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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Industrie und Gewerbe)

bereits Paris überholt. Dasselbe gilt von Herren- und Damenhüten, in denen gleichfalls in Berlin, Leipzig, Dresden, Köln, Frankfurt a. M. Beachtenswertes geleistet wird, sowie von künstlichen Blumen (Berlin, Dresden, Sebnitz in S., einzelne Bezirke in Württemberg, Rheinland und Elsaß). Seit 30 Jahren sind große Fortschritte gemacht worden, und wahrscheinlich wäre man den Pariser Artikeln schon ganz gleichgekommen, wenn nicht für die teuersten und besten Erzeugnisse Paris hierin von dem Ausland als Weltmarkt betrachtet würde. -Strohgeflechte liefern Dresden und das Müglitzthal (Sachsen), ebenso der Schwarzwald; Schmuckfedern Dresden und Berlin. In diesen Artikeln ist die Ausfuhr beträchtlich und im letzten Jahrzehnt meist gestiegen. Ausgeführt wurden:

Warengattungen 1880 Mill. M. 1893 Mill. M.

Kleider, Leibwäsche, Putzwaren 78,0 104,6

Filzwaren 4,3 6,7

Herrenhüte 3,3 6,1

Strohhüte 3,7 3,4

Künstliche Blumen 2,5 3,2

Lederindustrie. Hierfür vermag Deutschland den starken Bedarf an Rohmaterial längst nicht mehr zu decken, es findet vielmehr in Häuten eine starke Einfuhr (früher aus Rußland, Österreich und den Donauländern, neuerdings aus Südamerika und Australien) statt. 1893 wurden eingeführt für 73,2 Mill. M. Rinds- und Kalbfelle, für 16,6 Mill. M. Schaf- und Ziegenfelle, für 3,2 Mill. M. Hasen- und Kaninchenfelle, außerdem für 46,2 Mill. M. Felle zur Pelzbereitung. Einen Maßstab für die Entwicklung der Gerberei giebt auch die Zufuhr von Gerberlohe und Holzborke, da 1891 außer der einheimischen Gewinnung und dem sehr starken Verbrauch anderer wirksamerer Gerbmittel allein 96374 t Gerberlohe für 9,2 Mill. M. eingeführt wurden. Die Gerberei ist in allen Städten des Reichs vertreten, fabrikmäßig betrieben in Mainz und Worms, Kirn a. d. Nahe, in Malmedy, an der Sieg und im Königreich Sachsen. Kidleder wird vorzugsweise in Dresden hergestellt. Sattler-, Riemer- und Täschnerwaren liefern alle größern Städte des Reichs, Schuhmacherei wird in größerm Maßstabe in Pirmasens, Mainz, Balingen (Württemberg), Offenbach, in Thüringen, Sachsen und Schlesien betrieben. Die in den Provinzen Sachsen und Schlesien wie im Königreich Sachsen bestehende Marktschuhmacherei für Jahrmärkte ist sehr zurückgegangen. Für feine Lederwaren (Ledergalanterieartikel) ist Offenbach der Hauptplatz, doch sind auch Berlin, Hanau, Nürnberg, Freiberg, Dresden nennenswert. Handschuhe führen Königreich Sachsen, Württemberg, Berlin und die Rheinprovinz in beträchtlichen Mengen aus. Für Pelzwerk ist Leipzig Welthandelsplatz, ebenso ist es für die Verarbeitung von Pelzwerken hervorragend. 1893 betrug die Ein- und Ausfuhr von Leder und Lederwaren:

Leder und Lederwaren Einfuhr Mill. M. Ausfuhr Mill. M.

Leder aller Art 24,3 49,8

Grobe Lederwaren 2,0 5,8

Feine Lederwaren 9,8 55,9

Lederhandschuhe 9,7 27,0

Die Kautschuk- und Guttapercha-Industrie, welche in den Seestädten, in Berlin, im Rheinland und in Sachsen vertreten ist, hat von 1881 bis 1893 ihre Ausfuhr von 13,8 auf 21,6 Mill. M., die Einfuhr von 2,6 auf 5,2 Mill. M. gesteigert.

Holzindustrie. Der Verbrauch dieser Erzeugnisse ist, nach der steigenden Einfuhr von Nutzhölzern zu schließen, erheblich; jedoch erst in dem letzten Jahrzehnt ist in Bezug auf die geschmack- und sogar kunstvolle Gestaltung der Tischlerarbeiten eine Höhe erreicht, wie sie bereits vor dem Dreißigjährigen Kriege vorhanden war. In der Herstellung von Möbeln zeichnen sich Berlin, Mainz, Stuttgart, Frankfurt a. M., Dresden, München, Hanau, Coburg aus; Drechslerwaren liefern Berlin, Nürnberg, Hamburg, Danzig (Bernstein), Ruhla (Meerschaumpfeifenköpfe); Schnitzereien die bayr. Alpen (Ammergau, Partenkirchen, München). Holzspielwaren für den Welthandel werden hausindustriell im sächs. Erzgebirge (Seifen, Grünhainchen) und in Thüringen (Sonneberg) gearbeitet, während die berühmte Nürnberger Spielwarenindustrie zur Herstellung ihrer Artikel mehr Metalle aller Art, Leder, Papiermaché u. dgl. benutzt. Die Ausfuhr von Spielzeug aller Art betrug 1893: 29,8 Mill. M., feinerer Holzwaren 27,2 Mill. M. Zu erwähnen ist sodann die (besonders im Königreich Sachsen) stark vertretene Holzschleiferei, welche den Bedarf für die Papierfabrikation liefert.

Papier. Der jährliche Papierverbrauch wird für das Deutsche Reich mit etwa 4,75 kg pro Kopf anzunehmen sein und dürfte nur von Großbritannien mit 5,25 kg übertroffen werden. Vorhanden sind gegen 500 Papierfabriken mit etwa 650 Papiermaschinen und 180 Mühlen mit etwa 350 Bütten, und die deutsche Papierfabrikation kann als die hervorragendste der Erde angesehen werden. Erzeugt werden alle verlangten Sorten, außer etwa den feinsten, für welche im Inlande geringer Bedarf vorhanden ist. Die starke Steigerung der Produktion war auch nur dadurch möglich, daß man mehr und mehr den Mangel an Lumpen durch Holz- und Strohcellulose ersetzte, wodurch die Herstellung hochfeiner Papiere von selbst ausgeschlossen ist. Die Hauptbezirke der Papierfabriken sind das Königreich Sachsen, die Rheinprovinz, Schlesien, Thüringen, Württemberg und Bayern. - Die Weiterverarbeitung des Papiers ist sehr mannigfach und sind deren Zweige wohl sämtlich vertreten. Bunt-, Gold- und Silberpapiere werden besonders in Berlin, Dresden, Leipzig, Nürnberg hergestellt. Für photogr. Papiere ist Dresden Weltplatz. Papiertapeten werden in Rheinpreußen, in Unterfranken, Sachsen, Hessen, Berlin, Hamburg, Dresden, Wurzen gearbeitet. Die Einfuhr von Papier, Papier- und Pappwaren beläuft sich jährlich auf rund 4-4,5, die der Tapeten betrug (1893) 0,4 Mill. M.; die Ausfuhr von Papier und Pappe (1893) 56,2 Mill. M., von Tapeten 2,4, von Papier und Papierwaren 14,2 Mill. M.

Für die graphischen Gewerbe und den damit im engsten Zusammenhang stehenden Buchhandel sowie für die Buchbinderei ist Leipzig noch immer der Hauptsitz; nennenswert sind weiter Berlin, Stuttgart, München, Dresden, Braunschweig u. a. Auch im Musikalienhandel steht Leipzig obenan, im Kunsthandel, insoweit die bildende Kunst in Frage kommt, sind Berlin, München, Düsseldorf zu nennen. Die zu den graphischen Gewerben zu zählenden Blei-^[folgende Seite]