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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsche Kunst

Hans Baldung (s. Taf. VI, Fig. 2) und Heinrich Aldegrever. Die Richtung der fränk. Schule verbreitete sich nach Sachsen durch Lukas Cranach den Ältern (s. Taf. VI, Fig. 4). Kupferstich und Holzschnitt bildeten sich in reichster Weise aus und trugen zur Verbreitung der Kunstwerke bei. Doch schafft die Mehrzahl der Genannten bereits mit unter dem Eindrucke neuer aus Oberitalien herübergekommenen Anregungen.

Die altdeutsche Kunst hatte ihre wesentliche Aufgabe auf dem Gebiete der kirchlichen, der christl. Baukunst gefunden. Wie vorzüglich, namentlich wie tiefsinnig aber auch ihre Leistungen in den andern Zweigen der bildenden Künste dabei gewesen, so war doch inzwischen die Verwirklichung des Ideals der christl. Skulptur und Malerei dem italischen Kunstgeiste zugefallen. Die deutsche Renaissance führte einesteils die deutschen Schulen in steigendem Manierismus fort (Cranach der Jüngere) oder wendete sich der Nachahmung fremder Kunst zu (Spranger, Pieter de Witte, Muelich, Christ. Schwarz, Rottenhammer u. a.), oder endlich sie beschränkten sich auf die Künste des Kleinmeisters (Virgil Solis, Lautensack). Im 17. Jahrh. war der Einfluß der Niederlande entscheidend; Elsheimer, Sandrart, Merian, Rugendas, Screta arbeiteten je nach den zeitgenössischen Einflüssen ohne hervorragende nationale Eigenart. Kräftiger tritt diese hervor bei den Barockmeistern Süddeutschlands, welche mit erstaunlicher Virtuosität die Freskomalerei bis ins 19. Jahrh. hinein betrieben (Rottmayr, Troger, Gran, Cosm. und Dam. Asam, Pozzo, Altomonte, Knoller, Zick u. a.). Der Klassicismus des Nordens erwies sich unfruchtbar für die Monumentalmalerei, führte vielmehr zu einer Vertiefung in das Kleinleben nach holländ. und franz. Vorbild (Denner, Seekatz, Chodowiecki; s. Taf. VIII, Fig. 5) oder zu einer bedeutungsreichen, aber innerlich leeren antikisierenden Kunst (Öser, Tischbein). Nur das Porträt erhielt sich wie in der Bildnerei auf einer bedeutenden Höhe (Kupetzky, Graff, Angelika Kauffmann, Vogel), während in der Historienmalerei Raphael Mengs den Ideenkreis des Klassicismus mit der Formenwelt des Freskenstiles zu verknüpfen suchte. Die völlige Durchdringung einer starken Persönlichkeit mit antikem Gefühl, wie sie sich in Carstens (s. Taf. VII, Fig. 1) gegen Ende des Jahrhunderts vollzog, blieb zunächst in Deutschland noch wenig beachtet, bis von Rom aus die von J. L. David in Paris angeregten Maler Wächter, Schick, Koch, Reinhardt diese Formensprache zwar mit geringerer Kraft, doch mit größerm Erfolg aufnahmen. Sie bereiteten der Schule der Nazarener (s. d.) den Boden vor, deren Häupter Overbeck, Veit, Cornelius, Schnorr gleichfalls in Rom (um 1815) zusammentrafen. Diese waren vorzugsweise von den romantischen Dichtern beeinflußt, fanden in der Kunstweise des Mittelalters, der innigern, frömmern, schlichtern Auffassung die Anregung zu einer größern Vertiefung und zu einer Rückkehr sowohl von dem Formenüberdrang des Barock als auch von der Formenleerheit des altern Klassicismus zu einer gedankenreichen, mehr dem geistigen Ausdruck als der malerischen Vollendung nachstrebenden Richtung. Overbeck und Veit, deren Richtung sich später Steinle, Schnorr von Carolsfeld (s. Taf. VII, Fig. 2), Führich u. a. nahe hielten, blieben im wesentlichen in einer feinen, aber von Nachempfindung älterer Frömmigkeit nicht ganz freien, vorzugsweise katholisierend religiösen Kunstauffassung stehen, P. von Cornelius (s. Taf. VII, Fig. 3) hingegen befreite sich zu einer kraftvoll individuellen Art, die aber leider bei außerordentlicher geistiger Tiefe, dem philos. Zuge der Zeit entsprechend, von unmittelbarer Naturwahrheit allzusehr absehen zu dürfen glaubte, um einen ihrer außerordentlichen innern Größe entsprechenden rein künstlerischen Wert zu erlangen. Die mehr oder minder seinem Beispiel folgenden, bald aber zumeist zu jener Art Historienmalerei abschwenkenden Künstler, welche als Illustration zur Geschichte oder Dichtung gelten will (Schnorr, Neher, Kupelwieser, Schraudolph, Heß), gewannen auf den deutschen Geschmack, namentlich der in den abstrakten, ästhetischen Lehren Hegels erzogenen Gebildeten einen starken, für die einfach sinnliche Wertschätzung der Kunst vielfach abträglichen Einfluß. Die Kartonzeichnerei erlangte ihren Höhepunkt, sodaß die Malerei ihrer Hauptkraft, der farbigen Wirkung, absichtlich entkleidet wurde. Diese strebte unter Wilh. von Schadows Leitung erst die Düsseldorfer Schule wieder an, welche sich bald auch nach Dresden abzweigte, wohin Schnorr auch die Art des Cornelius übertrug. Bendemann, Hübner, Hildebrandt u. a. gehörten der in ihrer ganzen Bedeutung stark überschätzten Düsseldorfer Schule an, die nur dadurch, daß sie im Genrebild wieder die Erfassung des wirklichen Lebens versuchte (Schrödter, Hasenclever, Jordan, später Vautier, Knaus [s. Taf. VIII, Fig. 4]), Bokelmann, Brütt), eine dauernde Förderung der D. K. ergab. Eine Gestaltung der Historienmalerei zu einer mehr von innen empfundenen bahnte in Düsseldorf der erst nachträglich in seiner vollen Größe erkannte Alfred Rethel (s. Taf. VII, Fig. 9) an, dessen Einfluß auf die jüngere Schule (Janssen, Geselschap) unverkennbar ist. Weiter führte die Romantik zu einer vertieften Auffassung der Natur in der Landschaft, wie sie zuerst Schadow anstrebte, später Lessing (hierin bedeutender wie als Historienmaler), Andreas und Oswald Achenbach fortführten. Der Romantik gegenüber hielt sich auch noch der Klassicismus wirksam. Wo derselbe sich durch eine starke Individualität umgemodelt zeigt, wie in Genelli (s. Taf. VII, Fig. 5), fand er wenig Anklang, um so größern aber da, wo er mit den Regeln der Komposition und der schönen Zeichnung sowie namentlich mit einer den Tagesgedanken sich anschmiegenden Gegenständlichkeit zusammentraf, wie in W. von Kaulbach (s. Taf. VIII, Fig. 1), der lange Zeit als der erste deutsche Künstler galt und verwandte, aber selbständigere Kräfte wie Rahl, ja selbst Cornelius in den Schatten stellte. Preller (s. Taf. VII, Fig. 8) und Rottmann suchten die Landschaft im antiken Sinne zu stilisieren, wobei der erstere auf Zeichnung, letzterer auf Farbe das entscheidende Gewicht legte. Bis in die siebziger Jahre ergab sich aus diesen verschiedenartigen Anregungen eine sehr lebhafte Kunstthätigkeit, welche den Vorteil hatte, die Zeitgenossen in hohem Grade zu befriedigen. Namentlich glaubte man in der monumentalen Kunst sich unmittelbar den besten Zeiten anreihen zu können. Aber gerade die Wirkung dieser hat kurze Dauer gehabt, während die fein empfundenen und dem Gemütsleben des Volks enger sich anschließenden Kleinwerke eines Moritz von Schwind (s. Taf. VII, Fig. 4) und Ludwig Richter (s. Taf. VII, Fig. 6) sich in voller Würdigung erhielten.

Der Umschwung von der unter der Überlast der geistigen und daher unkörperlichen Kunst der Corne-^[folgende Seite]