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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Comenius

lich selber des Landes verwiesen wurden (1627). "In unfreiwilliger Muße" entwarf C. damals die erste verläßliche Karte seines Vaterlandes Mähren, die dann fast 100 Jahre als Muster galt und in 27 Nachahmungen verbreitet wurde (Neudruck Znaim 1892). Ebenso schrieb er während jener Verfolgungen eine Reihe von Trostschriften, vor allem "Labyrinth der Welt und Paradies des Herzens" (erschienen 1631; deutsch von Nowotny, Spremb. 1872). Nunmehr auch in Böhmen nicht mehr sicher, mußte er 1628 nach Lissa in Polen auswandern. Dort wirkte er zunächst als Lehrer, von 1636 an als Rektor am Gymnasium, verfaßte anfangs die "Mutterschule" (deutsch von Schröter, Weißenfels 1864; von Beeger und Zoubek, Lpz. 1886; Lissaer Ausgabe von 1633 neu hg. von Albert Richter, ebd. 1891), vollendete seine "Didactica magna seu omnes omnia docendi artificium" ("Große Unterrichtslehre oder die Kunst alle alles zu lehren", deutsch von Beeger und Zoubek, 4. Aufl., Lpz. 1883; von Lindner, mit Einleitung: J. A. C., sein Leben und Wirken, 2. Aufl., Wien 1886; die Einleitung neu hg. von W. Bötticher, ebd. 1892; von Pappenheim, Bd. 1, Langensalza 1892) und schrieb seine "Janua linguarum reserata" ("Das geöffnete Sprachthor"), zu welcher er bald noch einen "Vorhof der Sprachenpforte" ("Januae linguarum vestibulum") als Vorstufe verfaßte, und verschiedene andere Schriften, besonders religiösen und apologetischen Inhalts. Die "Janua" wurde in zwölf europ. und sogar in mehrere orient. Sprachen übersetzt; von der "Didactica magna", die ursprünglich in czech. Sprache verfaßt war, sandte er eine lat. Übersetzung nach Schweden. Im Anschluß hieran faßte er schon jetzt den Plan, eine "Janua der Dinge", eine Art Encyklopädie oder Pansophie (Allweisheit) herzustellen, die sich über alles, was zu wissen, zu thun, zu glauben und zu hoffen nötig ist, erstrecken sollte. Eine vorläufige kurze Darstellung dieses Planes ("Pansophiae Prodromus") ließ sein Freund Samuel Hartlib in London - gegen C.’ Willen - 1637 drucken. Die "Pansophiae diatyposis ichnographica et orthographica" erschien 1643 in Danzig. Der größte Teil der hierher gehörigen Ausarbeitungen, darunter die "Silva Pansophiae", ist bei der Zerstörung von Lissa (1656) verloren gegangen.

Einen Ruf nach Schweden (1638) lehnte er ab, folgte aber einem solchen nach England (1641). Als ihn der Bürgerkrieg von dort vertrieb, ging er (1642) nach Schweden, wo ihn der Reichskanzler Axel Oxenstjerna mit Entwerfung von Plänen für das schwed. Schulwesen beauftragte und wo er in Ludwig van Geer, einem niederländ. Kaufmann, der sich damals in Schweden aufhielt und der ihn auch dahin eingeladen hatte, einen Gönner besaß. Um die ihm übertragenen Arbeiten auszuführen, ließ er sich Ende 1642 in Elbing nieder; 1646 legte er sie Herrn van Geer in Schweden vor; sie fanden die Billigung einer eigens dazu niedergesetzten Kommission. 1648 wurde er zum Bischof der Brüdergemeine zu Lissa gewählt. Er siedelte wieder dahin über und veröffentlichte seine in Elbing ausgearbeiteten Schriften: "Methous linguarum novissima" ("Die neueste Sprachmethode"), "Latinae linguae janua nova" ("Die neue Pforte der lat. Sprache"), "Lexicon januale latino-germanicum" ("Lat.-deutsches Lexikon zur Janua"), "Grammatica latino-vernacula" ("Lat.-deutsche Grammatik"), "Atrium linguae latinae" ("Vorhof zur lat. Sprache"). 1650 folgte er einem Rufe des Fürsten Sigismund von Rakoczi nach Sarpatak in Ungarn, um daselbst bei der Schulverbesserung behilflich zu sein. Der genauere Plan der dort von ihm ins Leben gerufenen Schuleinrichtung ist in der dem Fürsten gewidmeten Schrift "Die pansophische Schule, d. i. allgemeine Werkstätte der Weisheit" dargelegt. Aus dem Streben, den Schülern das Lernen zu erleichtern, ging in dieser Zeit die "Schola ludus" ("Die Schule als Spiel", deutsch von W. Bötticher, Langensalza 1888), eine Art dramat. Bearbeitung der "Janua", hervor. 1654 kehrte er nach Lissa zurück, nachdem er noch seine bekannteste Schrift, den "Orbis pictus" (s. d.), geschrieben hatte, der 1657 erschien und allerwärts begeisterte Aufnahme fand. Als 1657 die Polen das vorher von den Schweden eingenommene Lissa wiedereroberten, wurde er vertrieben und wandte sich, aller seiner Habe, auch seiner Bücher und eines großen Teils seiner Handschriften beraubt, nach Schlesien, dann nach Brandenburg, Stettin und Hamburg, und ließ sich endlich in Amsterdam nieder. Dort veröffentlichte er auf Kosten des Herrn Lorenz van Geer, des Sohnes seines frühern Gönners, in 4 Folianten seine "Opera didactica omnia" und seine Schrift "Lux in tenebris", welche die Weissagungen des Christoph Kotter, der Christine Poniatowska und des Nikolaus Drabik enthielt und ihm viele Anfeindungen zuzog. 1668 erschien seine letzte Schrift: "Unum necessarium" ("Eins ist not"; deutsch 1690, 1735 und 1755; neu Znaim 1892). Er starb (nach der Grabschrift) 15. Nov. 1670; beerdigt wurde er 22. Nov. in Naarden bei Amsterdam, wo sich sein Grab (mit Aufschrift) noch jetzt in der seit 1861 in eine Militärschule umgewandelten franz. Kirche befindet. C.’ "Ausgewählte Schriften" wurden von Beeger und Leutebecher herausgegeben (2. Aufl., Lpz. 1875), seine "Pädagogischen Schriften" von Lion (3. Aufl., Langensalza 1891); C.’ "Passions-, Oster- und Himmelfahrtspredigten" erschienen ins Deutsche übertragen Herborn 1882.

C. war ein Mann von hoher sittlicher Würde, voll Liebe zur Menschheit, ein wahrer Priester der Humanität und ein gottbegeisterter Glaubensheld und Dulder. Seine Hauptbedeutung liegt in dem, was er für die Pädagogik gethan hat. Als sein pädagogisches Hauptwerk ist seine "Didactica magna" anzusehen; sein Wahlspruch war: "Alles verlaufe naturgemäß, fern bleibe den Dingen Zwang." Der Sachunterricht im Gegensatze zu dem verwerflichen Wortunterrichte, die Anschaulichkeit des Unterrichts, das Ausgehen des Sprachunterrichts von der Muttersprache, die Konzentration und die erziehende Wirkung des Unterrichts, alle diese Forderungen finden sich schon bei C., sodaß er in recht eigentlichem Sinne als der Vater der modernen Didaktik zu betrachten ist. In Brandeis a. d. Adler 1865 und in Prerau 1874 wurden ihm Standbilder gesetzt. Sein 300jähriger Geburtstag wurde 1892 besonders in Böhmen mit großen Feierlichkeiten begangen. In Leipzig wurde ihm zu Ehren 15. Nov. 1871 die Comeniusstiftung, eine pädagogische Centralbibliothek, gegründet, welche den Zweck hat, das Material zur Förderung der pädagogischen Wissenschaft möglichst vollständig zu sammeln. Die weitere Erforschung alles dessen, was auf C. Bezug hat, und Einwirkung in C.’ Geiste auf das heutige Geschlecht setzt sich die 1. Okt. 1891 gegründete Comeniusgesellschaft (Sitz Berlin) zum Zweck; die betreffenden Forschungen werden in "Monatsheften"

^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]