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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Berlin (Bevölkerung)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Berlin'

1858 schon 29951 und 1864 bereits 52263 Personen wohnten, sind damals mit der Hauptstadt vereinigt worden. Die 1743–1802 erbaute Stadtmauer, die durch 19 Thore die Verbindung mit der Umgebung gestattete, wurde 1867/68 beseitigt. Nachdem 30. März 1878 Teile der Gemeinde Lichtenberg mit 1,32 qkm und 15. Jan. 1881 der Thiergarten, Seepark, Zoologische Garten, Hippodrom und das Schloß Bellevue mit 2,55 qkm einverleibt worden sind, hat das Weichbild der Stadt 1888: 44,4 km Umfang, 63,37 qkm Fläche; die Ausdehnung von O. nach W. beträgt 10,3 km, von N. nach S. 9,2 km. Von der Gesamtfläche sind 20,89 qkm bebaute Grundstücke, 13,5 qkm Wege, Straßen und Eisenbahnen, 1,91 qkm Wasser und 27,07 qkm landwirtschaftlich benutzt (20,27 steuerpflichtige, 6,8 qkm steuerfreie Liegenschaften).

Bevölkerung. B. hat infolge der Begünstigung seitens der preuß. Herrscher an Einwohnerzahl sehr rasch zugenommen; so unter der Regierung des Großen Kurfürsten von 6000 auf 20000, unter Friedrich Wilhelm Ⅰ. von 55000 (1709) auf 102400 (21300 Militär) bei seinem Tode. 1755 hatte B. 126661 E. (26658 Militär), 1763 nur 119219 E.; 1790: 150803 (28930 Militär), 1804: 182157 (25496 Militär), 1810 nur 162971 (9901 Militär). 1816 wurden gezählt 195200 E. (15716 Militär), 1840: 322620 (18739 Militär), 1858: 448610 (19676 Militär). Seitdem ist die Bevölkerung gleich der anderer Großstädte, und fast alle europäischen noch weit überragend, überaus schnell gewachsen, wozu in nicht geringem Maße die den Staat vergrößernden und das Deutsche Reich begründenden Ereignisse beigetragen haben. Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1867: 703120, 1871: 824580, 1875: 964240, 1880: 1122330 (20293 Militärpersonen, 320 des diplomat. Korps und 2543 der Strombevölkerung), 1885: 1315287 (20565 Militärpersonen), 1890: 1578794 (19596 Militärpersonen), d. i. eine Zunahme 1880–85 von 192783 Personen oder 17,19 Proz., 1885–90: 263507 oder 20,03 Proz. Am 1. Jan. 1893 betrug die fortgeschriebene Bevölkerungszahl 1656698. Wie bedeutend sich der Fremdenverkehr B.s entwickelt hat, dürften die folgenden Zahlen ergeben. Im J. 1888: 418442, 1889: 469357, 1890: 505492, 1891: 504702, 1892: 502634. Der stärkste Fremdenzufluß findet stets im August und September mit 35–60000 Personen statt, während in den übrigen Monaten die Zahl der Fremden zwischen 25–40000 variiert. Die größte Zunahme (1885–90) zeigte der Stadtteil Friedrich-Wilhelmsstadt (s. unten) und Moabit (93463 gegen 48258 E.) mit 93,67 Proz., es folgt der Thiergarten mit 87,7 Proz., dann die nördl. Rosenthaler Vorstadt und die östl. Luisenstadt jenseit des Kanals mit 62 Proz.; eine Abnahme trat dagegen in den alten Stadtteilen ein: im Friedrichswerder (-21,27 Proz.), in Alt-Kölln (-10,27), in der Dorotheenstadt (-3,27), Berlin-Kölln (-2,22), Friedrichsstadt (-1,29) und der Luisenstadt diesseit des Kanals (-0,14). Berücksichtigt man das Verhältnis der Bodenfläche und der Wasserläufe zur Einwohnerzahl, so kamen 1890 nur noch 40,87 qm auf 1 E., während es 1885 noch 57,48 qm waren; am ungünstigsten ist dies Verhältnis in der Luisenstadt jenseit des Kanals mit 16,55 qm, am günstigsten auf dem Wedding mit 91,86 qm, wo noch größere verfügbare Bodenflächen vorhanden sind. Dem Geschlecht nach waren 1890: 759623 männl., 819171 weibl.; während 1885 von 1000 E. 480 männl. und 520 weibl. waren, stellt sich 1890 das Verhältnis auf 481 zu 519. Dem Civilstand nach waren 462846 männl. und 459013 weibl. Personen ledig, 277874 männl. und 277429 weibl. verheiratet, 15309 männl. und 76829 weibl. verwitwet, 2284 männl. und 5118 weibl. geschieden. Dem Alter nach gab es 161903 Kinder (81217 Knaben, 80686 Mädchen) unter 5 J.; über 90 J. waren 159 Personen. Dem Religionsbekenntnis nach waren: 1352559 Evangelische, 135407 Römisch-Katholische, 79286 Israeliten, 187 Mennoniten, 1119 Baptisten, 270 der engl. Hochkirche Angehörige, 314 Methodisten, 1791 Irvingianer, 378 Griechisch-Katholische, 1376 Freireligiöse, 3486 Dissidenten, 1570 Konfessionslose und Ungetaufte, 237 Atheïsten und 394 mit unbekannter Religion. Bei den Evangelischen betrug die Zunahme gegen 1885: 18,4 Proz., bei den Israeliten 23,2 Proz., bei den Katholiken 36,1 Proz. Wie wenig störend übrigens das Bekenntnis auf das Zusammenleben einwirkt, ist aus der Zahl der Mischehen zu ersehen. Es bestanden 1. Dez. 1890: 28464 Mischehen. Davon 26083 evang.-römisch-katholisch, 1175 evang.-jüdisch, 118 röm.-kathol.-jüdisch und 1088 dissidentische und verschiedenen andern Konfessionen angehörend. Die Evangelischen gehören 5 Personal-, 13 Anstalts- und 32 örtlichen Parochialgemeinden mit 63 Gotteshäusern an. Unabhängig von der Landeskirche halten sich 7 prot. Gemeinden. Die Katholiken sind in 4 Kirchen und 4 Kapellen eingepfarrt. Die Altkatholische Gemeinde (Altkatholikenverein für Berlin und Umgegend) wird von Breslau aus pastoriert; sie hat 480 (280 männl., 200 weibl.) Mitglieder. Die Freireligiöse Gemeinde und der Verein zur Pflege freireligiösen Lebens (zur Pflege lebendiger auf Vernunft und den Ergebnissen der fortschreitenden Wissenschaft beruhenden Religiosität) besitzen je einen Betsaal. Neben der Freireligiösen Gemeinde besteht seit 1887 der Humanistische Frauenverein. Die israel. Gemeinde besitzt 3 Synagogen und mehrere Bethäuser, die israel. Reformgemeinde 1 Gotteshaus. ↔

Der Gebürtigkeit nach waren 1. Dez. 1890: 642651 (306308 männl. und 336343 weibl.) Berliner (= 40,71 Proz.), 839556 (400521 männl. und 439035 weibl.) aus andern preuß. Provinzen, 70210 (38063 männl. und 32147 weibl.) aus dem übrigen Deutschland, 25730 (14380 männl. und 11350 weibl.) Ausländer und 647 (351 männl. und 296 weibl.) unbekannten Geburtslandes. Unterscheidet man die Bevölkerung (1890) in geborene Berliner und Auswärtsgeborene, so zeigen erstere einen starken Rückgang seit 1880; damals gab es unter 1000 E. noch 434 geborene Berliner, 1885: 424 und 1890 nur 407. Der Anteil der geborenen Berliner ist übrigens beim weiblichen Geschlecht ständig ein größerer als beim männlichen.

Zwischen B. und den preuß. Provinzen besteht durch innere Wanderungen ein stetiger Bevölkerungsaustausch; namentlich aus Brandenburg und Schlesien, demnächst aus den übrigen östl. Provinzen und Sachsen findet ein sehr starker Bevölkerungszuzug nach B. statt, und weibliche Personen, welche in den mannigfaltigen Gewerbebetrieben der Großstadt, sowie als Dienstboten leichter als in den Provinzen Erwerb finden, ziehen namentlich aus Brandenburg, Pommern, Sachsen, Posen, Ostpreußen und Westpreußen in größerer Menge als männliche zu.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 793.