Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

809

Darm

Beckenhöhle hat und in zwei Hauptabschnitte zerfällt: den Dünndarm (intestinum tenue), einen glatten, überall gleichweiten Schlauch von 7 bis 7,5 m Länge, welcher in zahlreichen, sehr beweglichen Schlingen und Windungen, den sog. Darmschlingen, die Bauchhöhle erfüllt und hauptsächlich für die Auflösung und Aufsaugung der Nahrungsstoffe bestimmt ist, und in den 1,2 bis 1,5 m langen, an der Oberfläche vielfach ausgebuchteten Dickdarm (intestinum crassum), welcher vorzugsweise der Eindickung unverdauter Stoffe, der Kotbildung, dient.

Der Dünndarm zerfällt wiederum in mehrere Abschnitte: in den mit dem Magen in Verbindung stehenden und hufeisenförmig an die hintere Bauchwand fest angehefteten Zwölffingerdarm (Duodenum), dessen Länge der Breite von zwölf Fingern entspricht, und welcher die Ausführungsgänge der Leber und der Bauchspeicheldrüse in sich aufnimmt, sowie in den sog. Leerdarm (intestinum jenunum) und den Krummdarm (intestinum ileum), welche beide ohne scharfe Grenze ineinander übergehen. Am untern Ende des Krummdarms beginnt sodann der Dickdarm, welcher fast den doppelten Durchmesser wie der Dünndarm und an seiner Oberfläche zahlreiche Ausbuchtungen besitzt, mit einem kurzen, weiten, sackförmigen Anhang, dem sog. Blinddarm (s.d.), welcher auf der rechten Darmbeingrube aufliegt und den federspuldicken, blind endigenden, 5-6 cm langen Wurmfortsatz (Processus verniformis) angefügt enthält. Aus den Blinddarm folgt der Grimmdarm (Colon), von dessen drei Abteilungen die erste, der aufsteigende Grimmdarm (Colon ascendens) an der rechten Seite des Unterleibes von der rechten Beckenschaufel gerade nach aufwärts zur untern Fläche der Leber emporsteigt, die zweite, der Quergrimmdarm (Colon transversum) in horizontaler Richtung unter dem untern Rande des Magens von der rechten auf die linke Seite her übergeht, und die dritte, der absteigende Grimmdarm (Colon descendens), aus der linken Bauchseite bis zur linken Darmbeingrube herabsteigt und nach einer S-förmigen Zickzackbiegung (S. romanum oder Flexura sigmoidea) in den Mastdarm (intestinum rectum) übergeht, welcher in der Höhlung des Kreuzbeins gerade von oben nach unten verläuft und durch den mit einem kräftigen ringförmigen Schließmuskel umgebenen After (s. d.) nach außen mündet. An der Stelle, wo in der rechten Darmbeingrube der Dünndarm in den Dickdarm übergeht, befindet sich die sog. Blinddarmklappe (Bauhinsche Klappe, Valvula Bauhini s. coli), eine kreisförmige Schleimhautfalte, welche unter normalen Verhältnissen den Rücktritt des Dickdarminhaltes in den Dünndarm unmöglich macht. In seiner Lage befestigt und erhalten wird der Dünndarm durch das sog. Gekröse (Mesenterium), eine große Falte des Bauchfells (s. d.), welche an der hintern Bauchwand schief vom zweiten Lendenwirbel zur rechten Kreuzdarmbeinfuge verläuft und sich dergestalt an die konkave Seite des Dünndarms anheftet, daß ihre beiden Blätter auseinander weichen und so den ganzen Umfang des Darmrohrs umschließen. Da der Dünndarm zahlreiche Krümmungen und Windungen bildet, so muß sich das Gekröse gleichfalls nach Art einer Halskrause (daher sein Name) in vielfache Falten legen. Auf diese Weise wird der Dünndarm einerseits vor Verdrehungen und Umschlingungen geschützt, andererseits aber auch mit dem hohen Grad von Beweglichkeit versehen, den seine Funktionen erfordern. Zwischen den beiden vom Bauchfell gebildeten Blättern des Gekröses liegen, in Fett gehüllt, zahlreiche Blut- und Lymphgefäße, die Lymphdrüsen (Gekrösdrüsen) sowie die Nerven des Darms.

Die Wand des Darmrohrs besteht aus drei verschiedenartigen, durch eine dünne Schicht von Bindegewebe miteinander verwachsenen Häuten, einer äußern glatten serösen Haut, einer mittlern Muskelschicht und der zu innerst gelegenen Schleimhaut des Darmkanals, welche vermöge ihrer physiol. Wichtigkeit einen ziemlich komplizierten Bau besitzt. Der zarten serösen Haut, welche einen integrierenden Bestandteil des Bauchfells bildet, verdankt der Darm seine glatte, schlüpfrige und leicht verschiebliche Oberfläche, welche das leichte und ungehinderte Vonstattengehen seiner für die Verdauungsvorgänge so unentbehrlichen Bewegungen möglich macht. Die kräftige Muskelhaut des D. zerfällt in eine äußere Längsfaserschicht (a der nachstehenden Figur), deren Muskelfasern in der Längsrichtung des Darmrohrs verlaufen und der Verkürzung des letztern dienen, und eine innere Ringfaserschicht (b), deren Fasern kreisförmig um das Darmrohr herum verlaufen und die Zusammenschnürung und Verengerung desselben vermitteln. Die Darmschleimhaut (e) endlich, welcher bei der Aneignung der Nahrungsstoffe die bei weitem wichtigste Rolle zukommt, ist eine weiche, etwa 1 mm dicke, in zahlreiche Querfalten gelegte und mit unzähligen zarten zapfenförmigen Erhebungen, den sog. Darmzotten (vilii intestinales), besetzte Membran, welche einen außerordentlichen Reichtum an Blut- und Lymphgefäßen (c) sowie an einzeln oder in größern Haufen stehenden Drüsen (d) besitzt. Die Darmzotten (f), deren Gesamtmenge auf etwa 4 Mill. geschätzt wird, und welche dazu dienen, die aufsaugende Oberfläche der Darmschleimhaut behufs erleichterter Resorption des Chylus (s. d.) zu vergrößern, enthalten in ihrer Achse einen oder zwei centrale Räume als Anfänge der Chylusgefäße, welche von einem reichen Haargefäßnetze umstrickt sind; durch eingelagerte organische Muskelfasern vermögen sich die Zotten rhythmisch zusammenzuziehen und so den aufgesaugten

^[Abb.: Durchschnitt durch die Wand des menschlichen Dünndarms (20mal vergrößert).]