Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Cavour'
Giobertis d'Azeglios und Balbos unterstützt, begann dann C. 1847
mit Balbo, Graf Santa-Rosa, Galvagno u. a. gemeinsam die Zeitung «
Il Risorgimento» herauszugeben, in der er die Errichtung eines bis zur Adria
reichenden savoyischen Königreichs und den Anschluß der Halbinsel
an dasselbe verfocht. In dieser Absicht empfahl er den Bruch mit
Österreich. Ferner suchte er die fähigen Männer zur Verwaltung
heranzuziehen, um dadurch Europa den Beweis zu liefern, daß Italien
nur einer tüchtigen Regierung bedürfe, um geordnete Zustände
herzustellen. Andererseits hoffte er, daß den unter dem Druck
ausländischer, klerikaler oder zurückgebliebener Regierungen
lebenden Italienern der Anschluß an das aufblühende und
freiheitliche Savoyerreich doppelt verlockend erscheinen würde. Zur
Gewährung einer Verfassung 5. März 1848, die er zuerst in einer
Journalistenversammlung verfocht, soll er dann persönlich Karl
Albert bewogen haben. Im Parlament, wo er 1848 dem rechten Centrum
angehörte, verteidigte er das Ministerium Alfieri und den mit dem
siegreichen Österreich abgeschlossenen Frieden gegen Gioberti und
die Volkspartei. Als dann Gioberti die Kammer auflöste, wurde C.
nicht wiedergewählt, nahm jedoch Dez. 1849 seinen Sitz abermals
ein, wurde jetzt Führer der Rechten und übernahm bei Bildung des
Kabinetts d'Azeglio nach Santa-Rosas Tod (1850) Handel und Marine,
nach Nigras Austritt (April 1851) auch die Finanzen. Um die vom
Ausland aus bedrohte Preßfreiheit zu stützen, schloß er mit
Rattazzi, dem Führer des linken Centrums, das sog. «Connubio» und
verschaffte ihm das Kammerpräsidium. D'Azeglio reichte Mai 1852
seine Entlassung ein und entledigte sich bei der ihm übertragenen
Neubildung des Ministeriums des unbequemen Kollegen. C. bereiste
nun nochmals England und Frankreich, in welch letzterm Lande er die
hernach so wichtig gewordenen Beziehungen mit Napoleon III.
anknüpfte. C., der, im Gegensatz zu Karl Alberts Grundsatz:
«Italien muß sich selbst helfen», für seine Pläne Bundesgenossen
suchte, war erfreut, in Napoleon einen Begünstiger von Italiens
Emporkommen zu finden. Schon im Nov. 1852 zurückberufen, bildete
er, nachdem Cesare Balbo kein Ministerium zu stande gebracht hatte,
selbst ein Kabinett, worin er außer dem Vorsitz die Finanzen sowie
Ackerbau, Handel und Gewerbe übernahm. C.s innere Politik war auf
die Wegschaffung veralteter Beschränkungen gerichtet; er schloß
Handelsverträge ab, sorgte für Gesetze, die die Freiheit des
Erwerbs begünstigten, und für den Bau von Straßen und Bahnen. Durch
Aufhebung der geistlichen Orden und Einziehung ihrer Güter geriet
er jedoch in Streit mit Rom, hatte sich aber auch hier der
Unterstützung des Königs zu erfreuen. Seine auswärtige Politik,
welche darauf abzielte, der ital. Nation das Königreich Sardinien
als den Retter Italiens erscheinen zu lassen, führte bald zu einem
entschiedenen Gegensatz zu Österreich. Schon 1853 erhob C. Protest
gegen die Beschlagnahme der Güter der nach dem Mailänder Aufstand
Ausgewanderten und ließ dann für die Verfassung Piemonts und die
Unverletzlichkeit desselben England und Frankreich Gewähr leisten,
worauf Österreich mit Parma und Modena einen Bund schloß. Die
bedeutenden Ausgaben und Lastenvermehrungen, welche die nun nötige
Rüstung, die Verlegung der Kriegsflotte von Genua nach Spezia, die
Verstärkung von Casale und Alessandria ↔ veranlaßten, trugen C. eine
feindselige Kundgebung des Turiner Pöbels ein. C. ließ sich dadurch
nicht einschüchtern, ergriff vielmehr die Gelegenheit, welche der
Krimkrieg bot, um einerseits die Truppen zu üben und Savoyen vor
Italien und Europa als beachtenswerte Macht erscheinen zu lassen,
andererseits die Westmächte von Österreich abzudrängen und für
seine ital. Pläne zu gewinnen. Am 10. Jan. (4. März) 1855 schloß er
mit den Westmächten einen Bund und begab sich nach dem glücklichen
Ende des Krieges nach Paris (1856), um auf dem Kongreß auch die
ital. Frage zur Sprache zu bringen. Ein Krieg mit Österreich rückte
so immer näher; doch gelang es C., 1858 zu Plombières von Napoleon
III. die Zusage einer event. Unterstützung zu erlangen; das Band
festigte dann eine Heirat von Napoleons Vetter Jérôme mit Victor
Emanuels Tochter Clotilde. Von Plombières aus war C. auch nach
Baden zu einer Besprechung mit dem Prinzen von Preußen gereist,
ohne aber eine bestimmte Vereinbarung mit diesem zu erzielen. Der
am 29. April 1859 wirklich ausgebrochene Krieg verlief für
Sardinien günstig, wurde aber durch den Vertrag von Villafranca 11.
Juli von Napoleon zum Stillstand gebracht. C. trat nunmehr zurück,
und Rattazzi übernahm die Regierung mit La Marmora. Doch schon 23.
Jan. 1860 wurde C. wieder zur Leitung des Innern, Auswärtigen und
der Marine berufen. Von der innern Lage Österreichs und der europ.
Situation begünstigt, betrieb er zunächst die Einverleibung der
Emilia (Parma, Modena, Romagna) sowie Toscanas, wofür an Napoleon
als Preis der Unterstützung Nizza und Savoyen abgetreten wurden.
Unter der Hand half er Garibaldi in seinem Unternehmen gegen Franz
II. von Neapel, und indem er Napoleon III. einerseits vor einem
Triumphe der Legitimisten, die dem Papste zu Hilfe eilten,
andererseits vor dem Siege Garibaldis als einer erwünschten
Stärkung der republikanischen Partei Sorge machte, erlangte er vom
Kaiser, daß die piemont. Truppen das neapolit. Gebiet und den
Kirchenstaat mit Ausnahme der röm. Provinz besetzen durften. Nach
Errichtung des Königreichs Italien übernahm C. die Regierung
desselben mit dem unveränderten Kabinett. Ihm dankte Italien seine
fast vollständige Einigung; nur Venedig und Rom fehlten noch. Über
die Herausgabe des letztern hatte C. schon 1853 mit dem päpstl.
Stuhl verhandelt, und noch in seinen letzten Augenblicken bewegte
es das Herz des Patrioten: «freie Kirche im freien Staat» war sein
letztes Wort. Er starb 6. Juni 1861. Als Staatsmann war C. von
ungewöhnlich weitem Blick und entschlossenem, zähem Willen; als
Redner von großer Klarheit, aber seinen Feinden gegenüber oft voll
bittern Hohns; als Mensch einfach und bescheiden, im Umgang heiter
und liebenswürdig. In Turin wurde ihm 1873 ein großartiges Denkmal
(von Dupré) gesetzt. C.s Vermögen erbte sein Neffe, Ainardo C., und
von diesem 1875 Graf de Sales; seine polit. Papiere liegen im
Staatsarchiv zu Turin. - Vgl. Discorsi parlamentari del conte di C.
(hg. von Massari, 12 Bde., Turin 1863–80); Lettere edite ed
inedite del conte C. 1821–61 (hg. von L. Chiala, 6 Bde., ebd.
1883 - 87; deutsch, 4 Bde., Lpz. 1884 - 86); Bianchi, La politique
du comte C. 1852–61, lettres inédites avec notes (Turin 1885);
Nouvelles lettres inédites (hg. von A. Bert, ebd. 1889); Diario
inedito con note autobiografiche (hg. von D. Berti, Rom 1888); M.
Castelli, Il conte di C. (hg. von Chiala, Turin