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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsche Kunst

naissance willig aufgenommen, die zuerst nur (als Frührenaissance) zu einer willkürlichen Umkleidung des got. Bausystems benutzt wurden (Kirchen zu Heilbronn, Marienberg i. S., Wolfenbüttel), aber bald zu einer Ausgestaltung prot. Saalanlagen gelangten (Schloßkirchen zu Torgau, Schmalkalden, Gottorp, Celle, Universitätskirche zu Würzburg) oder sich in Versuchen einer zweckmäßigen andern Lösung ergingen (Doppelkirche zu Hanau, Winkelkirche zu Freudenstadt). Das Hauptinteresse der Renaissance wendete sich jedoch dem Profanbau (Schlösser, Rathäuser, Wohnhäuser u. s. w.) zu, die in unerschöpflicher Fülle in ganz Deutschland errichtet wurden. Im allgemeinen beginnt die Kunst mit vorwiegend ornamentalen Neigungen (Beispiele die Schlösser zu Torgau, Mergentheim, Dresden, Heiligenberg, Piastenschloß zu Brieg, und die Rathäuser zu Bremen, Köln, Augsburg, Regensburg), steigert sich zu einem hochentfalteten Dekorativstil, dessen edelstes Beispiel der 1556-63 errichtete Otto-Heinrichsbau des Heidelberger Schlosses bildet, und endet in einer teils überschwenglichen, teils derben Formensprache, der Hochrenaissance, als deren Beispiel das Schloß zu Aschaffenburg genannt werden kann. Zwischendurch gehen jene Bauten, in welchen sich die direkte Einflußnahme ital. Künstler kundgiebt (Residenz zu Freising, Schloß Stern und Belvedere zu Prag; s. Taf. III, Fig. 4). In ganz Deutschland zeigte sich eine außerordentliche Höhe des mittlern Könnens. Doch kam es zu keiner Konzentration der Kunst und zu keinem im höchsten Sinne monumentalen Werk. Der Renaissance bleibt ein gewisser bürgerlich gemütlicher, zwar vielgestaltiger, doch auch beschränkter Charakter eigen. Die höchste monumentale Entfaltung zeigt sich an den Jesuitenbauten, namentlich an der Michaelskirche zu München und an der got. Formen aufnehmenden zu Köln. Dagegen wurde im Gebiet der Innendekoration, der handwerklichen Einzelarbeit, höchst Vollendetes geleistet sowohl in Vertäfelungen als in Metallarbeiten, dekorativen Malereien und Stuckwerken, ebenso wie die Steinmetzen in der Erfindung anmutigen Ornamentes unerschöpflich waren.

Gegen Ende des 16. Jahrh. neigte sich die Baukunst schon einem entschiedenen Barockstile (s. Barock) zu, dessen Fortentwicklung durch den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges unterbrochen wurde. Ein Beispiel hierfür bietet der 1601-7 aufgeführte Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses (s. Taf. III, Fig. 3). Die Zweiteilung Deutschlands nach den konfessionellen Parteien machte sich, als in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. die Bauthätigkeit wieder begann, entschieden geltend. Im Norden und Nordosten unter dem Einflüsse der Niederländer und seit Aufhebung des Ediktes von Nantes der Franzosen (s. Hugenottenstil), im Süden und Südosten unter dem der nordital. Bauleute. Die letztern hatten schon im 16. Jahrh. in den österr. Landen (Graz, Wien, Salzburg) festen Boden gefaßt und im Dom zu Salzburg ein mächtiges Werk ital. Hochrenaissance aufgeführt. Bis etwa 1680 und 1690 beherrschten die als Stuccatoren vorzugsweise thätigen Meister (s. die Familie Carlone) die Umbauten und Restaurierungen (Verzopfungen) älterer Kirchen, schufen aber auch andere selbständigere mächtige, derbformige, aber raumschöne Werke in einem stark manierierten, aber geschickt behandelten Stil (Theatinerkirche in München von Zuccale, Dom zu Passau von Antonio Carlone, Kirche zu Fürstenfeld von Viscardi, frank. Bauten von Petrini, Jesuitenkirche zu Mannheim von Alex. Bibiena, Hofkirche zu Dresden von G. Chiaveri). In den letzten Jahrzehnten begannen wieder deutsche Künstler hervorzutreten: die Familie Dinzenhofer in Böhmen und Franken (Nikolauskirche zu Prag von Kilian Ignaz, Dom zu Fulda von Johannes Dinzenhofer), Joh. Bernh. Fischer von Erlach in Wien (Kirche des heil. Karl Borromäus; s. Taf. III, Fig. 1), Prandauer in Osterreich (Stiftskirche zu Melk und Herzogenburg), Anton Gamp in Tirol, Tum und Bähr in Schwaben, die Brüder Asam und Effner in München. Eng verwandt mit diesen, doch vielfach von der belg. Baukunst beeinflußt sind auch die prot. Barockmeister im Norden. Dort hatte der Hugenottenstil zwar gut geschulte, doch keine hervorragenden Kräfte geschaffen. Memhardt in Berlin, Dury in Cassel, Froimont in Mannheim u. a. standen deutsche Meister von bescheidener Technik gegenüber, die namentlich in Thüringen und in den Reichsstädten noch im Sinne der Hochrenaissance arbeiteten. Beide Teile waren vorzugsweise bestrebt, für den prot. Kirchenbau entsprechende Formen zu finden. Baukünstlerische Thaten verrichtete zuerst Korb im Welfischen, Starke in Dresden (Palais im Großen Garten), dann als überaus selbständige Erscheinung Andreas Schlüter (Königl. Schloß zu Berlin, s. Taf. III, Fig. 5), an dem sich die Dresdener Barockschule, M. D. Pöppelmann und Georg Bähr anschlossen, ersterer der formale Vollender des deutschen Barockstiles (Zwinger zu Dresden; s. Taf. III, Fig. 2), letzterer der des prot. Kirchengrundrisses (Frauenkirche). Neben diesen Gotteshäusern entstanden großartige Schloß- und Klosterbauten im Norden wie im Süden: Hildebrand baute das Palais Prinz Eugen in Wien, Prandauer die Klöster Melk und St. Florian, Decker die Schlösser zu Erlangen und Pommersfelden, Balthasar Neumann in höchster Prachtentfaltung die Schlösser zu Bruchsal, Würzburg u. a.

Zu Anfang des 18. Jahrh. begann abermals ein Überfluten durch franz. Künstler (Jean de Bodt in Berlin und Dresden, Pigage im Pfälzischen, de Cotte in Straßburg, Longuelune in Dresden, Gontard in Berlin und Potsdam, Cuvilliés in München, Retti in Ansbach und Stuttgart), denen sich nun auch, namentlich seit Friedrich d. Gr. sich ganz franz. Kunsteinflüssen hingab, die deutschen Baumeister anschlossen. Das nationale Barock hatte in Schlaun (Schloß zu Münster) und Sonnin (Michaeliskirche zu Hamburg, 1750-62) nach den beiden ihm eigenartigen Seiten seine letzten namhaften Vertreter, während sonst unter franz. Führung, jedoch in eigenartiger, derber und phantasiereicher Weise das Rokoko in Deutschland namentlich für die Inneneinrichtung der Schlösser Großartiges leistete (Knobelsdorff in Potsdam und Charlottenburg, Cuvilliés und Effner in München, Neumann in Würzburg und Bruchsal, Knöfel in Dresden u. a.).

Dieses löste bald der Klassicismus ab, der seinen Hauptsitz in Berlin nahm. G. von Knobelsdorff (Opernhaus zu Berlin), Langhans, Unger, Gilly, Gentz vertreten ihn dort mit steigender Abklärung der Form, aber auch mit wachsendem Schematismus. Im westl. Deutschland waren im gleichen Sinn der jüngere Neumann, die Franzosen d'Irnard, in Cassel Jussow, in Stuttgart Thouret, in München K. von Fischer, in Karlsruhe Weinbrenner