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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bukarest

Körperschaften, der Regierung, des Appell- und Kassationshofs, der Distriktspräfektur, aller höhern Civil- und Militärbehörden und eines kath. Erzbischofs, der Mittelpunkt des Post- und Telegraphenwesens. Fast alle Staaten Europas sind durch Gesandtschaften und Konsulate vertreten.

B. hat an öffentlichen Gärten im N. die "Chaussee" vor der Barriere der Victoriastraße, in den dreißiger Jahren vom russ. General Kisseleff angelegt, daher auch Kisseleffgarten genannt, im O. den Teiu- und Eliadgarten, im S. Filaret und im W. den Park von Cotroceni, an den sich der botan. Garten anschließt. Im Innern liegen der Cismeginpark, vom Fürsten Stirbey in den fünfziger Jahren angelegt, in dem 1890 Ausbaggerungen und Betonisierungen vorgenommen wurden, der Episkopie-, Icóne-, St. Gheorghe- und St. Vineri-Garten sowie der Garten gegenüber der Universität.

Unterrichts- und Bildungswesen. Das ehemalige Kollegium St. Saba wurde 1884 zur Universität erhoben; dieselbe hat 67 Docenten und 965 Hörer. Das Universitätsgebäude enthält außer den Hörsälen das naturhistor. und archäol. Museum, die Pinakothek, die Schule der schönen Künste, das physik. Laboratorium, die freie Schule der polit. und administrativen Wissenschaften und den rumän. Senat. Besondere Baulichkeiten besitzen die rumän. Akademie mit Bibliothek und Sammlungen, die Staatsbibliothek, das bakteriolog., das meteorolog, und das biolog. Institut und das chem. Laboratorium. Von Schulanstalten jeder Art hat B. 2 Lyceen, 4 Gymnasien, 1 Handelsschule, 1 Schule für Brücken- und Chausseebauten, die Offiziers-Applikations- und Kriegsschule, die Centralschule für Ackerbau und Forstwesen, die pharmaceutische und höhere Normalschule, das Centralseminar, das Priesterseminar "Metropolit Nifon", die Normalschule Karls I. und die Normalschulen für Lehrer und Volksschullehrer, das Konservatorium für Musik und Deklamation, die Gewerbe-, Eisenbahn- und Telegraphenschule, das pädagogische Institut für Mädchen, die Mädchensekundärschulen I und II und 2 Mädchenarbeitsschulen. Die meisten dieser Anstalten verdanken ihre Entstehung den letzten zwei Jahrzehnten und sind in schönen vom Staat und der Stadt erbauten Gebäuden untergebracht. Außerdem hat B. 60 Volksschulen (27 für Knaben, 33 für Mädchen), die von 6000 bez. 4000 Kindern besucht werden. Daneben bestehen zahlreiche Privaterziehungsanstalten und 2 Elementar-, eine Real- und eine höhere Töchterschule der evang. sowie Knaben- und Mädchenschulen der kath. Gemeinde; doch fehlt es an geschulten Lehrkräften.

An Wohlthätigkeitsanstalten ist B. sehr reich. Es giebt 10 Civilspitäler, in denen Kranke ohne Unterschied der Nation und Konfession unentgeltlich gepflegt werden, und nahe bei B. befindet sich Marcuţa, eine Irrenanstalt. Seit dem J. 1876 trat in B. die Gesellschaft des Roten Kreuzes ins Leben und 1879 gründete die Königin Elisabeth das Institut der Barmherzigen Schwestern. Im J. 1892 zählte B. 8 Armenasyle (worunter 1 deutsches und 1 israelitisches), 2 Volksküchen mit Nachtquartieren, ferner 2 Waisenerziehungsanstalten, wovon das bedeutendste, das Helenen-Asyl, unter dem Protektorat der Königin Elisabeth steht. Das Vereinswesen ist namentlich in der deutschen Bevölkerung sehr entwickelt; es giebt mehrere Unterstützungsvereine (Männer- und Frauenvereine), 1 deutsche und 3 rumän. Freimaurerlogen, ferner Schützen-, Turn- und Gesangvereine. An Zeitungen erscheinen in B. täglich 18 rumänische, 3 französische, 2 deutsche, 2 griechische und 1 jüdische, außerdem etwa 20-25 periodisch erscheinende Zeitschriften belletristischen und litterar. Inhalts.

Industrie, Gewerbe, Handel. Die Industrie, in frühern Zeiten besonders von Deutschen gepflegt, wächst von Jahr zu Jahr; fabrikmäßig werden in (1889) 163 Fabriken Ziegel, Eisen-, Töpfer-, Leder-, Blech-, Tuch-, Flanell-, Leinwand- und Wollwaren, Stärke, Seifen, Kerzen, Papier, Selterswasser und Zündhölzchen verfertigt; auch hat B. zwei große deutsche Bierbrauereien. Die Notwendigkeit, die Rohmaterialien wie auch die Arbeitskräfte aus dem Auslande zu beziehen, ist der Entwicklung hinderlich. Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen sind meist in Händen von Deutschen und Israeliten; das Bank-, Börsen- und Versicherungswesen ist Domäne der Israeliten, Griechen und Rumänen. Die Handels- und Gewerbekammer entfaltet nur geringe Thätigkeit. Der Wert der Einfuhr betrug 1891: 122,93, der der Ausfuhr 10,47 Mill. Frs. In letzterer ist Mehl (9,5 Mill. Frs.), in ersterer sind Textil- (70), Metall- (16,5), Leder- (10,7), Papier- (5) und Holzwaren (2,7 Mill. Frs.) am wichtigsten; daneben Steinkohlen (4), ferner Farbstoffe (1) und endlich Kolonialwaren (2,5 Mill. Frs.).

Verkehrswesen. Bis zur Thronbesteigung Karls I. lag das Verkehrswesen sehr danieder. Seither ist B. der Knotenpunkt eines großen Eisenbahnnetzes geworden, das sich über das ganze Land verbreitet. Die erste Eisenbahn war die von B. nach Giurgiu, von einer engl. Gesellschaft erbaut und 1869 eröffnet; ihr folgten dann die Linien mit dem Anschluß an Ungarn und die Bukowina und an Siebenbürgen und mehrere Zweigbahnen; die wichtigste darunter die Linie B.-Fetesci an der Donau, welche nach Herstellung der 21. Okt. 1890 begonnenen Riesenbrücke über die Donau nach Cernavoda, die Hauptstadt unmittelbar mit Küstendsche (Constanza) am Schwarzen Meere verbinden wird. B. hat zwei Bahnhöfe, den Nord-und Südbahnhof. Der Verkehr in den Straßen der Stadt ist bis in die Nacht hinein ein sehr lebhafter und wird durch Pferdebahnlinien, die nach verschiedenen Richtungen die Stadt durchziehen, sowie durch 639 Fiaker erleichtert.

An Vergnügungslokalen besitzt B. außer dem Nationaltheater, in welchem neben der rumän. zuweilen auch ital. Gesellschaften auftreten, den Ephoriesaal für Konzerte, Theatervorstellungen und Bälle, ferner das Athenäum für Konzerte und Vorträge, dann eine Menge von Kaffeehäusern und Café chantants. 1888 hat Sidoli einen Cirkus für die Wintersaison erbaut. Für die österr.-ungar. und die deutsche Kolonie bietet das österr.-ungar. Kasino sowie die Liedertafel und der Turnverein die geselligen Vereinigungspunkte.

Geschichte. B. verdankt seinen Namen der Sage nach einem Schafhirten, Bucur, der seine Niederlassung an der Stelle der angeblich ältesten heutigen Bucur-Kirche der Stadt gehabt haben soll. Andere leiten es von bucurie, d. i. Freude, ab und Bucuresci ließe sich mit "Freudenstadt" übersetzen, was jedoch sprachlich nicht zu rechtfertigen ist. Gegen Ende des 14. Jahrh. erhob der Woiwode Mirtscha, der Alte, B. zur Winterresidenz der walach. Fürsten und baute hier den Fürstenhof, später und noch beute Curtea veche (d. i. der alte Hof) genannt. Erst mit