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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dampfmaschine

Gleichzeitig ist in der veränderlichen Expansion, d. h. frühern oder spätern Absperrung des Dampfes, das rationellste Mittel zur Regulierung der Umdrehungszahl einer Maschine geboten. Das Bestreben, auf diese Weise eine möglichst vollkommene Regulierung zu erreichen, charakterisiert daher alle neuern Steuerungen.

Zur Erzielung einer größern Expansion, also kleinern Füllung, als sich mit dem einfachen Muschelschieber erreichen läßt, dient vorzugsweise der Meyersche Expansionsschieber, welcher es ermöglicht, die Füllung des Cylinders zwischen weiten Grenzen variieren zu lassen. Die Meyersche Konstruktion (s. nachstehende Fig. 7) besteht darin, daß zwei Schieber übereinander angeordnet sind, deren jeder durch ein eigenes Excenter bewegt wird. Der untere Schieber wirkt genau so wie der einfache Muschelschieber, hat jedoch für den Dampfeinlaß zwei getrennte Kanäle a, b, die durch den zweiten Schieber, der aus zwei getrennten Platten c, d besteht, im geeigneten Moment geschlossen werden. Durch ein Handrad e können die schließenden Flächen des obern Schiebers von außen verstellt und dadurch die Cylinderfüllungen beliebig größer oder kleiner gemacht werden. An der außen befindlichen Maßteilung h läßt sich die Stellung der Platten des Expansionsschiebers erkennen. Als Varianten der Meyerschen Steuerung können die von Rider und Guhrauer sowie die Farcotsche Schleppschiebersteuerung betrachtet werden, von denen namentlich die letzte in vielen Abänderungen ausgeführt wird. Die letztern Steuerungen bezwecken die leichte Einwirkung des Regulators auf die Expansion und damit die Beseitigung eines Übelstandes der Meyerschen Steuerung, welche zur Verstellung der Expansionsschieberplatten, also zur Änderung der Füllung, zu viel Kraft erfordert.

^[Abb. Fig. 7.]

Den Schiebersteuerungen verwandt sind die Drehschieber- oder Hahnsteuerungen, welche in der seinerzeit außerordentliches Aufsehen erregenden Corliß-Steuerung den besten Repräsentanten finden. Die Corliß-Steuerung gehört zu den sog. Präcisionssteuerungen, welche den Admissionsdampf im geeigneten Moment plötzlich absperren, die aber sowohl unter den Schieber- als unter den Ventilsteuerungen ihre Vertreter haben. Die Steuerung der Corliß-Maschine ist aus Fig. 3 der Taf. Ⅲ zu ersehen. Die Schieber (sog. Drehschieber oder Hähne) sind vier an der Zahl (FF und DD), und zwar sind ein Einlaßschieber (oben) und ein Auslaßschieber (unten) auf jeder Seite des Dampfcylinders in größter Nähe der innern Bohrung angebracht. Auf diese Weise hat man durch kurze Dampfwege und durch die Beschränkung des schädlichen Raumes auf ein Minimum eine wesentliche Dampfersparnis erzielt. Beide Schieberpaare werden durch ein Excenter betrieben, welches auf eine Scheibe E wirkt, die auf einem vom Cylinder hervorragenden Zapfen schwingt. Durch kurze Zugstangen, die von der Scheibe zu den Schiebern reichen, werden letztere in eine eigentümliche Bewegung gesetzt, die anfangs schnell, zuletzt aber, wenn der Dampfkanal beinahe geöffnet ist, ganz langsam erfolgt. Diese Wirkung ist auf sehr sinnreiche Weise dadurch erreicht, daß die Zapfen auf der Steuerscheibe so angebracht sind, daß ihre Bewegungslinie beinahe rechtwinklig zur Richtung der Schieberzugstangen liegt, wenn die Grenze der Bewegung nahezu erreicht ist. Die Zugstangen, welche die Steuerscheibe mit den die Einlaßschieber bewegenden Armen verbinden, haben an ihrem äußersten Ende Klinken, welche dadurch ausgelöst werden, daß sie, sobald mit einem durch den Regulator mittels der Stangen HH verstellbaren Hebedaumen in Berührung kommen. Diese Verstellung bewirkt ein früheres oder späteres Schließen des Dampfkanals und verändert so die Größe der Expansion, der Leistung der Maschine entsprechend. Ist nämlich die Klinke ausgerückt, so wird der Schieber mittels einer kräftigen Feder oder eines Gewichts, welche auf den Hebel wirken, plötzlich geschlossen. Um hierbei jeden Stoß und starkes Aufschlagen der Gewichte zu verhindern, sind sog. Luftpuffer oder Luftkissen angeordnet, welche in der Figur unter dem Fußboden angeordnet und mit den Hahnhebeln durch senkrechte Stangen verbunden sind. Aus der Figur ist auch die Anordnung des mit einem Handrad B zu bewegenden Dampfabsperrventils auf dem Cylinder und des Dampfzuleitungsrohres A zu ersehen; G ist das Dampfaustrittsrohr.

Taf. Ⅱ, Fig. 6 zeigt eine etwas modifizierte Anordnung der neuen horizontalen Corliß-Maschine. Das Eigentümliche derselben liegt zunächst darin, daß hier zum Schließen der Einlaßhähne weder metallische Federn noch Gewichte benutzt werden, sondern durch Luftfedern oder Luftpuffer die Wirkung des Luftdruckes in Anwendung gebracht ist. Auch hat die Steuerscheibe insofern eine Änderung erfahren, als dieselbe nur zwei Zapfen für die vier Zugstangen trägt, indem die Stangen für Ein- und Auslaßhähne auf jeder Seite an einem und demselben Zapfen angreifen. Die Steuerscheibe sitzt excentrisch auf dem Drehzapfen und wird in bekannter Weise durch ein Excenter betrieben. Abweichend von den ältern Konstruktionen befindet sich jedoch der die Drehung des Hahns bewirkende Hebel nicht auf der Hahnspindel selbst, sondern auf einem eigenen Drehzapfen, wodurch die Hahnspindel von den Außenkräften entlastet ist. Der bezeichnete Hebel faßt mittels eines Hebedaumens eine Flachstange an, die an ihrem untern Ende mit dem Pufferkolben verbunden ist. Wird dieser gehoben, so dreht sich auch der Einlaßhahn, da die Kurbel desselben durch eine Stange gleichfalls mit dem Pufferkolben in Verbindung steht; der ganze den Schluß bewirkende Zug des letztern hängt also nicht an der Kurbel der Hahnspindel, sondern direkt an dem Hebedaumen. Der Dampf wird dadurch abgesperrt, daß die Flachstange von dem Hebedaumen hinweggedrängt wird, was mittels kleiner, durch den Regulator verstellbarer Anschlagrollen geschieht. Erwähnenswert ist noch die vertikale Aufstellung der Luftpumpen zur Seite des Bajonettbalkens und der Antrieb derselben vom Excenter der Steuerung. Die Figur zeigt auch den Corliß-Rahmen.