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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Diazoverbindungen
Diazoverbindungen, cine blasse von chem.
Verbindungen, welche bei der Einwirkung von sal-
petriger Säure auf die Salze primärer aromati-
scher Amme entstehen. Leitet man z. B. in einen
Brei von salpetersaurem Anilin und verdünnter
Salpetersäure gasförmige salpetrige Säure, so löst
sich das Anilmsalz auf und aus der Flüssigkeit
werden durch Alkohol und Äther weiße nadelförmigc
Krystalle von salpetersaurem Diazobenzol
gefällt, das nach folgender Gleichung entsteht:
0" H5 - NII2 - tl^0., -l- IIN02
salpetersaures Anilin salpetrige
Säure
DiaZobenzoluitrat Wasser.
Die D. sind von Peter Grieß 1860 entdeckt und
ihre chem. Struktur ist von Kekuls aufgeklärt wor-
den. Alle enthalten die aus 2 Atomen Stickstoff
bestehende Diazogruppe ^-^-.^-^, die einer-
seits mit einem aromatischen Radikal, andererseits
mit irgend einer andern einwertigen Gruppe ver-
bunden ist. Das vom Anilin sich ableitende freie
Diazobenzol ist wie alle freien Diazokörper nicht
bekannt, es würde die Strukturformel ^"Hb-
NiN-OH besitzen. Dagegen kennt man vom Diazo-
benzol folgende Abkömmlinge:
Salpetersaures Diazo-
benzol oder Diazo-
benzolnitrat.....(^Ilz.N-.N-Noz
Schwefelsaures Diazo-
benzol oder Diazo-
benzolsulfat.....0" Hz-N-.N-304"
Salzsaures Diazoben-
zol oder Diazoben-
zolchlorid......(^Hz-NiN-OI
Diazobenzolkalium . . OgNz-N-.N-OX
Diazoamidobenzol. . . OgHz-N-.N-NN-Oells
Diazobenzolsulfofäure. 0" II5 - N: N - 80g N.
Von andern aromatifchen Aminbasen leiten sich
analoge Verbindungen ab, z. B. vom Toluidin,
0ll3.dgH4.XII2. das Diazotoluolchlorid, Oll"-
0g ll4 - ^. ^l - 01, u. s. w.; von Diaminen sog. Disazo-
verbindungen (s. d.), z. B. von: Phenylendiamin,
(.^114(^-112)2, ein Vidiazobenzolchlorid,
0gÜ4 lX-.^.01)2, u.s.w.
Die D. sind sehr unbeständig, bräunen und zer-
setzen sich von selbst; viele, z. B. die einfachen Salze
der D., explodieren im trocknen Zustande beim Er-
hitzen und beim Stoß äußerst heftig. Wegen dieser
Zersetzlichkeit stellt man die D. meist nur in wässeriger
Lösung dar, indem man zu der Lösung von Anilin
oder andern Ammen in überschüssiger Säure (2-
2^/2 Moleküle Salzsäure) eine Lösung der genau
berechneten Menge von Natriummtrit (1 Molekül
auf 1 Molekül Anilin) hinzufügt. Um Zerfetzungen
durch Erwärmung zu vermeiden, kühlt man die
Flüssigkeit sorgfältig mit Eis. Der Vorgang ist
folgender:
0" Hz NII2 - UN ^ U014- 5i2.no"
salzsaures Anilin Natrium-
mtrit
--(^"5-N:N-01-^201-^21120.
Diazobenzolchlorid.
Man erhält dann neben dem Diazochlorid noch
Chlornatrium in Lösung. Diese Überführung von
Amidoverbindungen in D. nennt man Diazo-
tieren. Die große Reaktionsfähigkeit der D. ver-
leiht dieser Körperklasse eine große Wichtigkeit. Die
hauptsächlichsten Umsetzungen sind die folgenden:
1) Zersetzung durch Wasser. SaureLösungen
der Diazosalze geben beim Erwärmen freien Stick-
stoff ab, und an die Stelle der Diazogruppe tritt
die Hydroxylgruppe:
0,1l5^.5l-304ll 4-I1.20^0eIl5 0II^^2^ll2804.
DiaZobenzolsulfat Phenol.
Nach dieser Reaktion ist es also möglich, die ur-
sprüngliche Amidogruppe ^H-. in aromatischen
Verbindungen durch Diazotieren und Erwärmen
der Lösung durch die Hydroxylgruppe zu ersetzen.
2) Zersetzung durch Alkohol. Werden D. in
fester Form mit absolutem Alkohol zum Sieden er-
hitzt, so wird die Diazogruppe meist durch Wasser-
stoff erfetzt, indem Stickstoff entweicht und der Al-
kohol in Aldehyd übergeht, nach folgendem Beispiel:
0"ll5.^:^.01^(?2tIg0-^IIg-!-ll01 l-^^o.
Diazobenzol- Alkohol Benzol Aldehyd,
chlorio
Auf diese Weise ist man imstande, die ursprüng-
liche Amidogruppe aus aromatischen Verbindungen
zu entfernen.
3) Sandmeyersche Reaktion. Beim Erwär-
men einer Diazoverbindung mit konzentrierten Lö-
sungen von Kupferchlorür, -Bromür, Iodkalium
oder Kupfercyanür wird die Diazogruppe unter Ent-
weichen von Stickstoff durch Chlor, Brom, Jod oder
die Cyangruppe 05l erfetzt, eine in den chem. Labora-
torien häuftg benutzte Reaktion, z.V.: 20g 115-^201
^0^2^1-2 ^20gll5.Lr-t-2I<2 4-0U2 012.
4) Reduktion. D. können durch Reduktions-
mittel in Hydrazine (s. d.) übergeführt werden.
5) Diazoamidoverbindungen. Wenn pri-
märe oder sekundäre aromatische Amme auf D.
einwirken, so entstehen gelb gefärbte krystallinische
in Wasser unlösliche Körper, die Diazoamido-
verbindungen. Die folgende Gleichung giebt die
Bildungsweife der einfachsten Diazoamidoverbin-
dung, des Diazoamidobenzols, aus Diazoben-
zolchlorid und Anilin an: 0" H5 - N: N - 014- 0" Hz -
^"2 --0"ll5-^.^'^I1.0"Il5 -<-ll01. Diefelben
Körper entstehen, wenn salpetrige Säure auf aro-
matische Amme bei Abwesenheit von andern Säuren
einwirkt. Siö sind bei gewöhnlicher Temperatur be-
ständiger als die Diazosalze und zersetzen sich erst
bei viel höherer Temperatur explosionsartig. Mit
Säuren bilden sie keine Salze. Bei längerm Stchen
der alkoholischen Lösungen, besonders bei Anwesen-
heit von salzsaurem Anilin (bez. andern aromati-
schen Aminbasen), lagern sich die Diazoamido-
verbindungen in die isomeren Amidoazover-
bindungen um, die zu den Azofarbstoffen (s. d.)
gehören. Aus Diazoamidobenzol entsteht auf diefe
Weise Anndoazobenzol nach folgender Gleichung:
6) Umwandlung der D. in Azofarbstoffe.
Auch direkt lassen sich Diazokörper in Azokörper
überführen, wenn sie mit tertiären Ammen (Dime-
thylanilin) bez. Phenolen oder Naphtolen behandelt
werden. So entsteht Dimethylamidoazobenzol, ein
orangeroter Azofarbstoff, nach folgender Gleichung:
0" II5 - N: N 014- 0, Hz - N (0II")2
-0"ll5.N:N.0all4.N(0ll5)2-II01.
Von dieser Reaktion (Paarung, Kombina-
tion) wird bei der technischen Darstellung der
Azofarbstoffe (s. d.) ausschließlich Gebrauch gemacht.
Der Unterschied in der Konstitution der Diazo-
und der Azoverbindungen besteht darin, daß in
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