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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Regen (Niederschlagsbildung)
stimmen, wogegen sie für die Erklärung der notwendigen Aufeinanderfolge der Erscheinungen, die wechselnden Erscheinungen des Wetters und ihre Ursache keinen Anhalt liefern. Den neuesten Arbeiten war es vorbehalten, in dieser Hinsicht über manche Vorgänge Licht zu verbreiten, wobei freilich früher allgemein angenommene Anschauungen zum Teil als unrichtig erkannt und durch neue ersetzt wurden.
Eine Erscheinung, bei welcher dieses letztere zutrifft, ist nach den Untersuchungen von v. Bezold die Bildung der atmosphärischen Niederschläge. Früher wurde dieselbe der Mischung ungleich warmer und mit Wasferdampf gesättigter Luftmengen zugeschrieben, indem man annahm, daß, wenn warme, feuchte Luft emporsteigt, sich dieselbe mit den obern kältern Luftschichten mischt und bei der dann eintretenden Abkühlung eine Kondensation des Wasserdampfes erfolgt, welche das überschüssige Wasser entweder in der Form von Nebel oder Wolken oder als R. oder Schnee erscheinen läßt. Diese Betrachtung, welche schon vor 100 Jahren der Engländer Hutton angestellt, hat den Grund zu der lange bestehenden Ansicht gelegt, daß die Hauptursache für die Bildung von atmosphärischen Niederschlägen in derartigen Mischungen zu suchen sei. Aus einer genauern Erwägung ergibt sich aber, daß diese Erklärung nicht genügt, denn wenn zwei gleiche Volumen Luft von verschiedener Temperatur gemischt werden, erhält die Mischung nur in dem Falle, daß die Luft keine Feuchtigkeit enthält, eine Temperatur, welche zwischen denen der beiden gemischten Volumen gerade in der Mitte liegt; feuchte Luft erhält dagegen eine höhere Temperatur, weil, sobald das Ausscheiden des Wasserdampfes anfängt, Wärme frei wird, welche eine Temperaturerhöhung zur Folge hat. Daher wird zwar die Mischung von feuchter und verschieden warmer Luft unter Umständen eine Temperaturabnahme bis unter den Taupunkt der Mischung bewirken, so daß ein Ausscheiden des Wasserdampfes eintreten muh; doch wird das fo gering fein, daß dadurch die großen Wassermengen der atmosphärischen Niederschläge nicht erklärt werden können. Im allgemeinen lassen die Wolken auch schon an ihrer Form erkennen, daß sie nicht durch Mischung verschieden warmer Luft entstanden fein können, denn in diesem Falle würdm sie an ihrer äußern Oberfläche, wo die Mischung anfängt und am stärksten sein müßte, auch am dichtesten sein, was durchaus nicht der Fall ist.
In seltenen Fällen werden zwar Wolken durch Mischung von verschieden warmer Luft entstehen; doch sind dazu besondere Verhältnisse erforderlich, wie sie z. B. in Gebirgsgegenden vorkommen, wo zuweilen ein warmer Luftstr'om bei seinem Aufsteigen von kältern Winden getroffen wird und dadurch leichte Wolkenfahnen erzeugt werden. Dabei bildet sich aber immer nur ein leichtes Gewölk, aus welchem kein R. fallen kann. Auch die Schäfchenwolken, welche bei ihrem ersten Entstehen meist als Bänder von gleicher Breite erscheinen, bis sie sich durch Querfurchen in die bekannten Schäfchen auflösen, sind als ein Produkt der Mischung anzusehen. Nach den Untersuchungen von v. Helmholtz müssen sich in allen Fällen, in welchen Luftströme mit breiter horizontaler Berührungsfläche verschiedene Geschwindigkeit besitzen, Wellenbewegungen bilden, und wenn die Luftströme viel Feuchtigkeit enthalten und verschiedene Ten-peratur besitzen, so müssen bei ihrer Mischung Kondensationen eintreten, welche als bandartige Wolkenstreifen sichtbar werden. Aber auch diese werden nicht so viel Feuchtigkeit ausscheiden, daß irgend
ein bedeutenderer Niederschlag entstehen kann, besonders auch weil diese Wolken sich vorzugsweise in großer Höhe bilden, wo die Luft nur wenig Wasserdampf enthält.
Diefe Fälle, in denen die Wolken ihre Entstehung der Mischung verschieden warmer Luft verdanken, geben uns keine Erklärung für das starke Ausscheiden von Wasserdampf, wie es für heftige Regengüsse erforderlich ist. Die moderne Theorie der Niederfchlagsbildung knüpft an die Entstehung des Föhns an, welcher als warmer und trockner Wind besonders im Frühjahr und Herbst in den nördlichen Alpenthälern auftritt, und zu dessen Erklärung es nach v. Helmholtz und Hann erforderlich ist, daß im S. der Alpen hoher und im N. niedriger Luftdruck vorhanden ist. Die hohe Temperatur und die große Trockenheit bilden Eigenschaften des Föhns, die er erst bei seinem Herabgehen in die Thäler erhält, während er auf der Südseite der Alpen und auf dein Kamme noch als ein kalter und feuchter Luftstrom auftritt, der gewaltige Niederschläge verursacht. Um diese Vorgänge zu verstehen, muß man daran denken, daß, wenn sich Luft ausdehnt, ihre Temperatur abnimmt, also wenn sie viel Wasserdampf enthält, dieser kondensiert werden muß, und daß wenn Luft komprimiert wird, sie sich erwärmt. Wenn nun infolge von verschiedenem Luftdruck im S. und N. der Alpen die Luft gezwungen wird, sich von S. nach N.zu bewegen, muß sie, um den Kamm des Gebirges zu überschreiten, zuerst in die Höhe steigen, wobei sie sich ausdehnen und deshalb abkühlen muß. Solange die Temperatur des Taupunktes noch nicht erreicht ist, entspricht einer Erhebung um je 100 m eine Temperaturabnahme von ungefähr 1" C.; sobald aber die Temperatur bis zu der des Taupunktes gesunken ist und die Kondensation des Wasserdampfes beginnt, wird Wärme frei, und es wird nun etwa die doppelte Steighöhe von 200 m dazu gehören, um eine Temperaturerniedrigung von 1"C. hervorzurufen. Wenn im aufsteigenden Luftstrom die Kondensation des Wasserdampfes anfängt, werden Wolkenbildungen sichtbar, und bei noch höherm Aufsteigen tritt R. ein.
Die Luft, welche den Kamm überschritten hat, wird beim Sinken in tiefere Schichten komprimiert und erwärmt sich dabei für je 100 m Sinken um 1" C., so daß sie, sobald das Herabsinken begonnen hat, nicht mehr mit Wasserdampf gesättigt ist. Dieser Verhältnisse wegen ist es erforderlich, daß die Luft in den Thälern auf der Nordseite der Alpen mit einer höhern Temperatur ankommt, als sie ursprünglich auf der Südseite gehabt hat. »Der Luftstrom also, welcher warm und dampfreich auf dev Windseite des Gebirges in die Höhe steigt, kühlt sich während des Emporsteigens ab und scheidet zugleich einen Teil seines Wassers als R. oder Schnee ab, so daß er kalt und gesättigt den Kamm überschreitet.
Beim Hinabsteigen erwärmt er sich wieder und zwar rascher, als er sich vorher abgekühlt, und kommt daher warm und trocken unten an« (v. Bezold. Die neuere Witterungskunde und die Lehre von der Niederschlagsbildung, in »Himmel und Erde«, Bd. 2, S. 22),
Diese Vorgänge beim Föhn zeigen, daß ein aufsteigender feuchter Luftstrom die Ursache für bedeutende Niederschläge ist, eine Thatsache, für welche außerdem auch noch eine Reihe von Beispielen angeführt werden kann. So sind die heftigen R. bekannt, welche regelmäßig in der Region der Kalmen zwischen den beiden Passaten auftreten und deshalb so bedeutend sind, weil gerade hier der aufsteigende Luftstrom am stärksten ist. Ebenso wird auf den