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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenerzeugung
viel Eisen in die Schlacke, und die Reduktion durch >
das Kohlenoxyd ist eine unvollkommene, sodaß eine
vollkommene Reduktion der flüssigen Schlacke erst
durch den glühenden Koks der Verbrennungszone
eintritt. Falls auch diese sog. direkte Reduktion
durch Sinken der Ofentemperatur unvollkommen
wird, bleibt ein größerer Teil der Eisenverbindun-
gen unreduziert in der Schlacke, man sagt, der Ofen
bat Roh gang, während der normale Verlauf des
Prozesses als Gargang bezeichnet wird. - Die den
Erzen beigegebenen Zuschläge haben den Zwcck,
die erdigen Bestandteile der Erze sowie die Asche
des Brennstoffs in leicht schmelzbare Verbindungen
überzuführen und so eine flüssige Schlacke zu erzeu-
gen. Beim Abstich des Ofens läßt man zunächst
die Schlacke in Schlackenwagen ablaufen, die zur
Halde gefahren werden. Das Roheisen fängt man
in Sandformen auf, die durch Rinnen mit einem
größern vom Stichloch ausgehenden Graben (Mas-
se lgraben) verbunden sind (s. Taf. II, Fig. 5).
Die Sandformen sind entweder flach und breit oder
tiefer und schmal, sodaß die erkalteten Roheisenstücke
(Masseln, Gänze, Flossen) entweder platt-
förmig oder barrenförmig sind.
Hm die sich im Ofen bildenden, noch brennbares
Kohlenoxyd haltenden Rauchgase nicht ungenutzt
entweichen zu lassen, fängt man diefelben in einem
besondern Gichtgasfange auf und verwendet sie zur
Winderhitzung, Dampfkesselheizunq, Vorwärmung
resp. Röstung der Erze u. s. w. Ein Gichtgasfang
(LangenscherGlockenapparat) ist aufTaf.II,
Fig. 3 dargestellt; y ist das in das Gehäuse r ein-
gebaute Ableitungsrohr, p die für das Einbringen
der Beschickung von der Gicht abhebbare, mittels
Gewicht t ausbalancierte Glocke, deren abwärts ge-
bogener Rand mit Wasser gegen den auswärts
gebogenen untern Rand des Rohres h abgedichtet ist.
Bei den meisten Hochöfen wird der Schacht nach
der Gicht zu enger. Truran schlug einen nach oben
erweiterten Schacht vor, der auch bei dem uamcntlich
in Ruhland gebräuchlichen System von von Rachette
angewendet ist. Das Rachettesystem (Taf. II,
Fig. 1 u. 2) zeichnet sich auch durch rechteckigen Quer-
schnitt sowie die Anordnung der Formen in zwei
gegenüberstehenden Reihen aus. Vorteile des nach
oben erweiterten Schachtes sollen sein eine bessere
Ausnutzung der Wärme sowie die Möglichkeit der
Verwendung unverkokter Kohlen und ungerösteter
Erze, da sowohl Gase als Beschickung längere Zeit
im Ofen verbleiben. Das Verhältnis von den täg-
lich verbrauchten Mengen von Koks, Erzgemisch
und Wind giebt folgendes Beispiel: Ein Hochofen,
der täglich 110000 1^ Roheisen erzeugt, braucht
330000 kF Erz und Zuschlag, 100000 K3 Koks und
520 000 KZ Wind. Zur Beförderung der Erze, Zu-
schläge und des Koks zur Gicht dient ein meist mit
Dampfmaschine betriebener Gichtaufzug, und
zum Einpressen der beträchtlichen Windmenge in
die Formen sind große Gebläse (s.d.) nötig. Dieser
Wind wird, damit er beim Eintritt in das Gestell
die dort herrschende Schmelztemperatur nicht herab-
zieht, in ^og. Winderhitzern vorgewärmt. Diese
sind so eingerichtet, daß die vorzuwärmende Luft
entweder durch erhitzte Röhren oder durch erhitzte
steinerne Kammern geht. Zur Heizung der Appa-
rate dienen entweder die Gichtgase des Hochofens
selbst oder besondere Feuerungen. Auf Taf.II, Fig.4
ist ein Langenscher oder westfäl. Röhrenapparat
dargestellt. Die auf den Rosten N15 erzeugten Heiz-
gase umströmen in mehrern Zügen ein Röhrensystem,
in welches der zu erhitzende Gebläsewind bei ^ ein-
tritt, während er, auf etwa 400° erhitzt, den Appa-
rat bei ^ verläßt. Höhere Temperaturen (bis zu
800°) erzielt man in den steinernen Kamm er -
apparaten. Eine der besten Ausführungsformen
ist die von Whitwell, die auf Taf. II, Fig. 7 u. 8 in
Vertikalschnitt und Grundriß dargestellt ist. Die
bei ^V eintretenden Heizgase erwärmen die aus feuer-
festen Steinen gemauerten, durch Scheidewände ge-
trennten schmalen Kammern und verlassen bei V
den Apparat. Sind die Kammern genügend erhitzt
(glühend), so stellt man die Heizgase ab und läßt
bei (' den Wind eintreten, der in entgegengesetzter
Richtung die Kannnern durchströmt und durch D
nach dem Hochofen geht. Hat der Wind die Kam-
mern eine Zeit lang durchstrichen und ihnen die Hitze
entzogen, so wird er durch die unterdessen erhitzten
Kammern eines zweiten Apparats geleitet, bis die
des ersten von neuem geheizt sind. Die Pressung
des heißen Windes, zwischen Winderhitzer und Hoch-
ofen, wird durch Federmanometer, die des kalten
Windes, zwischen Gebläse und Winderhitzer, durch
Quecksilbermanometer gemessen. Letzteres (in Fig. 8a
dargestellt) besitzt drei Schenkel a, d, 0, von denen c,
das in d einmündet, mit der Windleitung verbunden
wird, wodurch in d das Quecksilber sinkt und in a
steigt. Die Differenz der Niveaus ist das Maß des
Druckes; dieser beträgt im Mittel 65 uini.
L. Unter Rennarbeit (Rennen) versteht man
die direkte Darstellung des Eisens (Schmiedeeisen
und Stahl) aus den Erzen. Die Operation wird iu
Herden oder Schachtöfen vorgenommen. Das Ren-
nen in Herden nennt man auch Luppenfrischerei
und unterscheidet hierbei das franz. oder catalonische,
das cors. und das deutsche Verfahren, je nachdem
das Erz von einer Seite des Herdes oder, mit Kohle
gcmifcht, rings um das ringförmig geschichtete
Brennmaterial, oder endlich in Schichten, Erz und
Kohle abwechselnd, über die ganze Herdflüche auf-
gegeben wird. Das Wefen dieses Prozesses besteht
darin, daß das durch Reduktion gebildete Eisen un-
mittelbar nach seiner Entstehung der Kohlung ent-
zogen wird. Diese im Altertum und Mittelalter all-
i gemein gebräuchliche E. liefert vorzüglich reines und
! zähes Schmiedeeisen, ist aber gegenwärtig wegen
! des großen Kohlenbedarfs, Eisenverlustes und Ar-
l beitsaufwands nur wenig mehr im Gebrauch. Der
' in frnberer Zeit auf diese Weise gewonnene Stahl
(R ennstahl) hieß W 0 lfsstahl, wenn er in Herden,
Vlasestahl, wenn er in Blasöfen dargestellt wurde.
- In neuerer Zeit wurden von Chenot, Blair,
William Siemens u. a. verschiedene Vorschläge ge-
macht, den Rennprozeh durch Verbesserungen für
die Darstellung im großen geeignet zu inachen.
Der von Siemens konstruierte, an mehrern Orten
Englands eingeführte Apparat, Siemensscher
Rotator genannt (Taf. I, Fig. 9), hat folgende
Einrichtung: Das mit entsprechenden Zuschlägen
gemischte Erz wird in den cylindrischen, beiderseits
tonisch verengten und mit feuerfestem Material aus-
gefütterten Bebälter lü geschmolzen und dann durch
hinzugefügte Steinkohle zu Eisen reduziert. Wäh-
rend des Prozesses wird der Cylinder durch einen
Zahnradmechanismus in Rotation versetzt, wobei
sich das reduzierte Eisen zu festen Massen (Luppen)
sammelt, die gezängt oder sonst verdichtet werden.
Die erforderliche hohe Temperatur wird durch eine
Regenerativgasfeuerung geliefert, bei der die in der