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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Duchenne - Ducis
Duchenne (spr. düsch^nn), Guillaume Venjaniin,
nach seiner Vaterstadt gewöhnlich Duchenne de
Boulogne genannt, der Begründer der modernen
Elektrotherapie, geb. 17. Sept. 1806 zu Voulogne-
sur-Mer, wo er sich, nachdem er in Paris Medizin
studiert hatte, 1831 als praktischer Arzt niederlieh.
Schon frühzeitig beschäftigte er sich mit den.Heil-
wirkungen der Elektricität; um über ein reichhal-
tigeres Krankenmaterial für diese Studien zu ver-
fügen, siedelte er 1842 nach Paris über und widmete
sich fortan ausschließlich elektrodiagnostischen und
elektrotherapeutischen Forschungen. Sein Haupt-
verdienst ist die von ihm zuerst angegebene Methode
der Lokalisierung des elektrischen Stroms, indem er
zuerst nachwies, daß man durch geeignete Applika-
tionsmethoden den Faradischen Strom auf gewisse,
unter der Haut bis zu einer gewissen Tiefe gelegene
Teile lokalisieren könne (s. Elektrotherapie); ein
weiteres Verdienst erwarb er sich um die Muskel-
physiologie, indem er die von ihm ausgebildete Me-
thode isolierter elektrischer Erregung der einzelnen
Muskeln zur funktionellen Prüfung derfelben und
zu genauer Bestimmung ihrer vereinzelten oder
kombinierten Wirkung benutzte. Auch die Patho-
logie des Nervensystems verdankt ihm wichtige
Untersuchungen und Entdeckungen, besonders durch
seine klassischen Schilderungen der progressiven
Muskelatrophie, der Vulbärparalyse oder Du-
chenn eschen Lähmung, der spinalen Kinder-
lähmung, der Rückenmarksschwindsucht, der par-
tiellen Lähmungen u. a. D. starb 15. Sept. 1875
in Paris an einer Gehirnblutung. Er schrieb: "1)6
lg. vklsur ä6 I'siscti-ioito 6an8 1o trait6M6nt ä68
inalaäi68" (Par. 1850), "v6 I'öi^tr^atism loeali-
866 6t ä6 80N application a 1a patIl0ioZ16 6t a 1a
td6rai)6utiyu6" (ebd. 1855; 3.Aufl. 1872; deutsch von
Erdmann, Lpz. 1856), "N6cani8in6 ä6 1a pk^w-
U0N16 1iUUiaill6) 011 9.113.1^86 6i6CtrOp1i^3i()i0FigU6
ä6 1'6xpr688ion ä68 P3.8810N8" (mit 72 photogr. Fi-
guren, Par. 1862), "?1^8ioi0Fi6 ä68 inouv6M6iit8,
ä^m0utr66 a1'aiä6 ä61'6xp6iini6ntati0ii 6i6"triliu6
6t ä6 1'0d36rvati0ii cliniquen (ebd. 1867).
Duchesne (spr. düschähn), Andr^, lat. Ches-
nius, Duchenius, Quercetanus, franz. Ge-
schichtschreiber, geb. im Mai 1584 zu Isle-Bouchard
in Touraine, studierte zu London und Paris Ge-
schichte und Geographie. Er wurde königl. Geo-
graph und unter dem Ministerium Richeliens königl.
Historiograph. D. starb 30. Mai 1640. Wichtig'ist
besonders seine Sammlung der "II^toriaL ^ranco-
rum 8cript0r68 C0a6tan6i ad ip8iu8 F6nti3 oriFnw
aä riiilippi IV. tempora" (5 Bde., Par. 1636-19),
die sein Sohn Francois D. (geb. 1616, gest. eben-
falls als königl. Historiograph 1693) vom dritten
Bande an fortführte. Unter feinen übrigen zahl-
reichen Schriften verdienen Erwähnung: "1Ii8t0iia6
NorNannoi-um 8"'ipt0i'68 anticini 838 - 1220"
(Bd. 1,Par.1619), "IIi8t0ir6 ä'^ngi6t6rr6, ä'^00880
6t ä'Ir1anä6" (ebd. 1614; vermehrt 1634 u. 1657),
"Hi8t0ir6 663 pap68 ^U8(iii'a ?au1 V" (2 Bde.,
1616 u. 1645), "Hi8t0ir6 Fon6a1oAiciu6 ä6 1a inai-
80u ä6 Nontmoreiil))' 6t ä6 I^aval" (Par. 1624), die
"Hi8toir6 F6H6a1oFi(^u6 ä6 1a mai80n ä6 Vor^"
(ebd. 1625). D. foll mehr als hundert Folianten in
Handschriften hinterlassen haben.
Duchesne (spr.düschähn), Pere, franz.Dema-
gog, s. Hsbert, Jacques Renö.
Duchesnois (spr. düschänoa), Catherine Ioss-
phine, eigentlich Rafin, franz. Tragödin, geb.
5. Juni 1777 zu St. Saulves bei Valenciennes, de-
bütierte daselbst 1795 und, nachdem sie den Unter-
richt des Schauspielers Florence genossen hatte, 1802
auf dem ^1i6lUi-6 lran9ai8 in Paris als Phädra. Bis
30. Mai 1833 gehörte sie diefer ersten Bühne Frank-
reichs an, seit 1804 als Socittaire. Sie starb 8. Febr.
1835 zu Paris. Am glänzendsten entfaltete die D.
ihr außergewöhnliches Darstellungstalent als Se-
miramis, Noxane und Hermione, unterstützt durch
ihre mehr elegante als majestätische Erscheinung und
ihre angenehme, sonore Stimme.
Duokssso (frz., spr. düschch; ital. äuc1w88a,
spr. dMssa), Herzogin.
Duchoborien, s. Duchoborzen.
Duchoborzen ("Geisteskämpfer"), eine Sekte in
Rußland, die in mancher Beziehung an die Quäker
erinnert. Sie berufen sich auf ein inneres Licht,
fchätzen die äußere Kirche mit ihren Priestern und
Sakramenten gering, verwerfen das Zeichen des
Kreuzes und die Trinitätslehre, verweigern Eid
und Kriegsdienst. Die D. traten zuerst unter der
Regierung Peters d. Gr. und der Kaiserin Anna
in Moskau und andern Städten auf. Unter Katha-
rina II. und Paul l. wurden sie hart bedrückt, wäh-
rend Alexander I. ihnen Duldung angedeihen ließ
und ihnen 1804 das Gouvernement Taurien zum
Wohnsitz anwies. 1841 wurden sie aber nach dem
Distrikt Achalkalaki inTranskaukasien versetzt,wo sie,
gegen 3000 an Zahl, in sieben Dörfern wohnen und
sich mit Viehzucht beschäftigen. Das von ihnen be-
wohnte Land wird auch Duchoborien genannt.
Ducholvschtschina. 1) Kreis im westl. Teil
des russ. Gouvernements Smolensk, teils ebene,
teils hügelige Landschaft mit tiefen, zum Dnjepr-
gebiet gehörigen Flnßthälern, hat 4222,5 ykin,
90881 E., Ackerbau, Flachs- und Hanfbau. -
2) Kreisstadt im Kreis D., 56 1cm nordöstlich von
Smolensk, an den Flüsichen Chwostez und Iare-
witfch und an der Poststraße nach Bjclyj, hat (1885)
3847 E., Post, Telegraph, 4 Kirchen; Gerbereien,
Talgsiedereien, Handel mit Getreide, Hanf, Tabak.
Duchsing, s. Dusing.
Ducht oder Duft, der aus Kabelgarnen ge-
drehte Bestandteil eines Taues, wie deren drei oder
vier zur Bildung eines folchcn erforderlich sind.
Duchten, die Sitzbänke in Booten; Segel-
duchten, diejenigen, in welche die Bootsmasten
hineingestellt werden.
Dueis (spr. düßihß), Jean Francois, französi-
scher dramat. Dichter, geb. 22. Aug.'1733 zu Ver-
sailles, trat zuerst erfolgreich auf mit einer Bearbei-
tung von Shakespeares "IIainl6t" (1768). Obwohl er
selbst kein Englisch verstand, ließ er 1772 "Iwin60 6t
.luliotte" folgen und bearbeitete später noch: "1^6 roi
Ii6ai'n (1793), "NaedMi" (1784), "<l6aQ 8au3 t6i'r6"
(1791) und "OtKMo" (1792), indem er Shakespeares
Dichtungen den Formen und Regeln der klassischen
Vühnenüberlieferung anpaßte und zugleich dem
damals herrschenden Geschmack für das Empfind-
same Zugeständnisse machte. Auch auf griech. Vor-
bilder ging D. zurück, in "0eäi^6 <:Iio2 ^ämöw"
(1780) vereinigte er Sophokles niit Euripides;
"^dular, ou la tamilio arad6" (1795), ein Stück
feiner eigenen Erfindung, wurde beifällig aufge-
nommen. D. wurde 1778 Mitglied dn A^deune
und fpäter Sekretär bei dem Grafen von Provence,
dem nachmaligen König Ludwig XVIII. Ein treuer
Anhänger derBourbons, lehnte er unter Napoleon I.
die jährlich 40000 Frs. eintragende Stelle eines