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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Zuckersteuer (Allgemeines)
doppelte Menge Rohzucker. Eine einzige große Fabrik verarbeitete 1884/85 über 80,000 Ton. und in Belgien eine sehr große deren täglich 4000. Mehrere Fabriken werfen ansehnliche Dividenden ab und hatten ihr Anlagekapital bald amortisiert. Diese Thatsache vergrößerte den Reiz zu Neuanlassen und ;ur Ausdehnung der Produktion. Die letztere hatte 1884 85 einen Höhepunkt erreicht. Die Zuckerpreise standen damals sehr tief und die Fabriken kamen in Deutschland wie den Nachbarländern in eine bedrängte Lage. Man sprach von einem ungesunden Anwachsen infolge der übermäßig hohen Ausfuhrprämien und verlangte eine Änderung der Besteuerung, damit nicht eine künstlich großgezogene Industrie späterhin in die schwierigste Lage komme im Kampfe mit derjenigen andrer Länder.
Der Zuckerverbrauch wird ja voraussichtlich auch in Zukunft noch steigen. Für eine weitere Ausdehnung der Industrie wäre also immer noch Raum gegeben.
Die Frage, ob nicht der Rohrzucker dem Rübenzucker späterhin noch einmal eine ernste Konkurrenz bereiten könne, liegt außerhalb des Bereiches aller Berechnung. Es'wird wohl betont, daß die Nohrzuckerindustrie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen habe, wie vielfach'mit Mangel an Arbeitskräften, an Wasser für Bewässerung, an Brennmaterial und Dünger.
Doch sind viele dieser Schwierigkeiten, wie insbesondere ungenügende Entwickelung des Transportwesens oder unzulänglicher Kulturzustand der Bewohner, nicht unüberwindlich. Jedenfalls sind die Gebiete, in welchen Zuckerrohr mit Vorteil gebaut werden kann, sehr ausgedehnt. Aber auch die Zuckerrübe, welche gegenwärtig vorwiegend in Deutschland, Österreich-Ungarn,'Rußland und Frankreich gebaut wird, kann noch in andern Ländern eingebürgert werden, wo Boden und Klima nicht ungünstig sind.
Auf der andern Seite ist aber auch der Konsum einer praktisch unbeschränkten Ausdehnung fähig. Ein gewichtiger Grund zur Besorgnis liegt gerade nicht vor. während freilich auch eine übermäßig künstliche Anspornung durch Steuerbegünstigungen und Prämien nicht am Platze ist.
Seither hat die Besteuerung die Zucker produzierenden Länder Europas in eine etwas feindselige Stellung zu einander gebracht. Um seine eignen Prämien zu rechtfertigen, konnte sich immer je ein Land auf das andre berufen. Die österreichische Regierung erklärte 1887, solange Deutschland seine Prämien beibehalte, könne man in Österreich auf solche nicht verzichten, und in Frankreich glaubte man 1884 durch Änderung von Zoll- und Steuersystem sich gegen die mächtige deutsche Konkurrenz schützen zu sollen.
In Deutschland selbst aber hat man seit 1883 mehrfach versucht, Ausfuhrvergütung und Steuer in ein angemesseneres Verhältnis zu einander zu setzen, bis dann ganz neuerdings mit dein Prämiensystem entschieden gebrochen wurde. Aber auch jetzt sah man sich veranlaßt, für eine Reihe von Jahren offene Ausfuhrprämien gesetzlich festzusetzen. Eine plötzliche Beseitigung, welche tief in alle Wirtschaftsverhältnisse eingegriffen hätte, erschien als unthunlich.
Hierdurch würde nicht allein die einmal vorhandene ausgedehnte Zuckerindustrie empfindlich berührt, sondern auch die Landwirtschaft in ungünstiger Weise beeinflußt. Die letztere hatte in den letzten Jahren durch Sinken von Getreide- und Viehpreisen zu leiden. Die Zuckerrübe bot sich da in vielen Gegenden als ein willkommenes Ersatzmittel. Gleichzeitig war dieselbe recht geeignet, den Übergang zu einer inten^vern Wirtschaft zu vermitteln und landwirtschaft liche Arbeiter insbesondere auch im Winter lohne? > zu beschäftigen. Die Rübenkultur erfordert fleißiges Reinigen des Bodens, sie nötigt, denselben durch tiefere Kultur mehr aufzuschließen, ihn reichlich zu düngen und macht denselben damit ertragsfähiger.
Die starke Düngung kommt den Nachfrüchten, Rübenblätter und abgeschnittene Köpfe kommen der Viehhaltung zu gute, während die Fabrik in den Laugen und im Schlamm einen wertvollen Dünger liefert.
Aus diesen Gründen war bei Behandlung der Prämienfrage jedenfalls Vorsicht geboten.
Die Gewährung von Ausfuhrprämien war ursprünglich nicht gerade beabsichtigt. Dieselben entstanden vielmehr als sogen, versteckte Prämien und zwar infolge der Besteuerungsform und der stattgehabten technischen Verbesserungen. Als Besteuerungsform für den Zucker bieten sich: 1) Die Belastung nach Maßgabe der verwandten Rohstoffe (Rübensteuer), 2) nach dem Zuckergehalt des Saftes (Saftsteuer), 3) nach der Leistungsfähigkeit der Werkvorrichtungen (Pauschalierung) und 4) nach der Menge des gewonnenen Zuckers. Die Fabrikatsteuer gestattet eine gleichmäßige Belastung ohne Bevorzugungen von Industrie oder Landwirtschaft; die Betriebseinrichtungen können ganz nach Bedarf geändert werden, es braucht dies nicht zu dem Zwecke zu geschehen, lediglich an Steuern zu sparen; indem die Steuererhebung dem Konsum zeitlich am nächsten gerückt ist, wird auch die Überwälzung auf den endlichen Käufer erleichtert; die Ausfuhr kann m einfacher Weise freigelassen werden, ohne daß die Fabrikanten hohe Steuersummen zu entrichten oder sicherzustellen brauchen; endlich gewinnt bei ihr die Gesetzgebung an Stetigkeit, was für Industrie, Handel und Steuerverwaltung nur von Vorteil ist. Dagegen wird die Fabrikatsteuer ungleichmäßig, wenn bei ihr, um die großen Schwierigkeiten der Prüfung durch die leicht täuschende Farbenvergleichung (künstliche Färbung!) oder durch Anwendung des Saccharimeters zu umgehen, alle Zuckersorten gleich hoch belastet werden; sie kann, wenn die Kontrolle in der Art wie früher in Frankreich geübt wird, außerordentlich lästig für die Industriellen werden. In Deutschland hatte man gegen sie und zu gunsten der Rübenbesteuerung insbesondere geltend gemacht, daß ledere in einfacher Weise bei Beginn der Verarbeitung und unter Wegfall weiterer lästiger Kontrollen für den Fabrikbetrieb zu erheben sei, daß sie Anreiz zu einer möglichst sorgfältigen Ausnutzung der Rübe und zur möglichsten Vervollkommnung des technischen Betriebes gebe. Dieser Thatsache sei der bedeutende Aufschwung der Zuckerindustrie zu verdanken, wie denn auch in Frankreich der Übergang zur Rübensteuer seit 1887 sehr günstig gewirkt habe. Im übrigen bestehe ja auch das Wesen der Prämien doch nur darin, daß der Staat nur auf einen Teil seiner Einnahmen aus dem Titel der Z. verzichte, um zur Ausfuhr anzuregen und dadurch die Erzeugnisse der inländischen Gewerbe und der heimischen Landwirtschaft vom Auslande bezahlen zu lassen. Mit den Prämien falle dieser Anreiz weg, die Folge hiervon werde Warenüberschuß und Preisdruck im Inlande sein sowie eine ungünstige Rückwirkung auf den Rübenbau. Diese Gründe erschienen in Teutschland und Österreich nicht als gewichtig genug gegenüber den Schattenseiten der Rübensteuer. Bei derselben! ist die Belastung immer eine ungleichmäßige, weil -derselben nur ein Ausbeuteverl Mais zu Grunde, gelegt wird, während dasselbe je nach dem Zuckergehalte der Rüben und dcm Stande der Technik zeitlich