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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Berlin (Geschichte)

Bockbrauerei, Eiskeller, und die in Weißensee («Zum Sternecker»), in der Hasenheide («Neue Welt»), in Treptow («Sperl»), ferner im Grunewald und in Schöneberg, bieten Volksbelustigungen aller Art. Im Winter gewähren Rousseau-Insel, Neuer See, Müggelsee, die Wasserläufe der Spree sowie künstliche Eisbahnen Gelegenheit zum Schlittschuhlaufen. Große Anziehungskraft haben ferner die Frühjahrs- und Herbstparaden auf dem Tempelhofer Felde, die der Kaiser über das Gardekorps abnimmt, und die königl. Parforcejagden im Grunewald.

Die Umgebung, besonders im NW., W. und SO., ist zum Teil reich an Naturschönheiten, die man jetzt infolge Hebung der Verkehrsmittel, wie Eisenbahn (Stadt- und Ringbahn), Pferde- und Dampfstraßenbahn und Dampfschiff, bequem aufsuchen kann. Im W. liegt Charlottenburg (s. d.) mit dem Schloß und dessen Park sowie der Villenkolonie Westend, weiterhin Spandau; nördlich von der Spree von Moabit bis Tegel breitet sich die Jungfernheide aus, durchschnitten vom Spandauer Schiffahrtskanal (s. oben), mit dem Artillerieschießplatz, und südöstlich mit dem Plötzensee und unweit demselben die 1878 fertig gestellte Strafanstalt, eine der größten preuß. Gefängnisanstalten (für 1200 Gefangene). An der Havel Saatwinkel, die Insel Valentinswerder und am Tegeler See westlich der Tegeler Forst, am Nordrande das Dorf Tegel mit dem ehemaligen Besitztum W. von Humboldts, in dessen Park sich auch das Familienbegräbnis der Humboldts befindet. Südlich von Spandau und Charlottenburg zieht sich der Spandauer Forst hin, mit Pichelswerder und Schildhorn an der Verbreiterung der Havel; an diesen schließt sich südwärts der Grunewald an, mit den Vergnügungsorten Halensee, Hubertus, Hundekehle, Jagdschloß Grunewald, Krumme Lanke, Schlachtensee, und am Wannsee, einer Ausbuchtung der Havel, die gleichnamige Villenkolonie. Im S. liegen Wilmersdorf an der B.-Potsdamer Eisenbahn, Schöneberg, Friedenau, Steglitz, Zehlendorf, an der B.-Anhaltischen Eisenbahn Lichterfelde mit der Hauptkadettenanstalt und der Kaserne des Gardeschützenbataillons; ferner die Hasenheide mit zahlreichen Vergnügungslokalen und dem 1872 errichteten Bronzestandbilde des Turnvaters Jahn (von Encke), der hier 1811 den ersten Turnplatz errichtete, sowie Rixdorf. Südöstlich an der obern Spree liegen Rummelsburg, am gleichnamigen See einer nördl. Ausbuchtung der Spree; ferner Stralau, Treptow, Cöpenick; im O. Friedrichsfelde (s. d.) mit Schloß, in dem 1814 König Friedrich August von Sachsen als Gefangener weilte; im NO. Weißensee, im N. Gesundbrunnen, Pankow, Niederschönhausen mit Schloß und Park, Schönholz mit dem Schützenhaus der Berliner Schützengilde und 2½ km östlich von Tegel Dalldorf (s.d.) mit Irrenanstalt.

Geschichte. Die günstigen Ortsverhältnisse an dem Spreeübergange lassen sicher darauf schließen, daß an jener Stelle schon von alters her wend. Ansiedelungen bestanden haben, die sich unter dem Vordringen der german. Bevölkerung bereits gegen Ende des 12. Jahrh. zu einem wichtigen Handelsplatz herangebildet zu haben scheinen, obgleich der Ort, wie auch der daneben auf einer Spreeinsel gelegene, Colonia oder Kölln (vom Wendischen «Kollen», d. i. ein von Sumpf und Wasser umgebener Hügel), urkundlich erst unter den Markgrafen Johann Ⅰ. und Otto Ⅲ. 1244 (Kölln schon 1238) erwähnt wird, doch schon zwischen 1225 und 1232 das brandenb. Stadtrecht erhalten haben muß. Beide Städte waren nicht durch Thore geschieden und erledigten die wichtigsten Geschäfte gemeinsam, hatten aber im übrigen getrennte Verfassung und Verwaltung bis 1709. Einige Versuche zur Vereinigung, wie 1307 und 1432, schlugen fehl. ^[Spaltenwechsel]

Da B. das Recht der Niederlage und andere Privilegien erhielt, so gedieh es mit Kölln schon unter den askan. Markgrafen rasch, so daß die bayr. Fürsten, die 1323 von Kaiser Ludwig Ⅳ., dem Bayer, mit der Mark belehnt wurden, in B. zu residieren pflegten, so oft sie in das Land kamen. Die polit. Gegensätze zwischen ihren Anhängern und denen des sächs.-askan. Hauses führten 1325 zur Tötung des Abtes Nikolaus von Bernau in B., der zur letztern Partei gehört hatte. Der Kirchenbann, den dies Ereignis für die Stadt nach sich zog, konnte erst 1336 mit großen Geldopfern gelöst werden. Dem falschen Waldemar schloß sich B. 1348 nur mit Widerstreben an, hielt aber dann am sächs.-anhalt. Hause, das mit Waldemar wieder im Lande Fuß zu fassen suchte, gegen Ludwig von Bayern fest, weshalb König Waldemar von Dänemark, Ludwigs Verbündeter, die Stadt 1349, obwohl vergeblich, belagerte. 1352 söhnte sich B. mit den bayr. Herren wieder aus. Die Stadt gewann auch während der bayr. Markgrafen beständig an Macht, galt als Hauptstadt der Landschaften Barnim und Teltow, wurde Versammlungsort der mittelmärk. Stände und gehörte zum Hansebunde. Unter den Luxemburgern, die 1373 die Mark erhielten, vervollständigte B. 1391 seine Selbständigkeit durch Erwerbung der Gerichtsgewalt von Markgraf Jobst (1388–1411). Dennoch zeigte es sich während der Anarchie in der Mark unter diesem Landesherrn zum Widerstande gegen den märk. Adel zu schwach. Besonders das Geschlecht der Quitzow und ihr Anhang wußte 1404–9 den Handelsverkehr der Stadt derart zu lähmen, daß sie bei einem auswärtigen Fürsten, dem Herzog Swantibor von Pommern, Hilfe suchen mußte. Es war zu ihrem Vorteile, daß Friedrich Ⅰ. von Hohenzollern (1415–40) geordnete Verhältnisse im Lande herbeiführte. Als aber 1442 Friedrich Ⅱ. (1440–71) landesherrliches Eigentum, das sich im Besitze der Stadt befand, beanspruchte, ließen sich die Bürger im Verlaufe des bis 1448 währenden Rechtsstreites zu Gewaltthätigkeiten verleiten, die ihnen einen großen Teil ihres Vermögens und der städtischen Privilegien kosteten und den Bau einer neuen kurfürstl. Burg in Kölln (an Stelle des jetzigen königl. Schlosses) zur Folge hatten. Doch nahm Friedrich Ⅱ. hier seinen Wohnsitz, und von Johann Cicero (1486–99) an ist die Stadt beständig Residenz des Landesherrn geblieben. Im 16. Jahrh. machte ihre Entwicklung, wie die der Mark überhaupt, geringe Fortschritte. Nur die kurfürstl. Hofhaltung gab der Stadt einiges Ansehen. 1544 gelangte die Stadt durch Kauf wieder in den Besitz der Gerichtsgewalt, die sie 1442 an Friedrich Ⅱ. hatte abtreten müssen. Die Kirchenreformation vollzog sich durch Einführung des luth. Gottesdienstes unter Joachim Ⅱ. 2. Nov. 1539. Das Kirchenpatronat, das bisher der Landesherr gehabt hatte, erhielt die Stadtgemeinde. 1613 trat Johann Sigismund zur reform. Lehre über, was solche Erregung in der Bürgerschaft hervorrief, daß es 1615 zu öffentlichen Tumulten kam. Im Dreißigjährigen Kriege war die Befesti- ^[folgende Seite]