Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Mond'
liche Neubildungen und Veränderungen auf dem Satelliten unsrer
Erde Veranlassung gegeben. So hat vor einiger Zeit Gaudibert in einem Krater auf dem Nordwestwall
des Ringgebirges Gassendi eine Neubildung zu erkennen geglaubt. Klein aber, der seit 1885 diese
Gegend wiederholt gezeichnet hat, und dessen Zeichnungen mit denen Gaudiberts auffallend gut
übereinstimmen, fand auf seinen Zeichnungen an dem Orte des Kraters, entsprechend den von Gaudibert
angegebenen Trümmer- und Lavamassen, einen niedrigen, den Hauptwall des Gassendi durchsetzenden
Bergrücken und erklärt das Fehlen des Kraters auf den eignen Zeichnungen und das bisherige
Übersehen desselben durch dessen winzige Kleinheit. Mehr Aufsehen noch erregte die Wahrnehmung,
welche Thury in Genf am Krater Plinius machte. Am 13. Sept. 1889 bemerkte derselbe nämlich bei
265facher Vergrößerung, daß die beiden gewöhnlich in der Mitte des Ringwalles sichtbaren Hügel
einer weißen, kreisförmigen Fläche Platz gemacht hatten, in deren Mitte ein dunkler Fleck, an
die Öffnung eines Schlammvulkanes erinnernd, sichtbar war. Ungünstiges Wetter störte die
Beobachtungen, am 3. und 12. Okt. war die weiße Fläche ebenfalls sichtbar, am 1. Nov. aber bot
Plinius den gewöhnlichen Anblick, in seiner Mitte sah Thury zwei an den Rändern einander
durchdringende Krater. Zur Erklärung dieser Veränderungen nahm Thury an, daß das Innere des
Plinius mit Schnee oder Eis erfüllt sei, daß aber heiße Gas- oder Dampfausströmungen aus den
beiden zentralen Kratern ein zeitweiliges Schmelzen dieser Massen bewirken. Dem entgegen hat
Klein darauf hingewiesen, daß schon Gruithuisen und Schmidt den Plinius so gezeichnet haben,
wie Thury, und es sich nicht um physische, sondern lediglich um optische, bei jeder Lunation
regelmäßig wiederkehrende Veränderungen handelt. Kann auch die Möglichkeit, daß noch gegenwärtig
Veränderungen auf der uns zugewendeten Seite des Mondes vor sich gehen, nicht unbedingt in Abrede
gestellt werden, so sind solche doch durch die bisherigen Beobachtungen nicht zweifellos erwiesen;
denn die Auffindung kleiner Objekte, die von frühern Beobachtern nicht bemerkt worden sind, beweist
nichts. Hier, wie bei vielen andern Fragen der Himmelskunde, scheint die Photographie berufen, eine
sichere Entscheidung herbeizuführen. Photographische Aufnahmen
der Mondoberfläche werden aber gegenwärtig auf verschiedenen Sternwarten in ungleich
größerer Vollkommenheit erhalten als früher. Vor allem sind die Aufnahmen der Lick-Sternwarte
ausgezeichnet. Der dortige große Refraktor von 91 cm Öffnung und 17 m Brennweite kann nämlich
durch Einschaltung einer Crownglaslinse vor dem optischen Objektiv in eine große photographische
Camera von 84 cm Öffnung und 14 m Fokalweite verwandelt werden. Das eingehende Studium der mit
diesem Rieseninstrument gewonnenen Mondphotographien durch Weineck in Prag hat auch bereits zur
Auffindung verschiedener Objekte geführt, welche sich weder auf der großen Mondkarte von Schmidt
noch auf den Karten von Lohrmann und Mädler vorfinden. Weineck macht besonders auf zwei aufmerksam,
nämlich eine große, die Wallebene Thebit nahezu meridional durchziehende Rille von etwa 28 km Länge,
die einem Bruch in der Sohle täuschend ähnlich sieht, und auf einen Mondkrater von ungefähr 4,5 km
Durchmesser südlich von der Verbindungslinie Pallas-Triesnecker im Sinus Medii. Das letztere Objekt
hat Holden auf der Lick-Sternwarte auch auf einem ↔ Silberdruck nach einem auf der
Sternwarte in Melbourne 1. Sept. 1873 aufgenommenen Negativ erkannt und 15. Juni 1891 durch das
Fernrohr gesehen. Dieser Krater ist also bereits 1873 vorhanden gewesen, aber gleichwohl in der
Zwischenzeit von keinem der zahlreichen Mondbeobachter gesehen worden; was aber die erwähnte Rille
anlangt, so ist sie weder von Klein noch von dem eifrigen Mondbeobachter Gwyn Elger in Bedford gesehen
worden, noch hat Gruithuisen etwas auf sie Bezügliches aufgezeichnet. Daß sie neu entstanden sei,
ist aber damit noch nicht gesagt.
Eine Nachbildung der typischen Formen der Mondgebirge hat Ebert
dadurch erhalten, daß er geschmolzene Woodsche Metalllegierung (Schmelzpunkt 68°) auf eine nur in
ihren mittlern Teilen durch darunter geleitete Wasserdämpfe erhitzte Metallschale goß; dieselbe
erstarrte dann zuerst am Rande, während in der Mitte flüssige Masse zurückblieb, deren Oberfläche
durch von unten eingeleitete Luft oder durch Dampf bewegt wurde. Das geschmolzene Metall brandet
dabei beständig gegen die erstarrten Teile und fließt zum Teil darüber weg, auf diese Weise einen
kreisförmigen Wall aufwerfend, dessen innere Abdachung einen Böschungswinkel von 35-45° zeigt,
während die Außenfläche unter 3-4° abfällt. Durch den Materialverlust wird die Innenfläche
allmählich tiefer, und die Bildung eines zentralen Kegelberges bezeichnet hier die letzten
Äußerungen der treibenden Kraft. Man kann sich hiernach ohne Mühe vorstellen, wie die Bildung
ringförmiger Berge auf einem allmählich aus dem feurig-flüssigen Zustande erstarrenden Körper,
wie dem M., von statten gegangen ist. Um nicht zur Entwickelung von Gasmassen, die aus dem Innern
aufsteigen, seine Zuflucht nehmen zu müssen, kann man an die Ebbe und Flut erzeugende Anziehung
der Erde als bewegende Kraft denken, die jedenfalls bei der Ausgestaltung des Mondes in einer
Zeit, als seine Rotationsdauer noch nicht in Übereinstimmung mit seiner Umlaufszeit um die
Erde gebracht war, eine hervorragende Rolle gespielt haben muß.
Über die Temperatur der Mondoberfläche sind vor einigen Jahren
von Langley auf der Alleghany-Sternwarte Untersuchungen angestellt worden, deren Ergebnis die
frühern Vorstellungen wesentlich berichtigt. Die Bestimmung der vom M. ausgehenden Wärme bildet
eine der allerschwierigsten Aufgaben der Astrophysik, einesteils wegen ihrer außerordentlichen
Geringfügigkeit, dann weil sie sich zusammensetzt aus den direkt von der Mondoberfläche
reflektierten Wärmestrahlen der Sonne und den Strahlen, welche die von der Sonne erwärmte
Mondoberfläche aussendet, und endlich wegen der durch die oft rasch wechselnde Absorption
der Strahlen in unsrer Atmosphäre hervorgerufenen Veränderungen. Die Versuche von Tschirnhausen,
Lahire u. a. im vorigen Jahrhundert, die Mondwärme mittels großer Linsen oder Brennspiegel
nachzuweisen, blieben bekanntlich erfolglos, und erst 1846 gelang es Melloni, in der klaren
Luft des Vesuvs mit Hilfe des kurz vorher erfundenen Thermomultiplikators eine allerdings
nicht meßbare Quantität Wärme in den Strahlen des Mondes nachzuweisen. Nach verschiedenen
Arbeiten von Piazzi Smith (auf dem Pic von Teneriffa), Tyndall u. a., welche nicht über das
Mellonische Resultat hinausführten, begann Lord Rosse 1869 seine alle frühern Leistungen an
instrumentalen Hilfsmitteln wie an Sorgfalt übertreffenden Untersuchungen, welche zu dem Ergebnis
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 637.