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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Paraguay
Paraguay. Von den 1886 gezählten 329,688 Ve- l wohnern waren 174,000 weiblichen Geschlechts. Dabei sind die 60,000 halbzivilisierten und die 70,000, wilden Indianer nicht gerechnet. Über die Zahl der < Fremden liegen sichere Daten nicht uor. Man schätzt j ihre Zahl auf 17,000, davon 5000 Argentinier, 2500 ! Italiener, 1500 Spanier, 1100 Deutsche, 700 Franzosen, je 600 Brasilianer und Schweizer, 450 Österreicher und Ungarn, 200 Engländer. Die Einwanderung betrug 1888: 1064, 1889: 2395, 1890: 1419. Die Hauptstadt Asuncion zählte 1886 mit Vorstädten 24,038 Einw., die deutsche Kolonie Nueva Germania Ende 1889: 160, die aus romanischen Elementen gebildete Kolonie Villa Haues im Gran Chaco 400. Der Ackerbau macht trotz günstiger Bodenverhältnisse infolge des Mangels brauchbarer Arbeitskräfte geringe Fortschritte; auch wird wenig Sorge für Ausbau und Verbesserung des Wegenetzes getragen.
Dazu kommt, daß infolge von Spekulationen die Bodenpreise unverhältnismäßig gestiegen sind. Doch hat seit 1886 die Kultur der für die Bevölkerung wichtigsten Nährpflanzen: Mais, Mandioka und Bohnen beträchtlich zugenommen, ohne indes dem Bedarf zu genügen. Denn es wurden 1889 eingeführt: 3,710,142 k^ Weizen, 777,219 k^ Weizenmehl, 2,282,272 kß- Mais, 688,747 kg- Reis, 173,699 k^ Kartoffeln. Die Kultur von Kaffee und Zucker deckt gleichfalls nicht den Bedarf, namentlich da das Zuckerrohr fast ausschließlich zur Bereitung von Cassa (Paraguayrum) verwandt wird. Die Baumwollkultur hat man größtenteils wieder eingestellt. Das wichtigste Ackerbauprodukt ist der Tabak, der aber schlecht behandelt wird. Immerhin betrug die Ausfuhr 1886 832,012 Pesos (^ 2,50 Mk.) und 1889 über das Zoll-amt Asuncion allein 477,404 Pesos. Die Ausfuhr von Orangen nach den untern La Plata-Häfen ist im Wachsen. Der Viehstand war 1889: 100,705 Pferde, 790,617 Rinder, 4454 Esel und Maulesel, 84,866 Schafe, 11,659 Ziegen und 9094 Schweine. Noch werden große Mengen von Pferden und Rindern eingeführt. Von den noch wenig ausgenutzten Waldprodukten ist das wichtigste der Paraguaythee (Herva Mate), neben Tabak der Hauptausfuhrartikel des Landes, von dem 1887 für 697,075 Pesos, 1889 über Asuncion allein für 702,290 Pesos ausgeführt wurde.
Die schweren Holzarten des Landes liefern nicht nur Nutzholz, sondern auch Gerb- und Farbstoffe; 1889 wurde über Asuncion für 102,179 Pesos ausgeführt.
Von den Manganlagern bei Ibicuy wurden vor einiger Zeit Proben zur Untersuchung nach Europa gesandt, andre Lager werden nicht bearbeitet.
Die Industrie hebt sich langsam; Sägemühlen, Ziegelbrennereien, Canafabriken, Gerbereien, Zündhölzchenfabriken und Bierbrauereien wurden in den letzten Jahren errichtet. Für die Ausfuhr kommen nur Seife (aus Kokosöl) und Orangenblätteröl in Betracht. Die Einfuhr betrug 1890: 2,726,000, die Ausfuhr3,564,000,dieZolleinnahme1,183M0Pefos.
Das wichtigste Zollamt, über welches 93 Proz. der Einfuhr und 75 Proz. der Ausfuhr gehen, ist Asuncion, dann folgen Villa Concepcion, Villa del Pilar, Villa Encarnacion und San Iose-mi. Auf Deutschland entfällt etwa ein Fünftel der Gesamteinfuhr. Der Handel ist in den letzten Jahren gesunken, und die jetzt schon ungünstige Handelsbilanz wird sich noch schlechter ge statten. Dieselbe hatte sich bis uor kurzem weniger fühlbar gemacht, da die außerordentlichen Einnahmen, welche der Regierung durch den Verkauf der Staatsländereien und der Eisenbahn an ein englisches Konsortium erwachsen waren, verhältnismäßig bedeutende
Summen in Umlauf brachten und den Fehlbetrag deckten. Die Einnahmen betrugen 1890: 1,736,113, die Ausgaben 2,116,357 Pesos. Die Staatsschuld betrug 1. Jan. 1891: 32,969,471 Pesos, wovon auf die innere Schuld 724,485, auf die äußere Schuld 23,701,046 Pesos kamen. Die äußere Schuld wurde durch den Londoner Vertrag vom 4. Dez. 1885 auf 4,038,500 Pesos fuertes Gold (zu 4 Mk.) reduziert, welche Summe während der ersten 5 Jahre mit 2 Proz., während der nächsten 5 Jahre mit 3, dann mit 4 Proz zu verzinsen ist. Vom 11. Jahre an ist außerdem ^2 Proz. zur Amortisation zu zahlen.
Der Schiffsverkehr zeigt eine andauernde Zunahme; 1889 liefen in den Hafen von Asuncion ein: 587 Dampfer und 742 Segelschiffe von zusammen 163,846 Ton., in die übrigen Häfen 685 Dampfer und 1284 Segelschiffe von 20,148 T. Den regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen P. und den Nachbarländern besorgen die Paraguaylinie »Platense«, mit 11 Dampfern von 5943 T., und eine mit 100,000 Pesos Gold von der brasilianischen Regierung subventionierte Dampferlinie zwischen Montevideo und Cuyabä mit 2 Dampfern von 300 T. Außerdem verkehren regelmäßig zwischen Montevideo und Asuncion 9 Dampfer von 2598 T. Die einzige Eisenbahn im Betrieb ist die von Asuncion bis Villa Rica (152 km), fertiggestellt ist außerdem eine 25 km lange Linie bis Capilla Borja, weitere 75 km sind nahezu vollendet. Kontraktlich muß die Bahn von den englischen Unternehmern bis Villa Encarnacion am Parana bis Mai 1894 vollendet sein. Der Eisenbahnverkehr nimmt schnell zu; 1889 wurden 404,777 Reisende befördert. Außer einer Telegraphenlinie längs der Eisenbahn Asuncion-Francisco-cue (203 km) wurde März 1884 eine zweite nach Paso de la Patria (Grenze) fertiggestellt, durch welche P. zum erstenmal mit der Außenwelt in telegraphische Verbindung trat.
Letztere Linie beförderte 1890: 19,461 Telegramme.
Durch 43 Postämter wurden 1889: 757,863 Sendungen befördert. Die Einnahmen für Post und Telegraphen betrugen 1890: 9087, die Ausgaben 21,780 Pesos fuertes. Das stehende Heer zählte 1092 Mann Infanterie und 284 Mann Kavallerie und Artillerie mit 20 Geschützen. Im Kriegsfall wird die Nationalgarde, für welche allgemeine Wehrpflicht besteht, unter die Waffen gerufen. Die Kriegsflotte besteht aus einem Schraubendampfer von 440 T. mit 4 Kanonen und einer Bemannung von 6 Offizieren und 36 Matrosen. Außerdem sind 2 kleinere Dampfer für den Hafendienst und 51 Marinesoldaten vorhanden.
Durch ein Gesetz vom 22. Dez. 1890 wurde der Exekutive die Vollmacht zur Ermunterung und Unterstützung von Ansiedelungen auf Privatländereien erteilt. Das Hauptaugenmerk gilt solchen, die in der Nähe der Villa Rica-Eisenbahn oder an andern, später noch zu bauenden Bahnstrecken liegen. Der Unternehmer hat in seiner Kolonie binnen 2 Jahren nach Unterzeichnung des Kontrakts eine Nerkstätte zur bessern Verwertung der auf seinem Grund und Boden gewonnenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse einzurichten, das den Kolonisten üoerwiesene Land während 3 Jahren unter Kultur zu halten, die Arbeiter auf mindestens 5 Monate mit Wohnung, landwirtschaftlichen Geräten, Arbeits- und Zuchttieren, Sämereien und Lebensmitteln zu versehen und jeder Familie ein zu ihrem Unterhalt genügendes Stück Land zu verkaufen oder zu schenken und ihr außerdem ein zweites, gleich großes Stück vorzubehalten. Dagegen erhält der Unternehmer für jede Familie, die nach dem ersten Jahre als Landeigentümer auf der