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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Diamant (Edelstein)
gewicht aller in menschlichen Händen befindlichen
D. wurde vor der Entdeckung der afrikanischen D.
auf 100 Ctr. angegeben.
1456 erfand Louis von Berguem aus Brügge
die Kunst, den D. in Facetten zu schleifen, und zwar
fertigte er zuerst sog. Rosetten; später erst wurde der
die Eigenschaften des D. am vorteilhaftesten zur Gel-
tung briugende^B rill autschliff erfunden. Über
dieFormen der schliffe und die Technit des Schleifens
s. Edelsteinschleiferei.
Die größten und darum auch seltensten D. sind
bei ihrem bedeutenden Werte geschichtliche Merk-
würdigkeiten. Von ihnen schmückt der Orlow
(194^ Karat, Fig. 2) die Spitze des russ. Scepters:
er wurde 1794 für eine Leibrente von 4000 Rubel
und die bare Summe von 450000 Rubel nebst
einem Adelsbrief von der Krone gekauft, nachdem er
vorher das Auge einer Brahmastatue gewesen war.
Der Schah (86 Karat, Fig. 8), den der russ. Kaiser
Alexander II. vom pers. Prinzen Chosroes zum
Geschenk erhielt, zeichnet sich durch große Reinheit
aus: er besitzt noch einige seiner natürlichen Kry-
stallstächen und trägt auf den geschliffenen Flächen
pers. Inschriften. Vermöge der eingeschliffenen
Rille konnte er zum Tragen am Halse an einer
Schnur befestigt werden. Der Polarstern (40
Karat, Fig. 6), ebenfalls ein fchöner Brillant, be-
findet sich, wie die vorgenannten, im russ. Kron-
schatz. Der Florentiner oder Toscaner (139'/^
Karat, Fig. 4) wurde von Karl dem Kühnen in der
Schlacht bei Granson verloren und befindet sich
gegenwärtig in dem Schatz des Kaisers von Aster-
reich; er ist sehr rein, citronengelb und wird auf
über 2 Mill. M. geschätzt. Der Kohinoor (Fig. 9,
gewonnen durch Nmschleifen des Großmoguls,
Fig. 1) stammt aus Indien, wo noch heute die fürst-
lichen wie die Tempelschätze vorzugsweise in D.
und andern Edelsteinen bestehen. Er war im Besitz
des Radschahs von Lahaur und gehört jetzt der
Königin Victoria von England. Zugeschliffen in
Amsterdam, wiegt er nur noch 106 Karat. Der
größte brasilianische D., der Südstern (Fig. 7),
wog ursprünglich 254 Karat und hat jetzt, nachdem
er zum Brillanten zugeschliffen, nur noch 125. Der
Regent (Fig. 3), von 136 Karat und 12-15 Mill.
Frs. Wert, auch Pitt genannt, der schönste aller
existierenden großen Brillanten, befindet sich im
franz. Schatze und ist im Louvre aufgestellt. Der
größte aller vorhandenen D. (363 Karat) soll der-
jenige des Nadschahs von Matan auf Vorneo sein.
Nnter den in Brillantform geschliffenen Steinen ist
der gröhte Victoria, gefunden 1884 am Kap (roh
457, geschliffen 180 Karat). Einen noch größern
Brillanten könnte ein ebenda 1888 gefundener Stein
von 428 Karat liefern, der aber noch weit über-
trossen wird durch einen 1893 zu Iagersfontein im
Oranje-Freistaat gefundenen D. (Excelsior) von
971^4 Karat. Die seltsamsten Schicksale werden dem
Sancy (Fig. 5) zugeschrieben, welcher ebenfalls
zuerst im Besitze Karls des Kühnen war, dann in
dem des franz. Gesandten Sancy und später, nach
manchen, zum Teil mythischen Schicksalen, im Be-
sitze Ludwigs XIV. und Ludwigs XV., der ihn bei
seiner Krönung trug. 1835 wurde er für ^ Mill.
Rubel von dem Oberjägermeister des Kaisers von
Rußland, dem Fürsten Paul Demidow, erkauft, 1836
aber in Paris für 625 000 Frs. wieder verkauft. Er
hat die Gestalt einer Birne, wiegt 53^ Karat und
ist vom reinsten Wasser. Es giebt noch eine Anzahl
anderer großer D., wie denPaschav 0 n Ägypten
(40 Karat, Fig. 14), über die jedoch wenig Näheres
bekannt ist; mehrere befinden sich im Besitz ind. Für-
sten und zeigen meist unregelmäßigen Schliff, so der
große Tafelstein (242^ Karat, Fig. 11).
Der Wert des Brillanten steigt mit seinem Ge-
wicht. Sehr große Steine (Solitärs, Non^
pareils, Parag 0 ns genannt) haben keinen genau
bestimmbaren Marktpreis. Der Preis größerer
Steine ist übrigens gegen früher sehr herunter-
gegangen, weil das Griqualand von 1870 bis 1880
mehr Solitärs geliefert hat als Brasilien während
150 Jahren. Der jeweilige Marktpreis pro Karat,
der also nach Qualität und Form ein sehr verschie-
dener ist, bestimmt nur den Wert einzeln zu fassen-
der Steine, also etwa von ^ Karat aufwärts. Für
die sog. kleine Ware, Steine von ^ bis ^ Karat,
die nur zur Ausschmückung der Fassung größerer
Steine verwendet wird, wird kaum halb soviel oder
uoch weniger als für jene gezahlt.
Die Schätzung des Wertes der D. geschah früher
nach der ind. Quadratregel (in Europa zuerst von
Linscotius bekannt gemacht). Nach derselben multi-
pliziert man die Anzahl der Karate des Steins mit
sich selbst und das Produkt mit dem Preise eines
Karats. Diese Regel, die übrigens nur für Steine
bis zu 20 Karat anwendbar war, wird heutzutage
weder von Juwelieren noch von Händlern mehr be-
nutzt. Ist man gezwungen, zur Ansicht vorgelegte
Steine zu schätzen, ohne sie aus der Fassung nehmen
und wägen zu können, so ermöglicht die Regelmäßig-
keit des jetzigen Vrillantschliffs näherungsweise
eine Bestimmung des Gewichts. Steine mit einem
Dnrchmesser von 7 min in der Ebene der Nundiste,
wiegen 1 Karat, 8 min 2 Karat, 9^ min 3 Karat,
11 mm 4 Karat, 12 mm 5 Karat, 15 mm 10 Karat.
Den ältesten, sicher verbürgten Marktpreis ge-
schliffener D. hat Venvenuto Cellini in seinem
"ii'Httaw ä6l1'0i-6iic6i'i3." notiert. 1534 ward das
Karat mit 300 M. bezahlt; 1609 kostete dasselbe
nach Voetius de Boot etwa 440 M.; Tavernier
setzt den Preis auf 160 M. an, und hiermit
stimmen die Diamanttaxen Hollands und Ham-
burgs aus dem 17. Jahrh, überein; 1750 werden
wieder Karatsteine mit 360 M. bezahlt, während
die Kommission zur Schätzung der franz. Kron-
diamanten 1795 für die Taxierung den Mittelwert
120 M. annahm. Die Preise erhöhten sich in der
ersten Hälfte dieses Jahrhunderts; 1830 zahlte man
180 M.; 1850 260 M.; 1865 bereits 450 M., wor-
auf durch die Entdeckung der Kapdiamanten der
Preis bis auf die Hälfte fiel. Diese Preisschwan-
kungen sind unabhängig von der Mode, die seit
alters her dem farblosen und doch farbenfprühenden
D. treu geblieben ist. Hohe Preise des D. treten
aber nur auf zu Zeiten des größten Überflusses
an Edelmetall. Der zweite Punkt für die Preis-
bestimmung ist ferner neben der Nachfrage auch das
Angebot, die Häufigkeit des Vorkommens. Die in
alter Zeit berühmten ind. Diamantgruben sind zum
Teil erfchöpft, nur Brasilien und Kapland versehen
den Markt mit größern Mengen von Rohmaterial.
Die Entdeckung der brasilianischen D. bei Serro
(Minas Geraes) hat 1727 einen relativen Über-
fluß an Rohmaterial hervorgerufen und dadurch
den Händlern und Besitzern alter indischer teuer be-
zahlter Steine eine empfindliche Einbuße verursacht.
Aus Brasilien wurden in der Zeit von 1850 bis
1870 jährlich gegen 170 000 Karat D. im Werte