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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Stadtbahnen (Londoner Stadt- und Vorortbahnen)

don ist erreicht, daß sowohl von Süden auf der London-Chatham-Doverbahn als von N. auf der Metropolitanbahn ankommende Züge bis Moorgate Street gelangen, wie anderseits Vorortzüge in nordsüdlicher Richtung durch London hindurchgeführt werden können. Diese sämtlichen Verkehrs, welche Züge der Nord- und Mittellandbahnen sowie der London-Chatham-Dover- und Südostbahnen betreffen, zu welchen aber ferner noch Züge der Südwestbalm (bis Snow Hill) und der Chatham-Dover-Bahn (bis St. Pauls, Ludgate Hill und Holborn) hinzutreten, weichen von der starren Zugfolge gänzlich ab, da hier örtliche Züge nicht das Tempo bestimmen, und lassen die Mitte des Tages mehr oder weniger frei. Die nördlichen Vororte: Hatfield, Barnet, Enfield, Wood Green, der Alexandrapalast etc., die südlichen: Greenwich, Bickley, Beckenham, der Kristallpalast, Richmond, Wimbledon etc., sind einbezogen, während anderseits zahlreiche Züge zwischen Victoria und den nördlichen Vororten durchlaufend verkehren oder sich auch wohl nur bis an eine der Citystationen bewegen.

Die Bahnhöfe in der Innenstadt (Ringbahn) sind vielfach deshalb nicht leicht aufzufinden, weil ihre Zugänge in Mietshäuserfronten, ohne besondere Kenntlichmachung angebracht sind (Mansion House etc.). Wo es indes die Umstände gestatteten, ist zur Vereinzelung der Stationen geschritten (Temple, Fig. 1 u. 2, Taf. »Stadtbahnen«), die in Bezug auf Ausstattung sonst lediglich nach dem praktischen Bedürfnis eingerichtet sind.

b) Betriebsgruppe der oberirdisch an City und Westend in Kopfstationen endigenden Betriebe. Die Mannigfaltigkeit der hierher gehörigen Betriebe ist eine erstaunliche und für den Unternehmungsgeist des thatkräftigen englischen Volkes in hohem Grade bezeichnend. Eine Aufzählung aller der verschiedenen hierher gehörigen Fälle würde viel zu weit führen. Diese Verkehrsgruppe wird durch den Lauf der Themse in zwei große Abschnitte geschieden, von welchen der nördliche wieder in einen westlichen und östlichen zerfällt. Für letztern kommen als Endbahnhöfe Broad Street, Liverpool Street und Fenchurch Street in Betracht. Die Nord- und Südgruppe sind im übrigen durch die Nord- und Südwestverbindungsbahn, die Westlondonbahn und ihre Erweiterung sowie die Ostlondonbahn in gegenseitige Beziehungen gesetzt. Die von Broad Street (Nordlondonbahn) ausgehenden Verbindungen sind nach den Orten der obern Themse, nach den Docks und Orten der untern Themse und nach den Vororten im Gebiete der Nordbahn ausgedehnt. Die Strecke, welche an den Endbahnhof anschließt, hat täglich 660 Züge (außerdem noch 60 Güterzüge). Der Fahrplan der Nordlondonbahn ist durchaus starr und regelmäßig, soweit der Verkehr sich nach O. und W. bewegt, im erstern Fall, weil er mehr den Charakter des Stadtverkehrs hat, im letztern wegen der Gesetzmäßigkeit des Außenringbetriebes. Die Betriebe auf der erweiterten Stadtbahn zwischen Victoria und den Citybahnhöfen der London - Chatham - Doverbahn und der Südlondonbahn zwischen Victoria und dem Londonbridge - Bahnhof der Brightonbahn mögen noch als besonders wichtige Vorstadtbetriebe hervorgehoben werden. Den bedeutendsten Vorortverkehr hat im übrigen die Ostbahn.

Verkehr. Die innere Ringbahn erfüllt den Zweck einer eigentlichen Stadtbahn nur unvollkommen, wie von einer am Umfang der Binnenstadt entlang, statt durch dieselbe hindurch geführten Stadtbahn nicht anders zu erwarten ist. Da das Verkehrsgebiet

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der innern Ringbahn nicht weit in die Binnenstadt hinübergreift, abgesehen allenfalls von der City, wo der Ring bis auf 800 m zusammengequetscht ist, so ist vor der Hand der üppigsten Entwickelung der binnenstädtischen Verkehrsmittel freier Raum gelassen; da Straßenbahnen in City und Westend und auf den Themsebrücken wegen des starken Verkehrs nicht zugelassen sind, fällt die Personenbeförderung hier lediglich den Omnibussen und Droschken zu. Die Omnibusse thun durch die beispiellose Billigkeit ihrer Fahrsätze den Eisenbahnen erheblich Abbruch. Nach dem Muster der elektrisch betriebenen unterirdischen City- und Südlondonbahn (eröffnet Dezember 1890) zwischen der City und Stockwell (Vorstadtbahn) wird der Ausbau eines über Westend und City sich verzweigenden und in die Vorstädte hinausgeführten Netzes von elektrischen Untergrundbahnen, von denen die sogen. Zentral-Londonbahn bereits genehmigt ist, beabsichtigt. Über die Zahl der auf den Londoner Bahnen beförderten Personen ist Auskunft nicht zu erhalten, da die Statistik nur die auf den Eigentumslinien eines ganzen Bahngebietes beförderten Personen angibt. Einen ungefähren Anhalt geben die Angaben der örtlichen Londoner Bahnen. Hiernach betrugen im J. 1887:

Bahn Zahl der Reisenden auf Fahrkarten Inhaber von Zeitkarten Einnahmen in Millionen Mark

Millionen

Metropolitan 70,69 23628 12,16

Metropolitandistrikt 41,23 16372 3,63

Nordlondon 29,25 327526 5,94

Ostlondon 5,82 187 0,76

Zusammen: 147,04 367713 27,49

Geschichte. Die in London mündenden Stammlinien verfolgten noch nicht den Zweck, tiefer in das Herz der Landeshauptstadt einzudringen. Erst 1845, im Jahre der »Eisenbahnmanie«, machten sich dahin zielende Bestrebungen geltend. Von 19 Vorlagen über Bahnen im hauptstädtischen Gebiet erhielt nur eine im J. 1853 die Genehmigung des Parlaments, betreffend eine 3,6 km lange Linie der North Metropolitan - Gesellschaft zwischen Edgware Road und King's Croß, welche jetzt einen Teil der Ringbahn bildet (von Fowler erbaut). Erweiterungen westlich nach Paddington und östlich nach Farringdon wurden 1854 genehmigt, 1963 eröffnet. Die sämtlichen Tunnel wurden zweigeleisig und mit der Brunelschen Weitspur (2,135 m; die übliche Vollspur hat 1,135 m) angelegt. Die Gesellschaft führte fortan den Namen der Metropolitan-Gesellschaft. Eine nun auftretende Flut neuer Projekte veranlaßte, daß 1863 ein Parlamentsausschuß zur Beratung über den zweckmäßigsten allgemeinen Plan eingesetzt wurde. Der Fowlersche Plan der später ausgebauten innern Ringbahn gelangte zur Annahme. In der Folge wurden eröffnet: Die Erweiterung nach Moorgate Street im Dezember 1865, nach Westminster im Dezember 1868, nach Mansion House im Juli 1871, nach Bishopsgate im Juli 1875, nach Aldgate im November 1876, nach dem Tower im September 1882 und des ganzen Ringes im Oktober 1884, gleichzeitig mit der Whitechapel-Erweiterung. Die Ostlondonbahn, mit welcher letztere verbunden ist, wurde 1865 genehmigt, 1869 von New Croß bis Wapping eröffnet, 1876 an die Ostbahn angeschlossen. Sie hat insofern Interesse, als sie die Themse mittels des altehrwürdigen Brunelschen Tunnels unterschreitet.