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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Italienische Litteratur (Belletristik, Litteratur- u. Kunstgeschichte)
denen aber auch ein deutscher Gelehrter eine bedeutende Rolle spielt, der nach Abessinien gegangen war, um eine alte Handschrift zu suchen und sie auch findet. Sonst hat der Roman mehr Ähnlichkeit mit Jules Vernes Erzählungen als mit Freytags Verlorener Handschrift«. Von Romanen verdienen noch Erwähnung G. Vergas »I ricordi del capitano d’Arce«, Emma Arnauds »Condannata«, O. Grandis »Tullo Diana«, Ugo Valcarenghis »Coscienze oneste«, Mercedes »Nella vita« und Enrico Castelnuovos (Graf Pullé) »Troppo amata« und von Novellen und Skizzen des letztgenannten: »Prima di partire« und F. de Robertos »Processi verbali«. Ein sonderbares, aber recht unterhaltendes Buch, das man in kein bestimmtes Fach einzureihen weiß, ist Alberto Cantonis »Un rè umorista«, das auch manche gute Einfälle enthält.
Lyrik. Drama.
Auch auf dem Gebiete der Lyrik ist in diesem Jahre keine hervorragende Leistung erschienen. Als verhältnismäßig lobenswert verdienen genannt zu werden: die »Trent’ anni« betitelte, auch manches Humoristische enthaltende Gedichtsammlung Enrico Castelnuovos, Riccardo Pitteris in Nachahmung antiker Manier gedichteten Sonette »Reminiscenze di scuola«, die »Note liriche« Guido Menascis, die »Fantasie liriche« von Giov. Targioni-Tozzetti, die »Nuovi canti« von Giov. Marradi, der in schöner Form durch Naturschilderungen und Stimmung an Panzacchi erinnert, während die durch Formvollendung ausgezeichneten »Poesie« Guido Mazzonis den begabten Schüler Carduccis verraten. Zu den bessern Schülern Carduccis gehört auch G. Ragusa-Moletti, der schon durch den seinen lyrischen Gedichten gegebenen Titel: »Intermezzo barbaro« sich als Nachahmer der »Odi barbare« ankündigt. Der Schule Carduccis gehören auch die »Poesie« Dario Emers an. Von dem Meister selbst ist nur das patriotische Gelegenheitsgedicht »La Bicocca di San Giacomo« erschienen, das in Italien viele Bewunderer fand. Eine recht gute Anthologie der neuesten italienischen Poesie unter dem Titel: »Dai nostri poeti viventi« gab Frau Eugenia Levi, Lehrerin des Deutschen an der höhern Töchterschule in Florenz, wie es scheint mit besonderer Rücksicht auf ihre Schülerinnen, heraus. Den Freunden der ältern Poesie Italiens können die vorzüglichen Ausgaben der kleinern poetischen Werke Tassos (»I poemi minori di Torquato Tasso«) von A. Solerti, Guido Mazzoni und Carlo Cipolla sowie Ottavio Varaldos Ausgabe der »Lettere e posie inedite e rare di G. Chiabrera« empfohlen werden.
Von den neuesten dramatischen Werken fand den meisten, auch wohlverdienten Beifall Marco Pragas Schauspiel »La moglie ideale«, dem man jedoch einige Nachahmung der »Parisienne« des Franzosen Becque vorwarf. Minder gelungen scheint seine mehr naturalistische, tragisch endende »Innamorata« zusein. Sehr geteilt sind die Meinungen über die gleichzeitig mit der »Innamorata« auf den Brettern erschienene »Signora di Challant« von Giuseppe Giacosa. G. Rovetta schilderte in seinem Drama »Marco Spada« den Kampf eines Journalisten zwischen seiner Berufspflicht und der Liebe zu einer schönen, koketten Frau und wußte trotz mancher Fehler das Publikum lebhaft zu interessieren, während Luigi Illica mit seinem im Mailänder Dialekt geschriebenen Drama »L’eredità del Felis« den Atavismus auf die Bühne brachte und sich als nicht besonders geschickten Nachahmer Ibsens zeigte.
Litteratur- und Kunstgeschichte.
Lebhafte und erfreuliche Thätigkeit herrschte auf dem Gebiete der Litteraturgeschichte. Doch ist keine die gesamte Litteratur umfassende Arbeit erschienen, wenn man nicht etwa »I migliori libri italiani consigliati da cento illustri contemporanei« dafür gelten lassen will. Diese nach englischem Muster zusammengestellten Äußerungen von hundert mehr oder weniger kompetenten Berühmtheiten können immerhin als Ausdruck der Meinung, welche die lebende Generation Italiens von ihrer Nationallitteratur hat, dienen. Ein für die Litteraturgeschichte Italiens im 18. Jahrh. sehr wichtiges und wertvolles Werk verspricht die auf mehrere Bände berechnete Geschichte der arkadischen Akademie (»L’Arcadia dal 1690 al 1890«) vom Präfekten der vatikanischen Bibliothek, Monsignore Isidoro Carini, zu werden, von welcher der erste Band erschienen ist.
Von Werken über einzelne italienische Dichter sind aus der Dante-Litteratur nur Isidore Del Lungos »Beatrice nella vita e nella poesia del secolo XIII« und Corrado Riccis prächtig ausgestatteter Quartband über die letzten Lebensjahre des Dichters (»L’ultimo rifugio di Dante Alighieri«) hervorzuheben. Wenig Neues bietet die »Topografia del viaggio Dantesco« von Giovanni Agnelli, und eine ganz wertlose Kompilation ist der zweite, Dante gewidmete Band von Emilio Pencos »Storia della letteratura italiana«. Eine ziemlich brauchbare, aber auf unvollständigen Studien beruhende Arbeit: »Giambattista Giraldi e la tragedia italiana nel secolo XVI«, lieferte Pietro Bilancini, von dem schon 1889 eine Schrift über Giraldis Novellen erschienen ist. Dem geschätzten Galileiforscher A. Favaro haben wir eine sehr gute Ausgabe der Briefe der Tochter des großen Astronomen mit einer höchst wertvollen Einleitung (»Galileo Galilei e Suor Maria Celeste«) zu verdanken. G. A. Cesareo hat seiner Ausgabe unedierter 120 Briefe und Gedichte Salvator Rosas eine zum Teil aus neuen Quellen geschöpfte Biographie des Dichter-Malers beigegeben. Von Gilbert de Winckels Biographie Ugo Foscolos ist der zweite Band erschienen, dem noch ein Schlußband folgen soll, und Giuseppe Chiarini behandelte aufs neue das unerschöpfliche Thema von Foscolos Liebschaften in »Gli amori di Ugo Foscolo nelle sue lettere«. Eine etwas trockene und schwerfällige Arbeit ist F. Moroncinis »Studio su Leopardi filologo«. Recht interessant und manches Neue bietend ist V. Malamanis biographische Arbeit über Gasparo Gozzi. Einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des Romans lieferte Adolfo Albertazzi mit seinen »Romanzi e Romanzieri del Cinquecento e del Seicento«. A. Borgognoni gab eine Sammlung seiner literarhistorischen Essays unter dem Titel: »Studi di letteratura storica« heraus, Pitré eine sehr vermehrte und verbesserte Ausgabe seiner »Canti popolari siciliani«, und Salvatore Bongi begann die Publikation seines bibliographischen Werkes: »Annali di Gabriel Giolito de’ Ferrari«.
Zur Geschichte des italienischen Theaters sind mehrere bedeutende Werke erschienen: die vermehrte und verbesserte neue Ausgabe von Alessandro D’Anconas »Origini del teatro italiano« in zwei starken Bänden, Benedetto Croces auf sehr gründlichen Studien beruhendes umfangreiches Werk: »I Teatri di Napoli, secolo XV-XVIII«, S. di Giacomos reich ausgestatteter Folioband »Cronaca del teatro San Carlino« und Delfino Orsis fleißig gearbeitete Abhandlungen »Il teatro in dialetto piemontese«.