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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsch-Französischer Krieg von 1870 und 1871

gung von Sedan kriegsgefangen, die Festung, der stärkste Waffenplatz Frankreichs, mit allem Kriegsmaterial übergeben; 53 Adler, 541 Feld- und 800 Festungsgeschütze, 102 Mitrailleusen und 300000 Gewehre wurden ausgeliefert. Die Armee des Prinzen Friedrich Karl wurde nun verfügbar für die Bekämpfung der neuformierten franz. Feldtruppen im nördl. und südl. Frankreich, die der deutschen Armee vor Paris lästig wurden.

III. Der Kampf in den Provinzen, a. An der Loire. Schon vor der Einschließung von Paris hatte sich ein Teil der franz. Regierungsmitglieder als Delegation nach Tours begeben; ihnen war Gambetta später in einem Luftballon gefolgt und hatte die Kriegsleitung übernommen. Er übte thatsächlich diktatorische Gewalt aus, um die ganze Volkskraft für den Krieg bis zum Äußersten anzuspannen. Es wurden Waffen, Bekleidung und Ausrüstung im Auslande, namentlich in England, aufgekauft. Neben den Linientruppen, Mobil- und Nationalgarden wurden zum Volkskriege auch Banden von Francs-Tireurs aufgerufen, überhaupt die Levée en masse angeordnet. In großen Übungslagern sollten die Departementaltruppen formiert und eingeübt werden. Garibaldi kam aus Italien herbei; aus allen Ländern strömten Freischärler zu. Im Süden waren die Rüstungen im Laufe des September so weit gediehen, daß schon an einen Entsatz von Paris gedacht werden konnte; eine Loire-Armee war gebildet, von der eine Abteilung 5. Ott. bei Toury die vorgeschobene 4. Kavalleriedivision (Prinz Albrecht) angriff. Der Feldkrieg begann von neuem. Von dem 14. Armeekorps (Werder) war nach der Eroberung von Straßburg eine fliegende Kolonne entsendet worden, um die Vogesen vom Feinde zu säubern; das ganze Korps, mit Ausnahme der neuangekommenen Reservedivision Schmeling, die zur Belagerung von Schlettstadt und Neu-Breisach im Elsaß zurückblieb, rückte Anfang Oktober nach Burgund vor (s. unten). Gleichzeitig wurde von Paris her das 1. bayr. Korps (von der Tann) mit der 22. Division (von Wittich) und der 2. Kavalleriedivision (Graf Stolberg) gegen die Loire-Armee unter Lemotterouge entsendet. General von der Tann stieß 10. Okt. bei Artenay auf deren Vorhut und warf sie zurück; am 11. rückte er gegen Orléans (s. d.), schlug Lemotterouge und besetzte die Stadt und die Loirebrücke. Die Division Wittich wurde einige Tage später westwärts entsendet, wo sich auch feindliche Streitkräfte bewegten; sie erstürmte 18. Okt. Châteaudun und besetzte am 21. Chartres. In diesen Stellungen verblieb das Korps vorläufig, da ein weiteres Vorgehen die Verbindung mit Paris gefährdet haben würde und es nur darauf ankam, Entsatzversuche von dieser Seite zu hindern. Nach dem Falle von Metz übernahm General von Manteuffel das Oberkommando der Ersten Armee; das 7. Armeekorps und die Division Kummer blieben zur Besetzung von Metz und Lothringen sowie zur Belagerung der Festungen an der belg. Grenze zurück, das 1. und 8. setzten sich in nordwestl. Richtung nach der Picardie in Bewegung. Von der Zweiten Armee wurde das 2. Korps nach Paris herangezogen und mit dem 3., 9. und 10. trat Prinz Friedrich Karl den Marsch nach Süden an, um hier den Oberbefehl zu übernehmen. Der erneute Feldkrieg wurde demnach auf drei Schauplätzen geführt, jedoch ohne daß die Operationen untereinander in Verbindung gestanden hätten.

An der Loire hatte sich die Lage, ehe der Prinz trotz angestrengter Märsche dahin gelangen konnte, verschlimmert. Die feindliche Armee war bis auf 150000 Mann verstärkt und an ihre Spitze General Aurelle de Paladines gestellt worden, der Anfang November auf dem rechten Loire-Ufer gegen Orléans vorrückte. General von der Tann bezog eine vorher ausgewählte Stellung bei Coulmiers (s. d.), wo er, am 9. angegriffen, sich in heißem Kampfe bis zum Abend behauptete. Noch in der Nacht zum 10. Nov. trat er den Rückzug an und vereinigte sich bei Toury mit der 22. Division und der 4. Kavalleriedivision des Prinzen Albrecht. Orléans wurde geräumt. Zu weiterer Verstärkung wurde demnächst der Großherzog von Mecklenburg mit der 17. Division herangezogen. Der erwartete Angriff des Feindes blieb jedoch aus, Aurelle begnügte sich mit der Wiederbesetzung von Orléans. Der Großherzog ging nunmehr selbst zum Angriff vor. Die 17. Division, unter Tresckow, schlug 17. Nov. 7000 Mobilgarden, die sich bei Dreux gesammelt hatten, aus der Stadt und besetzte diese; die 22. Division siegte am 18. bei Châteauneuf; im weitern Vorrücken gegen Südwesten wurde am 22. Nogent-le-Rotrou besetzt, wodurch die linke Flanke der bei Orléans stehenden feindlichen Armee bedroht war. Inzwischen traf auch die Zweite Armee nach einem dreiwöchigen Marsche an der Loire ein. Das 10. Korps (Voigts-Rhetz), das ihren linken Flügel bildete, stieß zuerst auf den Feind; zwei Brigaden eröffneten sich 24. Nov. in den Gefechten bei Ladon und Maizières die Marschstraße nach Beaune-la-Rolande, die das 20. franz. Armeekorps bereits versperrte. Aurelle, der bereits den Vormarsch gegen Paris auf Verlangen Gambettas begonnen hatte, wandte sich nun mit einem großen Teile seiner Armee gegen den Prinzen Friedrich Karl und griff das 10. Korps bei Beaune-la-Rolande (s. d.) an, erlitt jedoch eine Niederlage; er zog sich nach Orléans hin zurück und nahm Stellung vor dem Walde. Die Loire-Armee hatte inzwischen eine Stärke gewonnen, die für das Große Hauptquartier der Deutschen überraschend kam. Sie bestand aus den Armeekorps Nr. 15, 16, 17, 18 und 20, die freilich noch nicht vollzählig waren, aber Anfang Dezember immerhin schon wenigstens 200000 Mann zählten. In weitem Bogen hielt diese Armee das Gelände um Orléans besetzt, wobei ihr der große Wald von Orléans trefflich zu statten kam. Zwischen den Hauptquartieren des Prinzen Friedrich Karl und des Großherzogs von Mecklenburg entstanden zudem Reibungen, die der Erreichung des einheitlich anzustrebenden Zieles nicht förderlich sein konnten.

Am 1. Dez. griff das 16. franz. Korps (Chanzy) bei Villepion die ihm gegenüberstehenden Bayern an und drängte sie in einem für die Franzosen glücklichen Gefechte zurück. Am 2. Dez. griff Chanzy dann die Armeeabteilung des Großherzogs bei Loigny (s. d.) und Poupry an. In hartnäckiger Schlacht wurden die Franzosen geschlagen, obschon außer Teilen des 15. und dem 16. Korps auch die verfügbaren Teile des 17. Korps am Kampfe teilnahmen. Prinz Friedrich Karl warf nun 3. Dez. mit dem 3. und 9. Korps das 15. franz. Korps auf Orléans zurück und schlug die Franzosen 4. Dez. entscheidend bei Orléans (s. d.). General Aurelle räumte die Stadt, nachdem der Bahnhof und die nördl. Vorstadt bereits vom 9. Korps erstürmt, die