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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Sterne (Bewohnbarkeit der Gestirne: Sonne, Mars)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Sterne'

hier folgende Worte von Kant und Laplace wiederzugeben: »Ich bin der Meinung, daß es eben nicht notwendig sei, zu behaupten, alle Planeten müßten bewohnt sein, ob es gleich eine Ungereimtheit wäre, dieses in Ansehung aller oder auch nur der meisten zu leugnen. Bei dem Reichtum der Natur, da Welten und Systeme in Ansehung des Ganzen der Schöpfung nur Sonnenstäubchen sind, könnte es auch wohl öde und unbewohnte Gegenden geben, die nicht auf das genaueste zu dem Zwecke der Natur, nämlich der Betrachtung vernünftiger Wesen, genützet würden. Vielleicht, daß sich noch nicht alle Himmelskörper völlig ausgebildet haben; es gehören Jahrhunderte und vielleicht Tausende von Jahren dazu, bis ein großer Himmelskörper einen festen Stand seiner Materien erlanget hat. Jupiter scheint noch in diesem Streite zu sein... Allein, man kann noch mit mehr Befriedigung vermuten, daß, wenn er gleich jetzt unbewohnt ist, er dennoch es dereinst werden wird, wenn die Periode seiner Bildung wird vollendet sein. Vielleicht ist unsre Erde tausend oder mehr Jahre vorhanden gewesen, ehe sie sich in Verfassung befunden hat, Menschen, Tiere und Gewächse unterhalten zu können. Daß ein Planet nun einige tausend Jahre später zu dieser Vollkommenheit kommt, das thut dem Zwecke seines Daseins keinen Abbruch.« (Kant.) »Die wohlthätige Einwirkung der Sonne läßt die Tiere und Pflanzen, welche auf der Erde leben, gedeihen, und die Analogie führt uns zu der Annahme, daß die Sonne ähnliche Wirkungen auf den Planeten hervorbringt. Denn es ist nicht natürlich, zu denken, daß die Materie, deren Fruchtbarkeit sich vor unsern Augen in so vielen Formen entfaltet, unfruchtbar sei auf einem so großen Planeten wie der Jupiter, der gleich der Erde seine Tage, seine Nächte und seine Jahre hat und auf welchem, wie die Beobachtungen uns lehren, Veränderungen vor sich gehen, welche sehr wirksame Kräfte voraussetzen. Der Mensch, welcher für die Temperatur, die er auf der Erde genießt, geschaffen ist, könnte allem Anschein nach auf den andern Planeten nicht leben, aber sollte es dort nicht eine Unendlichkeit von Organismen geben, welche den verschiedenen Temperaturen der Körper dieses Weltalls angepaßt sind? Wenn der bloße Unterschied der Elemente und der Klimate so viele Verschiedenheiten in den Geschöpfen der Erde hervortreten läßt, wieviel mehr müssen diejenigen der verschiedenen Planeten und ihrer Trabanten voneinander abweichen? Die lebhafteste Einbildungskraft kann sich von diesen Wesen keine Vorstellung machen, aber ihre Existenz ist mindestens sehr wahrscheinlich.« (Laplace.)

Untersuchen wir nun aber die Frage mit Rücksicht auf die jetzigen Kenntnisse der Astronomie über die physische Beschaffenheit der Himmelskörper, indem wir zuerst der Reihe nach die Glieder des Sonnensystems durchgehen. Die Sonne selbst hielt man bis zur Anwendung der spektralanalytischen Beobachtungsmethode fast allgemein nach Wilson und Herschel für einen dunkeln, festen Körper, der von doppelten Atmosphären umgeben war, deren äußere hell leuchtend uns die Sonne als die Lichtspenderin erscheinen ließ, deren untere, innere aber den Sonnenkern vor der gewaltigen Glut jener schützte. So konnte, zunächst abgesehen von allen andern Bedingungen, die Phantasie die Sonnenoberfläche mit lebenden Wesen bevölkern. Nachdem nun die ganz andre Beschaffenheit des Sonnenkörpers nachgewiesen, wonach wir ihn in der höchsten Glühhitze, in feurig-flüssigem oder gasförmigem Zustand, umgeben von einer Atmosphäre, in der die verschiedensten Metalle in Dampfform ↔ lagern, zu denken haben, fallen natürlich ohne weiteres die ersten Lebensbedingungen fort, und es bedarf nicht erst der Erwähnung andrer Umstände, die auch unter der Wilsonschen Annahme der Bewohnbarkeit im engern Sinn entgegenstanden.

Zwischen Sonne und Erde haben wir Merkur und Venus, die mit ihr und Mars gegenüber den weiter folgenden großen Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun in vieler Beziehung eine besondere Gruppe zu bilden scheinen. Die Dichtigkeit dieser vier Planeten ist nahe die gleiche, alle sind erheblich dichter als das Wasser, an Größe sind sie nicht sehr verschieden, Venus und Erde fast ganz gleich, Merkur und Mars etwa halb so groß, dagegen besitzen die andern vier eine sehr geringe Dichtigkeit, geringer oder doch nicht viel größer als die des Wassers, und sind ganz gewaltige Körper. Bis in die jüngste Zeit kam hinzu, daß man für die vier innern Planeten sehr nahe die gleiche Rotationsdauer (einen irdischen Tag) annehmen zu können glaubte, während die äußern sich in weniger als der Hälfte der Zeit um die Achse drehten; alle schienen in ähnlicher Weise von einer Atmosphäre umgeben, sich in vorgeschrittenem Zustande der Abkühlung zu befinden, Verhältnisse, die ebenfalls nicht in gleichem Maße bei Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun stattfanden. So hatte sich die Ansicht vielfach befestigt, daß organisches Leben schon auf dem Merkur und der Venus angenommen werden dürfe. Freilich bewirkte die größere Nähe der Sonne eine erheblich vermehrte Wärmezufuhr; indessen schien es nach den Untersuchungen Tyndalls nicht undenkbar, durch Annahme einer nur in geringem Grade anders zusammengesetzten Atmosphäre den notwendigen Ausgleich zu erreichen. Zudem finden wir auch schon auf unsrer Erde in den Klimaten so erhebliche Unterschiede und doch überall Menschen und Organismen, welche den betreffenden Klimaten angepaßt sind, daß man hier auch nur etwas weiter zu gehen braucht, um die Anpassung an noch größere Extreme zu ermöglichen. In allerneuester Zeit hat nun Schiaparelli den Nachweis geführt, daß Merkur und Venus sich zur Sonne verhalten wie die Satelliten zu ihren Hauptkörpern, daß sie nämlich in derselben Zeit einen Umlauf um die Sonne vollenden, in welcher sie sich einmal um die Achse drehen. Die gleiche Tagesdauer bei den vier innern Planeten fällt also fort, der Tag des Merkur dauert 88, der der Venus aller Wahrscheinlichkeit nach 225 irdische Tage. Danach nehmen diese beiden Planeten eine ganz gesonderte Stellung im Sonnensystem ein, und es muß sofort jeder Gedanke an die Bewohnbarkeit zurückgewiesen werden; denn wenn uns die Beobachtung lehrt, daß stets dieselbe Seite der Planeten der Sonne zugewandt bleibt, so können wir uns keine Wesen, keine Organismen denken, welche für alle Zeit den Strahlen der Sonne und den damit notwendigerweise Hand in Hand gehenden Umständen ausgesetzt sein, ebensowenig wie solche, die ohne den belebenden Einfluß der Sonne in steter ewiger Nacht verbleiben können.

Sind somit die neuern Beobachtungen bei diesen Gliedern des Sonnensystems der Annahme der Bewohnbarkeit nicht günstig gewesen, so hat die fortgesetzte Beobachtung des Mars mit den lichtstarken Fernrohren der Jetztzeit und insbesondere unter dem klaren Himmel Italiens und auf dem Mount Hamilton in Kalifornien mehr und mehr die große Ähnlichkeit in der Oberflächenbeschaffenheit mit der Erde dargethan. Bekanntlich hat man bereits nicht lange nach der Erfindung des Fernrohrs Flecken auf dem Mars

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 889.