Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Bulgarien (Geschichte)'
Peter und Asen los, und so entstand ein neues Bulgarenreich mit der Residenz in Tirnova. Dasselbe hatte seine Glanzperiode, als Asen
II. (1218–41) durch Eroberungen im Westen beinahe die Grenze Symeons wiederherstellte. Aber noch im 13. Jahrh. wurde B. durch die
Byzantiner sehr eingeschränkt und litt viel durch die Einfälle der Tataren Südrußlands, im 14. Jahrh. auch durch die der kleinasiat.
Türken. Zar Joannes Schischman wurde (um 1360) dem türk. Sultan Murad I. tributpflichtig, worauf Bajazet I. 1393 dem Reiche von
Tirnova ein Ende machte; Schischman starb in der Gefangenschaft. Sein Bruder, Zar Sratzimir, Teilfürst von Vidin, wurde 1396 abgesetzt.
– Gemäß der polit. Ereignisse gab es im alten B. Zwei Nationalkirchen, die eine unter dem Zaren Symeon in Donaubulgarien, die im 10.
Jahrh. nach Ochrida in Macedonien übertragen wurde und dort blieb. Sie suchte sich später mit der von Kaiser Justinian privilegierten
Kirche von Justiniana prima zu identifizieren und wurde erst 1767 mit dem griech. Patriarchat vereinigt. Eine zweite autokephal-bulgar.
Kirche entstand 1186 in Tirnova, wurde aber um 1570 dem Konstantinopeler Patriarchat einverleibt.
Unter der türk. Herrschaft büßten die Bulgaren allmählich alle ihre nationalen und religiösen (das bulgar. Patriarchat) Eigentümlichkeiten
ein. Eine Wendung zum Bessern trat hierin erst ein, als 1835 aus Beiträgen zu Odessa seßhafter bulgar. Kaufleute die erste nationale
Primärschule zu Gabrovo gestiftet wurde; bald brachte es die jungbulgar. Bewegung zu einer, wenn auch meist aus Volksschriften und
Schulbüchern bestehenden Litteratur; 1844 erschien die erste bulgar. Zeitschrift. Die Zahl der Volksschulen nahm stetig zu. Auch die
wirtschaftlichen Verhältnisse erlebten einigen Aufschwung; das Donauwilajet war in neuester Zeit eine der wenigen Gegenden des
Osmanischen Reichs, in denen sich ein Fortschritt der Kultur bemerklich machte. Hierzu kam unter der Bevölkerung eine lebendige
Bewegung auf kirchlichem Gebiete. Die hohe Geistlichkeit B.s war seit Mitte des 18. Jahrh. fast ausnahmslos griech. Nationalität und
genoß beim Volke nicht das beste Ansehen. Unter Berufung auf ihr altes Recht, nationale Bischöfe zu haben, machten deshalb die
Bulgaren namentlich seit dem Krimkriege (1853–55) dem griech. Klerus heftige Opposition, sodaß die Pforte 1870 sich veranlaßt sah, die
Einsetzung eines autonomen bulgar. Kirchenoberhauptes mit dem Titel «Exarch» zu genehmigen, doch erst 1872 bestätigte der Sultan
den Metropoliten Antim als unabhängigen bulgar. Exarchen. Hand in Hand mit der religiösen Bewegung ging der Drang nach polit.
Freiheit; mißlungene, meist von den Emigranten in Bukarest angezettelte Aufstandsversuche an der serb. Grenze und im Balkan waren
die ersten Lebenszeichen davon. Gleichzeitig bildeten sich große Geheimbünde in der Art der griech. Hetärie (s. d.).
Nach dem Ausbruch des Aufstandes in Bosnien und der Herzegowina im Sommer 1875 nahm die Gärung in B. allmählich bedeutend zu.
Ohne genügende Leitung und Bewaffnung revoltierten Anfang Mai 1876 unter Führung der Geheimbündler die Orte der Sredna Gora
und der westl. Rhodope, jedoch wurde diese Erhebung von türk. Truppen schnell unterdrückt; andere Empörungen im Balkan bei
Gabrovo und Kotel hatten keinen günstigern Ausgang. Nun folgten bis Ende Mai nördlich und südlich vom Balkan fürchterliche
Metzeleien unter der zum ↔ größten Teil gänzlich unbewaffneten christl. Bevölkerung durch den aufgebotenen türk.
Landsturm, zum Teil auch durch ihre mohammed. Landsleute, die Pomaken; gegen 60 Ortschaften wurden zerstört, über 10000
Menschen jeden Alters und Geschlechts ermordet; das schlimmste Schicksal erlitt die Stadt Batak in der Rhodope. Das nächste Resultat
der in ganz Europa durch die bulgar. Greuel hervorgerufenen Entrüstung war der Vorschlag der im Dez. 1876 zu Konstantinopel
zusammengetretenen Konferenz der Großmächte, zwei autonome bulgar. Provinzen Tirnova und Sofia mit christl. Gouverneuren zu
bilden; die Pforte ging jedoch hierauf nicht ein, und der Russisch-Türkische Krieg brach aus. Der Präliminarfriede zu San Stefano vom
3. März 1878, der ihn beendigte, setzte die Errichtung eines autonomen, der Pforte tributären Fürstentums B. fest, das nicht nur
Donau-Bulgarien, sondern auch den größten Teil von Thrazien und fast ganz Macedonien umfassen sollte; doch bestimmte der Berliner
Friedensvertrag (s. Berliner Kongreß) vom 13. Juli 1878, daß das selbständige, aber dem Sultan tributpflichtige
Fürstentum B. nur das Land zwischen Donau und Balkan umfassen, aber das südlich vom Balkan und östlich von der Rhodope
gelegene, der Mehrheit der Bevölkerung nach von Bulgaren bewohnte Land der Türkei verbleiben, jedoch als autonome Provinz
Ostrumelien (s. d.) unter einem christl. Gouverneur eingerichtet werden sollte. Die von Bulgaren bewohnten
Landschaften Macedoniens blieben unmittelbares Gebiet der Türkei.
Die vom russ. Kommissär, Fürsten Dondukow, 23. Febr. 1879 in Tirnova eröffnete konstituierende Notabelnversammlung hatte die neue
Verfassung des Fürstentunis zu beraten, wofür ein von der russ. Regierung ausgearbeiteter Entwurf die Grundlage bildete. Am 28. April
wurde die neue Verfassung nach heftigen Parteikämpfen von sämtlichen Abgeordneten unterzeichnet und die Versammlung geschlossen.
Sofort trat 29. April eine neugewählte große Nationalversammlung zur Fürstenwahl zusammen und wählte von den drei vorgeschlagenen
Prinzen: Prinz Reuß, Prinz Waldemar von Dänemark und Prinz Alexander von Battenberg, einstimmig den letztern. Dieser nahm die Wahl
an, erhielt vom Sultan den Investitur-Ferman, leistete in der Nationalversammlung zu Tirnova 9. Juli den Eid auf die Verfassung, hielt 13.
Juli seinen Einzug in der Hauptstadt Sofia und übernahm vom Fürsten Dondukow die Regierung. Indessen ruhten die in Tirnova
entfesselten Parteifehden nicht; die Liberalen verteidigten die Verfassung, die Konservativen wollten eine Einschränkung derselben und
wurden vom Fürsten unterstützt, dessen Popularität dadurch sehr litt. Die beiden ersten Ministerien, das konservative Burmows und das
gemäßigte des Bischofs Kliment, waren unhaltbar. Im April 1880 trat ein liberales Ministerium ein mit Zankow, später Karawelow an der
Spitze. Die unaufhörlichen Parteiungen veranlaßten Alexander durch ein Manifest vom 9. Mai 1881 seine Abdankung anzukündigen, mit
dem Bedeuten, daß er eine Neuwahl nur unter bestimmten Bedingungen annehmen werde. Gegen die Opposition hielt ihn während des
darauf folgenden Wahlkampfes meist die Unterstützung der Großmächte, besonders Rußlands, welches die Heeresverwaltung seit der
Besetzung in den Händen behalten hatte und durch seine Kriegsminister in B. einen starken Einfluß ausübte. Die große
Nationalversammlung zu
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 723.