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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Italien (Heer und Flotte, Geschichte)
beurlaubten Offiziere und Mannschaften; in diesem Sinne bestand das stehende Heer Mitte 1890 aus 14,528 Offizieren im Dienst, 4867 in der Reserve, 182 auf Wartegeld etc., zusammen 19,577; an Mannschaften bei den Fahnen 248,539, zur Reserve beurlaubt 1. Klasse 386,757, 2. Klasse 188,208, zusammen 829,504; die Mobilmiliz (unsrer Landwehr entsprechend) zählt 3813 Offiziere, 368,398 Mann; die Territorialmiliz (dem deutschen Landsturm entsprechend) 5838, zum Hilfsdienst 2493, in der Reserve 4251, zusammen 12,582 Offiziere, 1,625,021 Mann, von denen etwas mehr als die Hälfte militärisch ungeschult ist; das Heer auf dem Kriegsfuß würde mithin eine Stärke von 35,972 Offizieren, 2,817,523 Mann erreichen. Anfang des Jahres 1891 zählte das aktive Heer 14,996 Offiziere, unter diesen 164 Generale, 1820 Stabsoffiziere und 4487 Hauptleute. Anfang 1892 ist die Finanzwache militärisch organisiert worden, sie wird nun im Kriege einen integrierenden Teil der Kriegsmacht bilden. Zufolge königlicher Order vom 11. Juni 1891 sind die Truppen in Afrika, welche einen Teil der königlichen Armee bilden, neu organisiert worden. Sie bestehen aus: 1 Kompanie Carabinieri reali, 1 Bataillon zu 6 Kompanien Jäger (Italiener), 4 Bataillonen Infanterie (Eingeborne), 2 Eskadrons Kavallerie (Eingeborne), 2 Batterien Gebirgsartillerie (Eingeborne), 1 Kompanie Festungsartillerie (Italiener), 1 Kompanie Pioniere (Italiener), 1 Luftschiffer- und Eisenbahnabteilung (Italiener), 1 Abteilung Krankenträger (Italiener), 1 Kompanie Train (Italiener und Eingeborne) und haben eine Gesamtstärke von 12 Generalen und Stabsoffizieren, 314 Offizieren, 6122 Mann, 33 Beamten, 1075 Pferden, 12 Geschützen. Seit Juni 1871 bis Ende 1888 sind für die Beschaffung von Handwaffen 162,770,000 Lire ausgegeben und dafür 1,500,000 Gewehre (System Vetterli-Vitali), 35,000 Revolver, 32,000 Kavalleriesäbel, 18,000 Lanzen und 250 Mill. Patronen beschafft worden. Ein Gewehr von 6,5 min Kaliber ist zur Einführung angenommen worden. - Marine. Seit 1886 hat die Flotte einen Zuwachs von 4 Panzerschlachtschiffen, 13 Kreuzern, 32 Avisos, Transportschiffen und Kanonenbooten und 43 Torpedofahrzeugen gehabt. Nachdem die drei gewaltigen Schwesterschiffe Re Umberto 1888, Sardegna (mit 13,680 Ton. Deplacement) 1890 und Sicilia im Juli 1891 vom Stapel gelaufen, sind noch drei Panzerschisse 1. Klasse in Bau genommen worden, welche bestimmt sind, die alten Panzerfregatten aus der ersten Hälfte der 60er Jahre zu ersetzen. Sie sollen jedoch, abweichend vom bisherigen Grundsatz, nach dem Anfang 1892 genehmigten Bauplan nur 9000 Ton., aber eine starke Armierung von acht 45 Ton.-Kanonen und zahlreichen Schnellfeuergeschützen erhalten. Es sollen bis 1896 zur Flotte hinzukommen: 4 Panzerschiffe, 7 Kreuzer, 33 Avisos, 47 Torpedoboote. An Bord der Schiffe sind insgesamt 2024 Kanonen aufgestellt, von denen 1692 Schnellfeuergeschütze sind; 8 Kanonen haben 45 cm, 20: 43 cm Kaliber; an Torpedorohren sind 502 vorhanden. Bis 1896 steht eine Vermehrung um 12 Kanonen schwerster Art, 173 Schnellfeuerkanonen mittlern, 540 kleinern Kalibers, zusammen um 725 Kanonen und 204 Torpedorohren bevor. Die Bemannung ist von 12,000 auf 21,000 gestiegen und wird 1896 rund 28,000 Mann betragen. Das Marinepersonal zählte 1890: 1344Offiziere und Beamte, darunter 521 Seeoffiziere, 142 Ärzte und 80 Deckoffiziere; 16,478 Mann Schiffspersonal, 3951 Mann des Küstenpersonals.
Eine Ergänzung des vorliegenden Berichtet bieten die betreffenden Abschnitte der Artikel: »Erdbeben« (mit Karte), »Illegitimität« (mit Karte) und »Volksvertretung« in vorliegendem Bande.
Geschichte.
Die auswärtige Politik Italiens wurde, wie die neue Regierung vorher angekündigt hatte und wie sich dann durch die Ereignisse des Jahres 1891 bestätigte, durch den Ministerwechsel vom Februar in ihrer Hauptrichtung nicht verändert. Zwar legte der neue Ministerpräsident di Rudini in manchen Äußerungen inner- und außerhalb des Parlaments ein größeres Entgegenkommen gegen Frankreich an den Tag, als sein Vorgänger Crispi gezeigt hatte; allein, wo es auf Thaten ankam, blieb seine Haltung durchaus korrekt und bewegte sich auf den durch die Dreibundsverträge gewiesenen Bahnen. Als im Juni die Irredentisten und die Radikalen auf der ganzen Halbinsel eine lebhafte Agitation gegen diese Verträge ins Leben zu setzen begannen, wurden ihre Versammlungen durch den Minister des Innern auf Grund des Strafgesetzbuches verboten, und Rudini verteidigte seine Politik in den überaus stürmischen Kammersitzungen vom 27. und 28. Juni, die zu den widerwärtigsten Auftritten führten, gegen die Angriffe der Radikalen auf das energischste und unter Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der Kammer. Bald darauf erfuhr man, daß schon in der zweiten Hälfte des Juni die Dreibundsverträge selbst noch vor ihrem Ablauf auf mehrere Jahre erneuert worden waren; und auch in der großen Programmrede, welche Rudini im November in Mailand hielt, sprach er sich Zwar sehr friedlich, aber doch entschieden in dem Sinne aus, daß Italiens Interessen durchaus die Aufrechterhaltung des status quo in ganz Europa und insbesondere im Gebiete des Mittelländischen Meeres erforderten; in dieser Beziehung hatte also auch die 13. Okt. in Monza erfolgte Begegnung zwischen dem russischen Minister des Auswärtigen, Herrn v. Giers, und dem König Humbert sowie seinem Ministerpräsidenten keinerlei Veränderung der italienischen Politik veranlaßt, wenn sie überhaupt angeregt worden war.
Wie sehr diese Haltung seiner Regierung den Wünschen der großen Mehrheit des italienischen Volkes entsprach, zeigte sich denn auch bei einigen Ereignissen des Herbstes sehr deutlich. Als im September von Frankreich aus wiederholte Pilgerzüge nach Rom veranstaltet wurden, und einige dieser Pilger sich 2. Okt. zu papstfreundlichen Demonstrationen hinreißen ließen, die im Pantheon, der Gruftkirche Victor Emanuels, besonders unpassend waren, gab sich der Unwille der römischen Bevölkerung, die sich noch der einstigen Besetzung Roms durch französische Truppen erinnerte, in so lärmenden, nicht bloß gegen die Pilger, sondern gegen Frankreich überhaupt gerichteten Bezeigungen zu erkennen, daß die Regierung einschreiten mußte, der französische Kultusminister aber sich veranlaßt sah, den Bischöfen die Einstellung der Pilgerfahrten anzubefehlen. Und als im November in Rom die Sitzungen des interparlamentarischen Friedenskongresses stattfanden, da hatte zwar kurz vorher der frühere Unterrichtsminister Bonghi in einem nach Deutschland gerichteten Schreiben insofern seine Sympathie für Frankreich zu erkennen gegeben, als er dessen Bestreben, Elsaß-Lothringen zurückzugewinnen, als berechtigt anerkannte; allein gerade dieser Umstand rief dann eine so nachdrückliche Gegenbewegung hervor, daß Bonghi sich deswegen genöthigt sah, vom Präsidium des Kongresses zurückzutreten.
Erhebliche Schwierigkeiten bereitete der Regierung