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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Pflanzenbewegungen (neuere Untersuchungen)
nächst ältern Schicht, dem Albien oder Gault, angehören, und das Studium der Potomacsiora in Virginien hat Dikotylen aus noch ältern Schichten der Kreide zu Tage gebracht. Neuerdings wurde in den Schichten von Cercal in Portugal, die sich zwischen das versteinerungsführende Cenoman und den obern Jura em.schieben, abgesehen von einigen Kryptogamen und Monokotylen, eine P. sehr häufig gefunden, welche sich ohne Schwierigkeit in die Nähe von ?rowri'di MZ ^4nck?-. stellen läßt. Dieser Typus zeigt sich, wenn auch selten, bereits im untern Lias; Schenk zählt ihn zu den Farnen, Saporta hat ihn bereits früher als primitive Dikotyle angesprochen, und seine Annahme wird durch die Prüfung der neuen Arten von Cercal bestätigt. Die Blätter dieser Art (I'i'owi'i'In MZ (Ho Knti) haben nämlich ein Adernetz von außerordentlicher Feinheit, das mit demjenigen vieler Dikotylen (Ranunkulaceen, Saxifragaceen 2c.) übereinstimmt. Zusammen mit denselben fanden sich mehrere andre Dikotylenblätter, die durch ihre geringen Dimensionen und die etwas unbestimmte Anordnung der Nerven bemerkenswert sind.
Auf der niedrigen Entwickelungsstufe, welche die Funde von Cercal anzeigen, waren die Dikotylen noch schwach differenziert und standen den Monokotylen näher als nach der raschen Entwickelung, die sie ein wenig später nahmen. Sie besaßen eine Nervatur, von welcher heute die Keimblätter, Brakteen, Neben- und Hüllblätter Beispiele darbieten, und standen den krautartigen Typen näher als den baumartigen mit ihrer schärfer ausgeprägten und befestigten Nervatur.
Pflanzenbewegungen. Die merkwürdigen Bewegungserscheinungen der Sinnpflanze (Nimosa. puäica.), welche bei Erschütterung oder Verwundung eines Vlattteiles derselben eintreten, gehören zu den am längsten bekannten und bestuntersuchten Lebensvorgängen der Pflanzen (s. Pflanzen, Bd. 12). Nach den Forschungen von Sachs und Pfeffer schien es zweifellos festzustehen, daß die Fortleitung des Reizes von einem Fiederblättchen zu andern Abschnitten des nämlichen Blattes oder zu denen mehr oder weniger von der Reizstelle entfernter Blätter durch eine Wasserbewegung innerhalb des Holzteiles der Gefäßbündel veranlaßt werde. Schneidet man nämlich mit einem scharfen Messer in den Stamm einer kräftig wachsenden Sinnpflanze ein, so beobachtet man beim Eindringen des Instruments in den härtern Holzteil das plötzliche Hervortreten eines wässerigen Tropfens aus der Wunde, worauf die Reizbewegung der nächstbenachbarten Blätter in starkem Grade eintritt. Sachs nahm zur Erklärung der Erscheinung zwei in der ungereizten Pflanze einander das Gleichgewicht haltende Druckkräfte an, von denen die eine in den Wasserleitungsbahnen des Holzes, die andre in dem Schwellkörper der Bewegungsgelenke am Grunde der Blattstiele ihren Sitz hat; sobald durch die Verwundung jenes Gleichgewicht gestört wird, stießt das Wasser im Holz aus der Wundstelle aus, die Schwellkraft (der sogen.
Turgor) in dem Parenchym des Bewegungsgelenkes bewirkt daher auch in diesem ein Austreten von Wasser, und die Turgorabnahme des Gelenkpolsters bedingt in weiterer Folge die äußerlich wahrnehmbare Bewegung der Blattstiele. Pfeffer widerlegte zunächst die an sich mögliche Annahme, daß die Fortpflanzung des Reizes in besondern, reizbaren Zellenzügen innerhalb der Gefäßbündel stattfinde, durch Versuche, bei denen er an kleinen, mittlern Partien der sekundären Blattstiele durch Chloroform oder Äther das Zellprotoplasma unempfindlich machte;
trotzdem setzte sich der Reiz auch über die unempfindlich gemachten Stellen fort. Während der infolge von Verwundung eintretende Reiz nach Pfeffer auf Wasserentziehung zurückgeführt wird, erklärt sich die auf Stoßreiz erfolgende Bewegung der Mimosenblätter durch Zufuhr von Wasser, das aus dem gereizten Gelenk in das wasserleitende Gefäßbündel übertritt. Wie Sachs nahm auch Pfeffer den Holzteil des Gefäßbündels als die eigentliche Reizleitungsbahn an. Nachdem neuere Untersuchungen die direkte Verbindung der Plasmakörper benachbarter Zellen durch feine Plasmafäden (s. Pflanzenzelle) festgestellt hatten, lag es nahe, auch bei der Sinnpflanze die Reizleitung in diesen Plasmaverbindungen zu suchen, ein Gedanke, der zuerst von Oliver ausgesprochen wurde. Haberlandt unternahm dann mit ausdrücklicher Rücksicht auf diese neuen Gesichtspunkte eine gründliche anatomische und physiologische Untersuchung des reizleitenden Gewebes der Mimose.
Zunächst gelang es ihm, anatomisch festzustellen, daß in den Blattstielen, Gelenkpolstern und Stengelteilen der Pflanze innerhalbdes Weichteiles (Leptom) ihrer Gefäßbündel lange, schlauchfö'rmige, in Längsreihen übereinander stehende Zellen vorhanden sind, welche auf den sie trennenden Querwänden einen einzigen, sehr großen, fein porösen und an den Poren von Plasmaverbindungen durchsetzten Tüpfel haben.
Die von frühern Beobachtern als Wassertropfen bezeichnete Flüssigkeit entquillt nicht, wie jene annahmen, dem Holzteil, sondern den von Haberlandt näher beschriebenen Schlauchzellen; auch besteht der Tropfen nicht nur aus Wasser, sondern enthält neben Schleim einen kristallisierbaren, organischen Stoff, der den Glykosiden nahe Zu stehen scheint. Die in Rede stehenden, schlauchförmigen Zellen erwiesen sich weiter als das den Reiz fortleitende Gewebe. Wurde nämlich eine kleine, 4-10 mm lange Zone einzelner Blattstiele an kräftigen Versuchspflanzen durch Abbrühen mittels heißen Wasserdampfes getötet und die so behandelten Exemplare durch 24stündiges Einstellen in einen sehr feuchten Treibkasten wieder zu normaler Ausbreitung ihrer Fiederblättchen gebracht, so konnte durch Einschneiden in ein Fiederblatt oder in einen Blattstiel der Reiz fast ausnahmslos auch über die abgebrühte, jedoch für Wasser und Zellsaft passierbare Blattstielzone fortgepflanzt werden. Dieser Versuch beweist schlagend, daß die Neizfortpflanzung nicht durch ein System zusammenhängender Plasmakörper vermittelt wird, da dieselben an der abgebrühten Stelle getötet waren; anderseits zeigt er aber auch, daß die Reizfortpflanzung auf einer durch den Schnitt herbeigeführten Gleichgewichtsstörung des hydrostatischen Druckes im Weichteil der Gefäßbündel beruht, die sich auch über die getötete Zone fortzusetzen vermag. Da der äußerlich wahrnehmbare Ausdruck dieser Gleichgewichtsstörung der aus den Schlauchzellen erfolgende Austritt des Zellsafttropfens ist, so muß das genannte Gewebe auch als Sitz der Reizleitung betrachtet werden. Die Verbreitung dieser reiz- oder besser druckleitenden Elemente innerhalb der Sinnpflanze beansprucht somit ein hervorragendes Interesse. Die in ein Fiederblatt eintretenden Schlauchzellen stehen in lückenlosem Verband mit denen des gegenüberliegenden Blättchens, das bei Reizung des erstern zunächst durch Bewegung zu reagieren pflegt, indem Knotenpunkte in den Anheftimgsstellen jedes Blattpaares gebildet werden und damit die Reizleitung auch in der Querrichtung ermöglicht wird. Im Gelenkpolster grenzen die reizleitenden Elemente häufig