende Temperatur je nach den Waren verschieden sein, und die Kühlräume müssen daher aus getrennten Einzelräumlichkeiten bestehen. Obst und Gemüse sind im Gegensatz zum Fleisch ein schlechter Nährboden für Fäulnispilze, sie haben in der natürlichen äußern Bedeckung ihren Schutz, und die Konservierungsbedingungen sind daher andre. Dagegen muß man Seefische, die überaus schnell verderben, für den Transport völlig gefrieren lassen. In Fischkühlanlagen mit einer Temperatur von 2-3° ist der Aufenthalt für Menschen nicht unbedenklich, und es empfiehlt sich deshalb die Errichtung von Kühlzellen für die Waren, die aber von Menschen nicht betreten zu werden brauchen. Die Kernpunkte seiner Ausführungen faßte Redner in folgenden Sätzen zusammen: Zahlreiche Nahrungsmittel unterliegen infolge ihrer Zusammensetzung einem schnellen und frühzeitigen Verderben. Die Folgen dieser leichten Zersetzlichkeit machen sich geltend: 1) in einer Verminderung des Genußwertes, rasch ansteigend bis zur Ungenießbarkeit, somit in erheblich finanziellen Verlusten für den Geschäftsmann, bez. Preissteigerung für den Konsumenten; 2) in sanitären Nachteilen, die entweder lokal im Darmkanal oder allgemein im Körper auftreten als Folge der Bildung und Resorption schädlicher Stoffe. Die zweckmäßigste und billigste Konservierungsmethode liegt für diese Fälle in der Anwendung der Kälte, erzeugt durch geeignete Kältemaschinen. Die verschiedenen Arten von Lebensmitteln bedürfen verschiedener Kältegrade und Feuchtigkeitszustände der gekühlten Luft, um die Kältewirkung dem Große und Kleinhandel möglichst nutzbar zu machen.